Die mit Lena Gercke, „Spotiflix“ und #melddichmalwieder

Welcher Star sorgte diese Woche für Schlagzeilen?

Lena Gercke, besser gesagt die Zahlen ihrer Fashion- und Lifestyle-Marke LeGer. Das Label gehört zu 60 Prozent Gercke und zu 40 Prozent dem Online-Mode-Versandhändler About You. Das Börsenmedium „Der Aktionär“ schlagzeilte nun: „Die Schuldenkönigin – Lena Gercke im Visier“, in einem stark meinungsgetriebenen Kommentar. Nach dem geplanten Squeeze-out durch Zalando soll About You von der Börse verschwinden. Übrig bleiben laut Artikel „verheerende“ Kursverluste und ungeklärte Fragen. LeGer habe 2022–23 über 27 Millionen Euro Verlust angehäuft. 2023 lag der Fehlbetrag (15,7 Millionen Euro) sogar über dem Umsatz (14,8 Millionen Euro). 2024 steht ein kleiner Überschuss (eine Million Euro) bei weiter sinkenden Erlösen (11,2 Millionen Euro). Ob dieser Überschuss auf Sondereffekte oder Kostenkürzungen, oder aber auf einen nachhaltigen Turnaround hindeutet, bliebe offen. Gercke reagierte nun nach anfänglichem Zögern in der Bild. Ihre Ausführungen entschärfen den „Schuldenkönigin“-Frame teilweise, widerlegen ihn aber meiner Meinung nicht vollständig. Was können wir daraus lernen? Zunächst einmal sollten wir uns alle ehrlich machen. Influencer-Labels verkaufen Nähe und Haltung, nicht nur Ware. Das funktioniert solange, bis die operativen Realitäten sichtbarer werden als der Feed. Dann zählt nicht mehr die Persona, sondern die Prozessqualität: Retourenquote, Lagerumschlag, Cash etc. Wer „Ich bin überall drin“ kommuniziert, muss auch „Hier sind die Zahlen“ liefern. Sonst wird Authentizität zur Sollbruchstelle. Aber in Fehlern liegen auch riesige Chancen für ein verändertes Narrativ. Weniger Glamour, sondern mehr Blut, Schweiß und Tränen als Unternehmerin in einer Branche, die ähnlich wie die Medien, durch harte Zeiten geht (Shein lässt grüßen). Sie könnte ihre Geschichte auf diversen „F*ckup-Nights“ erzählen, und so andere Unternehmer*innen inspirieren und ihnen weiterhelfen. Das würde ihr auch als zukünftige Investorin zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen. Mein Fazit: Deutschland braucht keine fehlerlosen Held*innen, aber Erfolg bedeutet eben auch, dass Governance und Cash den Glamour tragen müssen.



Welche Entwicklung werde ich weiter beobachten?

Die des europäischen Vereinsfußballs. Und, wie und wo er zu sehen sein wird. Die UEFA bereitet für den Zyklus 2027–2033 eine neu zugeschnittene Medienrechte-Ausschreibung vor, die Multi-Territory-Pakete (bis hin zu „Big-Five-Bündeln“) und u. U. ein globales „First-Pick“-Spiel pro Spielwoche ermöglicht. Das Ziel ist klar: mehr Bieter, auch globale Streamer, und somit höhere Erlöse. Damit würden Netflix/Disney/Amazon/DAZN realistische Optionen. Parallel kursiert eine „Finale Offerte“ der Super League/A22 an die UEFA, die die bestehende Champions-League behutsam umbauen würde. A22 will mit „Unify“ den europäischen Klubfußball zugunsten der Topvereine neu ordnen, d.h. mehr garantierte Top-Duelle, größere Vermarktungs- und Erlöshoheit der Clubs (inkl. frei empfangbarem Flagship-Spiel) bei, und das ist neu, formal meritbasierter, also leistungsbezogener Qualifikation. Am 6. Oktober dementierte die UEFA nun offiziell, am Champions-League-Format zu drehen –  und dies trotz bestätigter Treffen ihres Generalsekretärs Theodore Theodoridis mit A22-Mitgründer Anas Laghrari (dies hatte zuerst die spanische Zeitung „Mundo Deportivo“ berichtet). Man habe „keine Pläne“, die UCL zu ändern, die Gespräche seien weder „geheim“ noch ergebniswirksam, heißt es. Nun ja. Allein, dass es diese Gespräche gab, lässt aufhorchen. Ich befürchte, das Dementi ist kein Schlussstrich, sondern eher Positionsmanagement. Die UEFA verteidigt das Merit-Narrativ öffentlich, hält sich aber Verhandlungshebel für den neuen Rechtezyklus offen. Für Fans heißt das, zwischen Preis/Fragmentierung und einem möglichen Free-to-air-„Flaggschiffspiel“ wird gerade die Zukunft der Zugänglichkeit verhandelt. Für die Spieler bleibt der Kalenderdruck sowieso immens. Das wird mit Sicherheit nicht besser. Manchmal wünscht man sich als Fan (als Vereinsverantwortlicher natürlich nicht) die gute alte Zeit mit dem „Europapokal der Landesmeister“ zurück. Da konnte es schon in Runde 1 zu Real – Bayern kommen. Oder ein Außenseiter erreichte das Finale. Tempi passati.


Über was muss ich hier schon wieder berichten?

