Die französische Schauspielerin Isabelle Adjani wird 70

Gerade haben wir sie noch im Kino gesehen, in François Ozons „Peter von Kant“, als alte Freundin des Helden, eines Filmregisseurs in der Krise. Sie sah aus wie eine Hommage an sich selbst, so wie der Film eine Hommage an Fassbinder war, den Helden des deutschen Kinos. Aber so ganz hatte sie ihre Aura noch nicht verloren; niemand, der einmal so hell gebrannt hat, wird ganz zu Asche. Sie neckte, bemitleidete und triezte den unglücklichen Regisseur, und man fragte sich unwillkürlich, ob sie es mit den Regisseuren ihres Lebens auch so gemacht hat, mit Walter Hill und Werner Herzog, mit Carlos Saura und Luc Besson, mit Claude Miller und Patrice Chéreau. Mag sein – aber ganz bestimmt nicht mit François Truffaut.

Eine hoffnungslos vernarrte Frau

Es war Truffaut, der ihr die Rolle gab, die ihren Weg im Kino vorzeichnete, den Part der Tochter von Victor Hugo in „Die Geschichte der Adèle H.“. Sie spielte die hoffnungslos in ein Trugbild vernarrte Frau, die sich von ihrem Liebeswahn nach Kanada, in die Karibik und zuletzt ins Irrenhaus treiben lässt, mit einer Inbrunst, die man zuletzt bei den Göttinnen des Stummfilms erlebt hatte, und bekam dafür ihre erste Oscar-Nominierung. Das war 1975, und Isabelle Adjani, die Tochter ei­nes algerischen Automechanikers und ei­ner Deutschen vom Bodensee, war zwanzig. Jetzt wollten alle mit ihr drehen.

Das Opfer des Vampirs: Isabelle Adjani mit Klaus Kinski in „Nosferatu“
Das Opfer des Vampirs: Isabelle Adjani mit Klaus Kinski in „Nosferatu“AKG

Der erste war Roman Polanski, der ihr in „Der Mieter“ die wichtigste Nebenrolle gab, der zweite André Téchiné, für den sie in „Barocco“ die Amour fou der Adèle H. an der Seite Gérard Depardieus wiederaufleben ließ, nur diesmal in einem durch Mord und Wiedergeburt heillos verdrehten Plot. Danach verkörperte sie in Werner Herzogs „Nosferatu“, einem Stummfilm im Tonfilmkleid, das Frauenopfer für Dracula und in Walter Hills „Driver“ eine schöne Spielerin ohne Namen neben dem ebenso schönen Ryan O’Neal. Als sie 1985 in Luc Bessons „Subway“ vor den Augen Christophe Lamberts im punkigen Abendkleid die Treppen der Pariser Métro herabstieg, war sie schon ein Kinomythos.

Künstlerin und Liebende: Adjani in Bruno Nuyttens Film „Camille Claudel“, 1988
Künstlerin und Liebende: Adjani in Bruno Nuyttens Film „Camille Claudel“, 1988Picture Alliance

Die sichtbaren Elemente dieses Mythos sind ein mit zarter Bitterkeit behauchter Schmollmund, weit aufgerissene blaue Augen und ein Puppengesicht, unter dessen Glätte sich eine wilde expressive Energie verbirgt. Die unsichtbaren sind Zähigkeit und Disziplin, denn ohne diese Tugenden hätte Adjani den Kometenflug, der mit Truffauts Film begann, nicht zwanzig Jahre lang durchgehalten, von Téchinés „Schwestern Brontë“ über Claude Millers „Das Auge“, Jean Beckers „Ein mörderischer Sommer“ und Bruno Nuyttens „Camille Claudel“ bis zu Chéreaus „Bartholomäusnacht“, in der sie als Margarete von Valois eine Art Abschiedsvorstellung der königlichen Gefühlsraserei gab.

Ein Mythos kann nicht sterben, eine Kinokarriere schon. Adjani hat tapfer ge­gen den Furor des Verschwindens angekämpft, mit Filmen, in denen sie Lehrerinnen, Gangsterinnen, verflossene Geliebte und mutige Mittfünfzigerinnen spielte, und sie kämpft weiter, mit neuen Rollen, einer neuen Platte mit Chansons, mit Lesungen und Theaterauftritten. Wir werden sie nicht vergessen. Heute wird Isabelle Adjani siebzig Jahre alt.