Die Geschichte des Computerspielemuseums: Alle Exponate dürfen gespielt werden

Für einen eigenen Computer war Klaus Spieler sogar bereit, die Gesetze der DDR zu brechen. Vierzehn Jahre hatte er auf einen Trabant gewartet. Doch als er 1988 endlich ein Auto zugeteilt bekam, verkaufte er es umgehend für D-Mark. Mit dem kleinen Vermögen, das er so erzielte, holte er sich im Computer-Intershop am Schiffbauerdamm einen Joyce-PC mit Nadeldrucker von dem westdeutschen Unternehmen Amstrad/Schneider.

Die Möglichkeiten, die ein eigener PC bot, hatte er an der Humboldt-Universität kennengelernt, wo er als wissenschaftlicher Assistent in der Sektion Ästhetik und Kunstwissenschaft im Schichtbetrieb Zugang zu einem Robotron-Rechner hatte.

Mit dem Robotron-Computer konnte man Aufsätze schreiben und korrigieren. Aber auf dem neu erworbenen PC aus dem Westen war das Spiel „Batman“ installiert, der Apparat „war nicht nur ein Schreib-, sondern auch ein wunderbares Spielgerät. Er hatte einen sehr großen grünen Monitor und verfügte über einen gewaltigen Arbeitsspeicher von 560 KB. „Mit diesem Gerät konnte Batman alles; springen, Rätsel lösen und Gespenster überlisten“, schreibt Spieler in einem neuen Buch über die Entstehung der Berliner Computerspielemuseums.

Erfolgreiches Privatmuseum

Denn die Begeisterung für den grünen Batman führte letztlich dazu, dass Spieler einer der beiden Gründer des Berliner Computerspielemuseums wurde – das weltweit erste Museum zu Games überhaupt, heute ein gut besuchtes Haus an der Karl-Marx-Allee und eins der erfolgreichsten Privatmuseen Deutschlands. Wie es dazu kam, ist eine sehr Berliner Geschichte, die so wohl nur in den Wirren der Nachwendejahre stattfinden konnte.

Das Buch

Andreas Lange/Klaus Spieler: „Wie die Games ins Museum kamen“, Verlag Werner Hülsbusch, Glückstadt 2024, 200 Seiten, 24,80 Euro

Nach dem Ende der DDR war Spieler schnell klar, dass es mit der akademischen Karriere ­vorbei war. Als Geschäftsführer des Förderverein für Jugend und Sozialarbeit (fjs) schuf er Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), in deren Rahmen Pädagogen mit den damals neuen PC-Spielen vertraut gemacht wurden, eine Initiative, aus der in den folgenden Jahren ein ganzes Games-Imperium werden sollte: Als Gegenstück zur Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) für Kinofilme wurde die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) gegründet, die bis heute für die Prüfung von Computerspielen in Deutschland zuständig ist.

In einem ehemaligen Gemüseladen in einem finsteren Hinterhof in einer Seitenstraße in Mitte mussten die Prüfer alle in Deutschland neu veröffentlichten Games komplett durchspielen, um eine Alterseinstufung vorzunehmen.

Die Spiele kamen paketweise, und die USK prüfte sie nicht nur, sondern bewahrte sie auch langfristig auf – so entstand ein Archiv von inzwischen mehr als 60.000 Computer- und Videospielen inklusive der zugehörigen Datenträger, Verpackungen, Handbüchern, Materialien und Hardware, das zuletzt mit Unterstützung der Kulturstaatsministerin in einer Datenbank verzeichnet wurden.

Gründung dank ABM-Maßnahme

Um die neue Kulturform auch jenseits der Gamerszene zu vermitteln eröffnete der fjs im ehemaligen Gemüseladen 1997 das weltweit erste Computerspielemuseum – auch diese Gründung war nur dank einer ABM-Maßnahme möglich, für Museumsleiter Andreas Lange „eine der erfolgreichsten und nachhaltigsten der Geschichte“.

Die ersten Exponate seines Museums musste der Religions­wissenschaftler auf Flohmärkten und in Kellern und auf Dachböden zusammensuchen. Heute sind viele von ihnen gesuchte Raritäten, und um sie zu spielen, muss man in das Museum im ehemaligen Café Warschau in der früheren Stalin­allee gehen – denn dort, das ist der Ethos des Museums, kann man die aus­gestellten Spiele auch benutzen.