
Kluge Ernährungsgewohnheiten steigern die Wahrscheinlichkeit, mit 70 oder 75 Jahren noch kerngesund zu sein. Eine Studie zeigt, welche Lebensmittel dazu auf dem Teller landen sollten – und welche tabu sind. Vor allem ein Fall gibt kulinarisch zu denken.
Was Menschen essen verändert, wie sie altern. Welche Lebensmittel sie gesund altern lassen, welche Krankheiten begünstigen, beschreibt nun ein internationales Forschungsteam. Neu ist diese Art von Forschung nicht, wohl aber die Dauer der Beobachtung: Ein Teil der Studie startete vor fast 50 Jahren.
Das internationale Team um die Diätforscherin Anne-Julie Tessier von der Universität Montreal wertete im Fachjournal „Nature Medicine“ die Daten zweier US-Sammelstudien aus, die 1976 beziehungsweise 1986 begannen. Die insgesamt 105.000 Teilnehmer haben regelmäßig Fragebögen zu ihrer Ernährung und Gesundheit ausgefüllt. Gut zwei Drittel von ihnen waren Frauen, das Durchschnittsalter betrug anfangs 53 Jahre.
Als nachweislich ernährungsbedingte Erkrankungen gelten neben der Fettleibigkeit vor allem die „Zuckerkrankheit“ Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Infarkte. Aber auch bei etlichen anderen Alterserscheinungen wie Demenz oder Krebs gibt es zahlreiche Hinweise, dass sie durch zu energiereiche, zu ballaststoffarmer Ernährung zumindest begünstigt werden können. All diese Leiden gehören in westlichen Ländern wie Deutschland zu den häufigsten Todesursachen.
In der aktuellen Untersuchung analysierten die Forscher den Einfluss der lebenslangen Ernährung auf die spätere Gesundheit im Alter. Gesundes Altern definierten sie als das Erreichen des Alters von 70 Jahren, ohne größere körperliche und geistige Beeinträchtigungen und ohne eine große chronische Erkrankung wie Herz-Kreislauf-Beschwerden, Krebs, Diabetes Typ 2, Parkinson oder chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD).
Nur 9,3 Prozent der Teilnehmer erfüllten mit 70 Jahren diese Kriterien, knapp elf Prozent der Frauen und gut sechs Prozent der Männer. Aus dem Abgleich ihrer Ernährungsmuster entstand eine Liste gesunder Lebensmittel, dazu zählten Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, fettarme Milchprodukte sowie Pflanzenöl mit seinen ungesättigten Fettsäuren.
Auch die kulinarischen Übeltäter wurden identifiziert, auch hier gibt ein Wiedersehen mit alten Bekannten: Salz und zuckerhaltige Getränke, dazu industriell verarbeitete Lebensmittel sowie rotes Fleisch, also von Rind, Schwein, Lamm oder Ziege.
Margarine, Schnitzel, Milch
Nachweisbar ungünstig wirkten sich auch sogenannte Transfette aus. Das sind ebenfalls ungesättigte Fettsäuren, aber mit einer ungewöhnlich geformten Doppelbindung. Sie entsteht, wenn Pflanzenfett bei der industriellen Verarbeitung „gehärtet“, also streichfähig gemacht wird. Margarine ist reich an trans-Fettsäuren, genau wie Frittierfett aus dem Gastronomiebedarf. In fertiger Sauce hollandaise, in Fertigschnitzel oder Backofenpommes sind viel zu viele Transfettsäuren enthalten.
Die Transfette könnten nicht nur den negativen Einfluss industriell verarbeiteter Lebensmittel erklären, sondern auch, warum Milch besser fettarm genossen werden sollte und was eigentlich das Problem mit dem roten Fleisch ist. Es stammt von Wiederkäuern, Grasfressern, die einen Pansen haben. Wenn Mikroorganismen dort das Grünzeug verstoffwechseln, entstehen trans-Fettsäuren, die sich später im Fett der Tiere ablagern. Der Effekt ist an der fetten Kuhmilch zu messen: Sie enthält etwa 0,1 Prozent Transfett. In früheren Studien wurden trans-Fettsäuren mit einem erhöhten Risiko von Herzerkrankungen, Schlaganfällen oder Diabetes in Zusammenhang gebracht.
In der aktuellen Studie wurden die Ernährungsgewohnheiten der Probanden mit insgesamt acht speziellen Ernährungsformen abgeglichen, einer Diät zum Schutz vor Bluthochdruck, zwei Varianten mediterraner Kost, mit veganer Ernährung und einer Kost, die besonders klimaschädliche Lebensmittel vermeidet. Generell alterten all jene Menschen gesünder, deren Ernährung zu irgendeiner dieser Diäten passte.
„Zwar ähneln sich alle Ernährungsmuster dahingehend, dass sie den Verzehr von Obst, Gemüse und Vollkorn steigern und den Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch verringern“, erläutert die Gruppe. „Aber jede Ernährungsweise hebt spezielle Komponenten hervor.“
Am fittesten blieben diejenigen, die sich an eine 2002 von Ernährungswissenschaftlern von Harvard entwickelte Regeln hielten, an das „Alternative Healthy Eating Index“ (AHEI). Diese Diät bündelte all das damalige Wissen dazu, welche Nahrungsmittel chronischen Krankheiten vorbeugen können und macht klare Mengenvorgaben. Unter anderem setzt sie auf viel Gemüse (mindestens fünfmal pro Tag), Vollkorn (mindestens 90 Gramm pro Tag) und Nüsse (mindestens einmal pro Tag).
Das AHEI schreibt auch vor, dass Transfettsäuren nicht mehr als 0,5 Prozent der täglichen Nahrungsmenge ausmachen und man höchstens einmal am Tag ein gesüßtes Getränk oder rotes Fleisch zu sich nehmen sollte.
Jene Menschen, deren Ernährung diesen Regeln besonders entsprach, hatten im Vergleich zu jenen, die davon stark abwichen, eine um 86 Prozent höhere Aussicht, mit 70 Jahren noch gesund zu sein. Die Wahrscheinlichkeit dafür, auch mit 75 Jahren noch fit zu sein, war bei ihnen sogar mehr als verdoppelt.
80 Prozent der älteren Erwachsenen hätten mindestens eine chronische Erkrankung, mahnt das Forscherteam in einer Pressemitteilung. „Angesichts des weltweit zunehmenden Anteils von Senioren sollte gesundes Älterwerden zur weltweiten Priorität werden.“
Allerdings verweist das Team auch auf eine Schwäche seiner Untersuchung: Die Studienteilnehmer hätten alle im Gesundheitswesen gearbeitet, dürften also grundsätzlich mehr über gesunde Lebensführung wissen, als andere Menschen. Die Forscher fürchten deswegen, dass ihre Resultate nicht uneingeschränkt auf die sonstige Bevölkerung übertragbar sind.
Walter Willems, dpa/nihei