
Es ist noch keine fünf Monate her, da entließ der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Finanzminister, weil die Liberalen die Ausgabenwünsche des roten und grünen Koalitionspartners blockierten. Aus diesem Streit ging keiner als Sieger hervor: Die SPD verlor den Kanzler, die Grünen die Regierungsbeteiligung, und die FDP scheiterte am Einzug in den Bundestag. Auch die Merz-CDU wollte den rot-grünen Schuldenrausch nicht mitmachen; Neuwahlen sollten einen bürgerlichen Kurswechsel einleiten. Derselbe Friedrich Merz, der vor den Wahlen einen strikten Sparkurs eingemahnt hat, ist auch jener, der SPD und Grünen nach den Wahlen jene Ausgabenwünsche erfüllt, gegen die sich die FDP so vehement gewehrt hat. Der deutsche Kanzler in spe plant also genau das, was Scholz vor der Wahl wollte: höhere Schulden, weniger Reformen. Reformen sind für Politiker offenbar nur dann ein Thema, wenn man sie von der Oppositionsbank brüllt.