Die G7 und der Ukraine-Krieg: Ein gerechter Frieden oder Trumps Beinfreiheit?

Beratungen über die Lage im Ukraine-Krieg im Kreis der westlichen Verbündeten gleichen mittlerweile routinehaften Übungen. Als Anita Anand, die kanadische Außenministerin, am Mittwoch Andrij Sybiha in der G-7-Runde in Niagara-on-the-Lake in der Provinz Ontario willkommen hieß, bedankte der Ukrainer sich für die Einladung in den Kreis und das Engagement der westlichen Industrienationen für sein vom Krieg geschundenes Land.

Der bevorstehende Winter werde der schwerste seit Beginn der russischen Angriffe, sagte er und hob hervor, wie wichtig es sei, einen „gerechten und umfassenden Frieden“ zu erreichen. Als der öffentliche Auftakt der Sitzung beendet war, ging hinter verschlossenen Türen das Tagesgeschäft weiter. Sybiha habe seine Wunschliste vorgetragen, einschließlich dringend benötigter Waffensysteme, also weitreichender Marschflugkörper vom Typ Tomahawk und Taurus. Sodann griffen die versammelten Außenminister zu ihren Sprechzetteln und trugen ihre bekannten Positionen vor. Eine echte Diskussion gab es nicht. Kritik wurde auch nicht vorgetragen, wie später aus Delegationskreisen zu erfahren war.

Kein weiteres Treffen von Trump mit Putin

Der amerikanische Außenminister Marco Rubio hatte im nichtöffentlichen Teil der Sitzung die Dynamik an der Front beschrieben: Russland habe eine andere Schmerztoleranz. Es sei bereit, 7000 Tote in der Woche hinzunehmen und werde weiterkämpfen, wenn es den gesamten Donbass nicht kampflos erhalte. Dieser Preis ist selbst Donald Trump zu hoch. Deshalb werde es vorerst kein weiteres Gipfeltreffen zwischen ihm und dem russischen Machthaber Wladimir Putin geben, führte Rubio aus.

Dann sagte der Außenminister einen Satz, der klar machte, warum die Europäer auf ihn, Rubio, setzen: Man müsse Russland „Kosten auferlegen“, mit denen Moskau nicht rechne. Das bezog sich nicht nur auf die jüngst verhängten scharfen Sanktionen gegen die russischen Ölkonzerne Rosneft und Lukoil. Sondern deutete offenbar an, dass weitere Strafmaßnahmen folgen könnten.

Die Textarbeit an der Abschlusserklärung, an der ranghohe Diplomaten feilten, führte zu einem Ergebnis, das aus europäischer Sicht nur mittelprächtig war: Der Verweis auf einen „gerechten Frieden“ fehlte. Warum? Rubio will Trump offenbar Beinfreiheit lassen, doch noch einen Deal mit Putin zu machen. Da könnte das Wörtchen „gerecht“ ein Problem sein.

UN-Mandat für die Entwaffnung der Hamas

Auch über die Lage im Gazastreifen berieten die Außenminister – in einer Arbeitssitzung zum Auftakt des Treffens am Dienstagabend. Der deutsche Außenminister Johann Wadephul machte deutlich, dass sich die Gruppe für die rasche Absicherung des Washingtoner Friedensplans durch ein UN-Sicherheitsratsmandat einsetzt: „Wir brauchen ein Mandat des Sicherheitsrates, damit Hamas entwaffnet werden kann, damit eine internationale Sicherungstruppe Verantwortung übernehmen kann“. Man habe ein „gemeinsames Verständnis, dass ein UN-Mandat notwendig ist.“ Auch die amerikanische Seite, so durfte man die Bemerkung Wadephuls verstehen, sieht das nun so. Und es bestehe Einigkeit darüber, „dass es möglichst schnell gehen muss“. Es sei „vollkommen klar geworden, dass die Uhr läuft und dass wir möglichst schnell eine Sicherheitsstruktur brauchen, die für Ordnung im Gazastreifen sorgt“. Wadephul wies aber auch darauf hin, dass man Resolutionen nicht bestellen könne. Diese müsse man „hart verhandeln“.

Eine solche Sicherungstruppe werde die Kämpfer der islamistischen Hamas und andere bewaffnete Organisationen im Gazastreifen „nur in den Griff bekommen, wenn wir ein klares Mandat haben für Entsendestaaten“, so Wadephul. Deswegen sei es gut, dass alle sich vorgenommen haben, dieses Mandat schnell jetzt in New York auszuhandeln. Noch unklar, welche Staaten Truppen für eine solche Sicherungseinheit zur Verfügung stellen könnten. Erwartet wird, dass Trump unter anderem darüber mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman sprechen wird. Das faktische Herrscher in Riad wird nächste Woche in Washington erwartet.

