Die Frauen in der Mafia: „Treue. Liebe, Begehren und Verrat“ von Roberto Saviano

Mir hat das Leben nichts als Schmerz beschert, und das Schönste sind meine Kinder, die ich immer im Herzen trage, ich verlasse sie mit Schmerzen.“, schreibt Maria Concetta Cacciola 2011 an ihre Mutter. Es endet für die Tochter eines ‚Ndrangheta-Bosses, die zwischen die Fronten gerät und mit der Justiz kooperiert, auch mit einem grausamem Tod: Sie stirbt, indem sie gezwungen wird, Salzsäure zu trinken. An dem Mord beteiligt ist auch ihre Mutter.

Roberto Savianos neues Buch „Treue. Liebe, Begehren und Verrat“ ist wieder nichts für schwache Nerven. Die darin ausgemalte Wirklichkeit ist monströser, als man sie sich ausdenken kann. Der Band, der nur ein Jahr nach der literarischen Biografie des ermordeten Ermittlungsrichters Giovanni Falcone erscheint, ist den Frauen in der Mafia gewidmet. Am 18. Mörz stellt der Journalist und Schriftsteller ihn im Literaturhaus vor.

„Mit Liebe und Sex ist nicht zu spaßen“

Im Laufe seiner umfassenden Mafia-Recherchen stieß Saviano auf einige scheinbar typisch weibliche Mafia-Biografien und analysiert nun anhand dieser die Rolle der Frauen im organisierten Verbrechen. „In jedem denkbaren Winkel des kriminellen Universums gilt: Mit Liebe und Sex ist nicht zu spaßen.“, stellt er gleich zu Beginn klar. Es ist ein Deal. Wie im alten Adel manifestieren und erweitern die Clans ihre Herrschaft durch Heiratspolitik: „Die Ehefrau wie eine Ware gehandelt.“ Und die Familie dient als „Kontrollinstrument“, mithilfe dessen man Untergebene gefügig machen kann.

So wie man es mit Santino di Matteo macht. Nachdem er verhaftet wurde und auszusagen droht, wird sein 12-jähriger Sohn Giuseppe entführt. Am Kidnapping beteiligt ist Leoluca Bagarella, rechte Hand von Totò Riina, dem legendären Boss der Corleonesi. Bagarellas Ehe mit Vincenzina Marchese wiederum ist in Savianos Schilderung zwar Zweckbündnis, aber von Liebe geprägt. Doch seine Verbrechen belegen Vincenzina wie ein Fluch: Sie erleidet mehrere Fehlgeburten und wird schließlich erhängt aufgefunden. Einige Monate nach ihrem Tod wird auch der kleine Giuseppe ermordet.

Es ist eine endlose Spirale des Tötens und Sterbens. Und in einer starr patriarchalischen, vormodernen Organisation haben die Frauen entweder ein völlig fremdbestimmtes Dasein wie in einem Käfig – oder sind so gut wie tot.

Die Mafia als internationales Phänomen

Saviano selbst hat für seine Enthüllungen über die neapolitanische Camorra einen hohen Preis gezahlt. Seit bald 20 Jahren lebt er an wechselnden Orten unter permanentem Personenschutz. In „Treue“ zieht er auch für sich selbst Bilanz: „Ich betrachte mein altes Ich, begraben in den Wünschen des Zwanzigjährigen. Hier liegt Roberto Saviano. Er sah das Grauen und wollte davon berichten. Ehrlich gesagt: Das war nicht besonders schlau. Aber Spaß beiseite, es war schön, euch auszuspionieren.“

Darum kann er das Leben der Frauen im Zwischenreich der Untoten zwischen Zwang und Bedrohung plastisch und mit düsterem Pathos schildern. So wie die Geschichte von Angela Gentile aus Caserta. Die langjährige Geliebte des Clan-Chefs Domenico Belforte hat mit ihm eine uneheliche Tochter. Dessen Ehefrau Maria Buttone fordert allerdings, die Rivalin zu ermorden. Ihr Wille geschieht. Der am ehesten Erfolg versprechende Weg für eine Frau, sich in diesem brutalen System Respekt zu verschaffen, ist die Grausamkeit noch zu steigern.

Manche springen wie Maria Buttone für ihre inhaftierten Männer ein, stehen ihnen an Skrupellosigkeit nicht nach. Wenige schaffen es nach draußen und landen lebendig in einem Zeugenschutzprogramm. Das gelang immerhin Anna Carrino, langjährige Geliebte und Partnerin von Francesco Bidognetti vom Casalesi-Clan (dem Saviano seine Todesbedrohung verdankt) kooperierte – aus Rache – mit der Polizei.

Saviano beleuchtet die Mafia auch als internationales Phänomen und macht den Sprung über den Atlantik: Nach Chile, wo er das kurze Leben von Sabrina nacherzählt, die – bereits als Kind auf sich selbst gestellt – mit 14 Mutter wurde, gestreckte Drogen dealte und als „La ina“ mit Kosmetik-Videos auf TikTok noch kurze Berühmtheit erlangte, ehe sie erschossen wurde.

Manchmal kriecht der Autor auch irritierend tief in den Kopf der Bosse, etwa des alten, kranken Cosa-Nostra-Paten Matteo Messina Denaro, der jahrelang aus dem Untergrund dirigierte. Oder er schildert, mitunter langatmig, wie eine groteske Amour fou zu einer blutjungen Russin den Camorra-Boss Paolo Di Lauro letztlich zu Fall bringt. Wenigstens eine Geschichte, an deren Ende so etwas wie Genugtuung steht. Ansonsten gilt die Motivation des Autors auch für die Lektüre: „Es hilft mir dabei, zu verstehen, wer wir sind, wir alle, angesichts des Grauens.“

Robero Saviano stellt „Treue. Liebe, Begehren und Verrat“ (Hanser, 272 S., 24 Euro) am 18. März um 19 Uhr im Literaturhaus vor

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