
Ich habe nicht nur drei Kinder, ich bin auch drei Väter. Ein sehr junger, ein ziemlich junger und ein gar nicht mehr so junger.
Als unser Sohn geboren wurde, war ich 27. Im Geburtsvorbereitungskurs empfand ich mehr Gemeinsamkeiten mit den fremden Wesen in den Bäuchen der Frauen als mit deren Männern, von denen manche rechnerisch meine Väter hätten sein können und die alle fötushaft wenig Haar und noch weniger zu sagen hatten – sie waren verstummt, wie so viele Männer irgendwann verstummen.
Als unsere Tochter geboren wurde, war ich 31. Ich war in meiner Prime, würden Fußballkommentatoren heute sagen. Ein bisschen demütiger, mit der Erfahrung kurzer Kotz-Nächte und langer Hand-Mund-Fuß-Tage. Müde, aber frisch genug, das zu ignorieren.
Als wir eine weitere Tochter bekamen, war ich 37. Tja. Man ist lange jung – und dann plötzlich alt. Jetzt, vier Jahre später, mit Anfang 40, falle ich auf dem Spielplatz nicht weiter auf. Höchstens, weil ich laut ächze, wenn ich mich auf eine Wippe setze.
Wenn man so will, sind meine Kinder also mit sehr verschiedenen Vätern aufgewachsen, mit drei Versionen meiner selbst. Die Frage, wie unterschiedlich Eltern ihre Kinder behandeln und warum sie das tun, beschäftigt die Familienforschung konstant. Die Frage, welche Rolle dabei spielt, wer und wie man selbst war als dieser neue Mensch ins Leben kam, scheint mir dabei etwas vernachlässigt.
Kürzlich las ich die Zusammenfassung einer US-amerikanischen Studie: Jüngere Geschwister bekämen mehr emotionale Unterstützung, ältere mehr Freiheiten. Ich glaube, mein Sohn würde heftig widersprechen. Wenn seine kleinste Schwester die fünfte Folge „Gabby’s Dollhouse“ am Stück glotzt und vom Glotzen der sechsten nur mit dem Versprechen abgehalten werden kann, dass sie zwei Kugeln Eis essen darf, wirft er mir vielsagende Blicke zu.
Ich bin wohl nicht nur erfahrener, sondern auch gelassener geworden. Oder fauler
Ich weiß, dass er noch weiß, dass wir die Existenz von Zucker in seinen ersten Lebensjahren geleugnet haben und er in ihrem Alter, wenn überhaupt, in homöopathischen Dosen „Urmel aus dem Eis“ schauen durfte. Ich bin wohl nicht nur erfahrener, sondern auch gelassener geworden. Oder fauler.
Noch bewusster wird mir meine paternale Persönlichkeitsspaltung auf Elternabenden: Als Vater eines Gymnasiasten, einer Grundschülerin und eines Kindergartenkindes kann es vorkommen, dass ich in derselben Woche auf einem Elternabend zum Auslandsjahr sitze, bei dem ich den Altersschnitt radikal senke – und danach auf einem, bei dem ich mir wieder mal die Fragen irgendwelcher Anfänger zur Entfernung von Läusen anhören muss – und als einziger anwesender Mann keine lackierten Fingernägel trage. So erlebe ich alles gleichzeitig zum ersten und zum dritten Mal. Und fühle mich jung und alt zugleich.
Apropos: Eine neue Kollegin war erstaunt, dass ich drei Kinder habe. Sie sagte: „Du wirkst so jung!“ Sie sagte nicht: „Du siehst so jung aus!“ Ich bedankte mich trotzdem für das Kompliment. Mag sein, dass ich mittlerweile weniger Haare habe als manch ein Fötus. Aber noch bin ich nicht verstummt.
In dieser Kolumne schreiben Patrick Bauer, Vater von drei Kindern zwischen vier und 14, und Friederike Grasshoff, Mutter einer dreijährigen Tochter, im Wechsel über ihren Alltag als Eltern.