Wadephul verwies mit Blick auf die Frage, ob sich die Beiträge Deutschlands für eine Absicherung des Friedensplans konkretisiert hätten, auf die Unterstützung des von Washington geführten zivil-militärischen Koordinierungszentrums in Israel durch

Bundeswehroffiziere und deutsche Diplomaten. Das könne man gegebenenfalls verstärken. Er hob zudem die Bereitschaft Berlins hervor, sich an einer Wiederaufbaukonferenz zu beteiligen. Einen konkreten Termin für eine solche Konferenz gebe es aber noch nicht. „Solange nicht klar ist, wie der Gazastreifen organisiert werden kann und wie eine Zukunft auch kreiert werden kann, solange gibt es kein richtiges Engagement für eine der Aufbaukonferenz“, sagte Wadephul. Eine Resolution des Sicherheitsrates sei hier „der Flaschenhals“, an dem nun mit Energie gearbeitet werden müsse.

Wadephul zurückhaltend in der Venezuela-Frage

Ein dritter Konfliktherd spielte in Kanada nur am Rande eine Rolle: Es fiel auf, dass die Position Wadephuls zu den amerikanischen Militärschlägen gegen mutmaßliche Drogenboote vor der venezolanischen Küste zurückhaltender ist, als diejenige der europäischen Partner. Während sich Paris und London von dem Vorgehen Washingtons distanzierten, sagte Wadephul lediglich: „Wir sind der Meinung, dass die Vereinigten Staaten und Venezuela das Thema bilateral lösen müssen.“ Er vertraue darauf, dass das gelinge, weil niemand ein Interesse daran habe, dass weitere Krisen entstünden. Er fügte hinzu, das bedeute auch, „dass jetzt klar sein muss für Venezuela, dass es sich auch entsprechend zurücknehmen muss“. Ganz offensichtlich verfolgt Berlin die Strategie, die ohnehin fragilen transatlantischen Beziehungen nicht durch externe Faktoren zu gefährden.

Der französische Außenminister Jean-Noel Barrot hatte zuvor die Militäroperation kritisiert: Paris sei besorgt, weil die Einsätze das Völkerrecht verletzten, sagte er. Er wies zudem darauf hin, dass in französischen Überseegebieten in der Region mehr als eine Million Staatsbürger lebten. Diese könnten von einer Instabilität betroffen sein, die durch eine Eskalation der Lage entstehen könnte.

Auch Rubio spricht die Frage nicht an

Zuvor war zudem berichtet worden, dass London die Weitergabe nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zu mutmaßlichen Drogenbooten an Washington gestoppt habe. Die britische Regierung wolle so eine Verwicklung in die Militäroperation vermeiden, berichtete der Sender CNN. Die Regierung in London wollte Bericht nicht kommentieren. Ein Sprecher von Premierminister Keir Starmer sagte: „Wir äußern uns nicht zu Sicherheits- oder Geheimdienstfragen“. Er verwies darauf, dass Washington Londons „engster Partner bei der Verteidigung, der Sicherheit und den Geheimdiensten“ sei. Das Vorgehen gegen die Drogenboote sei „Sache der Vereinigten Staaten“.

In den Beratungen in dem Kurhotel an den Niagara-Fällen spielte Venezuela offiziell keine Rolle, obwohl die Runde über maritime Sicherheit beriet. Paris und London verzichteten darauf, ihre Bedenken in der Sitzung zu bekräftigen. Auch Rubio, der in die Frage als Falke gilt, sprach die Militärschläge nicht an.
 

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Washington bestätigte unterdessen die Ankunft des Flugzeugträgers „Gerald Ford“ in der Karibik. Das Pentagon hatte zuvor schon acht Kriegsschiffe, ein Atom-U-Boot und F-35-Kampfflugzeuge in die Region verlegt. Trump wirft dem venezolanischen Machthaber Nicolás Maduro vor, den Drogenschmuggel in den Vereinigten Staaten zu fördern. Maduro stuft die Militärschläge hingegen als illegale „Hinrichtungen“ ein und äußerte die Vermutung, dahinter steckten amerikanische Pläne, ihn zu stürzen.

Das venezolanische Verteidigungsministerium hatte zuletzt ein massives Militärmanöver angekündigt, um den „imperialen Bedrohungen“ entgegenzutreten. Nach Angaben des Pentagon wurden etwa 20 Einsätzen bisher mindestens 76 Personen in der Karibik und vor der Pazifikküste Lateinamerikas getötet.