Über saudi-arabische Medieninvestments. Und, dass man in Hollywood offensichtlich nicht mehr allzu wählerisch ist, woher welches Geld kommt. Erik Feig, ehemals Co-Präsident von Lionsgate, gründet ein unabhängiges Produktionslabel namens Arena SNK Studios, um die Reichweite des Hollywood-Produzenten (seit 2019 Picturestart) in Film, Fernsehen, Gaming und Live-Events auszubauen. Laut Feigs Unternehmen hat sich die neue Unternehmung rund eine Milliarde US-Dollar an Finanzierung gesichert, angeführt von Geldgebern aus Saudi-Arabien, als Teil eines Stufen-Investments. Die Finanzierung kommt von der MBC Group, dem saudi-arabisch im Besitz befindlichen Nahost-Sende-Riesen und größten Medienunternehmen der Region, sowie von SNK, dem japanischen Videospielunternehmen, das mittlerweile der MiSK Group gehört, einer von Prinz Mohammed bin Salman geleiteten Stiftung. Nun, das bedeutet für ein Independent Studio erst einmal sehr tiefe Taschen mit spannender Gaming IP. Saudi-Geld trifft Hollywood-Hunger quasi. Aber Arena SNK kommt nicht nur mit großem Scheck, sondern auch einigen, größeren Fragezeichen. Geld ist nie neutral, doch Verträge können es näherungsweise werden. Also: Gibt es kreative Unabhängigkeit schwarz auf weiß, Transparenz über die Geldflüsse, Arbeits-/Gewerkschutz nach US-Standards und eine Red-Line-Klausel gegen mögliche saudi-arabische Imagepolitik? Fragen, denen sich das Studio stellen wird müssen. Ein jüngeres Beispiel gefällig? Beim Riyadh Comedy Festival standen vor kurzem Weltstars auf der Bühne (u.a. Kevin Hart, Dave Chappelle, Bill Burr, Chris Tucker, Aziz Ansari, Louis C.K., Jimmy Carr), während Vertragsauflagen politisches Material über Saudi-Arabien tabu machten. Exakt die Blaupause für eine Whitewashing-Debatte. Ich werde das beobachten.


Welcher andere Deal lässt diese Woche aufhorchen?

Der, dass Netflix jetzt sehr stark auf Video-Podcasts setzt, und zwar durch einen umfassenden Lizenz-Deal. Spotify bringt ab Anfang 2026 ausgewählte Video-Podcasts aus dem Ringer/Spotify-Kosmos, u. a. The Bill Simmons Podcast, The Rewatchables und Conspiracy Theories, parallel auf Netflix (neben Spotify). Als Teil der Fensterstrategie werden vollständige YouTube-Uploads auf Clips reduziert. Dies ist ein weiterer Schritt hin zu stärker plattform-lizenzierten, „windowed“ Video-Podcasts, und weniger Exklusivität. Es ist ein großer Moment für die Podcasting-Industrie. Denn die Branche hat sich gefragt, wann Netflix ernsthaft in die Lizenzierung von Podcasts einsteigen, und wie ein solcher Deal dann aussehen würde. Offensichtlich bedeutet es außerdem, dass das Entfernen von Shows von YouTube, und somit weitgehend auf AdSense-Erlöse zu verzichten, durch die zusätzliche potenzielle Reichweite und eine Lizenzgebühr das bessere Geschäft darstellt. Ist das nun der Auftakt für eine nächste große M&A-Spekulation, ist Spotify (etwa ein Viertel vom derzeitigen Netflix Market Cap) jetzt ein Übernahmekandidat? Solche Gerüchte gab es in der Vergangenheit immer mal wieder. Ich denke eher nicht. Netflix vertieft mit dem Deal erst einmal testweise seine Overall-Strategie, sich die IPs anderer Anbieter nicht-exklusiv zu sichern und so sein Content-Angebot zu vertiefen. Was als Nächstes plausibel erscheint sind mehr Shows/Genres hinzuzufügen, das Konzept international auszuweiten und vielleicht Tests von gemeinsamer Ad-Monetarisierung. Bemerkenswert ist der Deal dennoch, weil er Video-Podcasts erstmals im großen Stil von offenem YouTube in ein kuratiertes, lizenziertes Windowing zwischen Audio-Champion und SVOD-Gigant überführt, und damit testet, wie Talk-Formate kostengünstig Engagement-Lücken im Streaming füllen.


Und was war für mich der emotionalste Fernsehmoment der zurückliegenden Woche?

Am 10. Oktober hat die ARD das Programm in der Halbzeit des Länderspiels Deutschland–Luxemburg mit einer weiteren, bewusst inszenierten „Programmstörung“ unterbrochen, um auf Einsamkeit aufmerksam zu machen. Unter dem Motto #melddichmalwieder traten u. a. Carolin Kebekus, Peter Maffay, Mark Forster, Lukas Podolski und Jasmin Wagner auf. Verantwortlich war der WDR, produziert von der bildundtonfabrik (btf). ARD-Programmdirektorin Christine Strobl ordnete die Aktion als Beitrag zur „Aktionswoche der seelischen Gesundheit“ ein. Nach #KINDERstören aus dem August dieses Jahres also eine weitere, an Herz und Nieren gehende Programmstörung. Auch wenn das Vorgehen zweifellos von den „15 Minuten“ von Joko & Klaas bei ProSieben inspiriert ist, möchte ich der ARD dennoch gratulieren. Sie hat ihren ganz eigenen Stil, eine ganz eigene Emotionalität in diesem Format gefunden, die wirkt. Ich habe mich daraufhin bei einem Freund gemeldet, mit dem ich lange nicht gesprochen hatte. Und ich hoffe, viele andere Menschen sind auch dem Aufruf #melddichmalwieder gefolgt. Das ist echter Public Value mit großer Reichweite zwischen „Tatort“ und Fußball. Das ist die große Kraft, die das Fernsehen immer noch hat.