
Motorrad-Weltmeister Jorge Martín hat sich bei seinem heftigen Sturz beim Großen Preis von Qatar am Sonntagabend abermals schwere Verletzungen zugezogen. Der 27 Jahre alte Spanier, der nach einer zweimonatigen Verletzungspause und etlichen Knochenbrüchen am vergangenen Wochenende sein Comeback in der Eliteklasse MotoGP gab, erlitt nach Angaben seines Aprilia-Rennstalls ein Thoraxtrauma und sechs Frakturen der rechten hinteren Rippenbögen, vom ersten bis zum sechsten.
Außerdem diagnostizierten die Ärzte einen schweren Pneumothorax. Dabei gelangt Luft in den Raum zwischen Lunge und Brustwand. Um einen Kollaps der Lunge zu verhindern, bekam Martín, der nach seinem Unfall neun Runden vor Ende des Rennens minutenlang am Streckenrand versorgt und dann ins Krankenhaus nach Doha gebracht wurde, eine Drainage gelegt.
„Wir stehen ihm bei“
Martín sei bei Bewusstsein, hieß es weiter. Er habe keine Probleme mit seinen Gliedmaßen, müsse aber die kommenden Tage im Krankenhaus verbringen, sodass der Pneumothorax abklingen könne. Dem Champion, der vor der Saison von Ducati zu Aprilia gewechselt war, droht nun die nächste lange Zwangspause. Dass er seinen Titel erfolgreich wird verteidigen können, gilt als ausgeschlossen.
„Unsere Gedanken sind in dieser schwierigen Phase bei Jorge“, sagte Aprilia-Motorsportchef Massimo Rivola. „Wir stehen ihm bei.“ Auf Platz 17 liegend geriet Martín ausgangs einer „schnellen“ Rechtskurve des Lusail International Circuit auf die Randsteine. Er verlor die Gewalt über sein Motorrad und stürzte.
Der ihm dicht folgende Ducati-Pilot Fabio Di Giannantonio konnte nicht ausweichen. Er erfasste den gefallenen Weltmeister, traf ihn mit dem Vorderrad am Rücken. Bei Tempo 180 bis 200, wie der Italiener Di Giannantonio selbst schätzte. Die Fernsehbilder zeigten, wie Martíns Bike funkenschlagend ins Aus schlitterte und der Spanier sich anschließend auf allen Vieren vor Schmerzen krümmte.
„Ein extrem heftiger Sturz“
„Ich hatte keine Chance, auszuweichen. Also habe ich ihn berührt“, sagte Di Giannantonio später. „Ich habe die ganze Zeit an ihn gedacht, denn ich machte mir große Sorgen.“ Obwohl Rettungskräfte Martín in der Auslaufzone am Rande der Schnellspur erstversorgten, ging das Rennen weiter, wenngleich unter Gelber Flagge.
Darüber sei er überrascht gewesen, erzählte Di Giannantonio. „Ich hatte Gänsehaut, denn das war die schlimmste Szene meines Lebens.“ Und weiter: „Es war ein extrem heftiger Sturz, und er lag noch immer am Boden. Ich habe auf die Bildschirme geschaut und versucht zu verstehen, ob es ihm gut geht. Er lag noch da. Ich dachte: Wir müssen doch erst sicherstellen, dass es ihm gut geht.“
Das Rennen gewann Ducati-Werkspilot Marc Márquez, den der frühere Bundesliga-Fußballer Joselu, der mittlerweile in Qatar spielt, vor Teamkollege Francesco Bagnaia und Franco Morbidelli auf einer Kunden-Ducati abwinkte. Márquez eroberte außerdem die WM-Führung zurück, da sein Bruder Álex Márquez nur Sechster wurde. Die Márquez-Brüder waren kurz nach dem Start im Kampf um die Führung sogar kollidiert, hielten sich aber auf ihren Bikes. All das verkam angesichts des Unfalls von Martín zur Nebensache.
Der Vorjahreschampion hatte bei seinem schweren Crash während der Wintertests in Sepang mehrere Knochenbrüche erlitten, in den Händen wie im linken Fuß. Kurz vor der Abreise zum Saisonauftakt nach Thailand brachen ihm beim Training mit einer Übungsmaschine abermals mehrere Knochen. Mártin berichtete von insgesamt zehn erlittenen Frakturen.
In Qatar wollte er nun die ersten Wettkampfkilometer auf seinem neuen Bike bestreiten, wurde am Samstag 16. des Sprintrennens. Nach der langen Pause seiner eigenen Kräfte unsicher, bezweifelte Martín jedoch, den Grand Prix beenden zu können: „Aber wenn wir es schaffen“ sagte er vorab, „wäre es ein Sieg.“