DHL eröffnet modernes Logistikzentrum trotz Zöllen

Es ist still kurz nach dem Start: kein Paket, das über die roten Förderbänder entlangsaust, kein Päckchen, das eine der gelben 31 Rutschen hinabfällt, um in einem Flugzeugcontainer verladen zu werden. Dabei ist das neue Logistikzentrum von DHL Express im mexikanischen Querétaro erst vor wenigen Minuten offiziell in Betrieb genommen worden. Und Beschäftigte sind auch kaum zu sehen. „Erst in der Nacht wird es laut“, sagt einer der wenigen Mitarbeiter, als er die Halle durchquert. Spätabends werden die ersten Lastkraftwagen heranrollen, Dutzende Beschäftigte werden Tausende Dokumentenumschläge oder Pakete mit bis zu 80 Kilogramm Gewicht dann entladen und auf die Rollbänder stellen.

Bis zum frühen Morgen wird jeder Umschlag und Karton mehr als vier Kilometer auf den Förderbändern absolviert haben, um schließlich in einem Container für den Bestimmungsort verladen zu werden. Bis zu 41.000 Pakete kann die Anlage in der Stunde sortieren, so viel wie die größten deutschen Logistikzen­tren in Aschheim bei München oder Obertshausen bei Frankfurt. Der Bau mit mehr als 30.000 Quadratmetern ist die größte Investition des deutschen Logistikkonzerns in Lateinamerika. 120 Millionen Dollar hat die Anlage gekostet, die das Unternehmen als modernste in der gesamten Region bezeichnet. Insgesamt hat der Konzern nach eigenen Angaben bisher rund 600 Millionen Dollar in Mexiko investiert.

Zeitpunkt der Eröffnung ungewöhnlich

Der Zeitpunkt der Eröffnung ist allerdings ungewöhnlich: Erst kurz zuvor hat die Konzernschwester Deutsche Post den Abbau von 8000 Stellen in Deutschland angekündigt. Und US-Präsident Donald Trump droht Mexiko und anderen Wirtschaftspartnern alle paar Tage mit Zollerhöhungen, die den Handel deutlich verteuern und ausbremsen könnten. Der Tag der Eröffnung sei „einer der glücklichsten in meinem Berufsleben“, sagt dennoch DHL-Express-Chef John Pearson zur Eröffnung in Querétaro. Die Investition zeige doch, dass das Express-Geschäft kräftig wachse. Allein im vierten Quartal 2024 ist der Umsatz der Sparte auf 6,7 Milliarden Euro angewachsen, mehr als die Hälfte des Konzerngewinns von 1,8 Milliarden Euro entstammte dem Geschäft mit dem internationalen Schnellversand. Und geht es nach Pearson, wird das Geschäft auch in Zeiten der Zollkonflikte weiter kräftig zulegen.

Mexiko spielt in der Wachstumsstrategie eine zentrale Rolle, wie Antonio Arranz erklärt, der Landeschef von DHL Express. „Wir Mexikaner lieben es zu handeln.“ Das liege natürlich an der Nähe zu den USA. Etwa 80 Prozent des mexikanischen Exports geht an den nördlichen Nachbarn. Der Hub in Querétaro am Rand des regionalen Flughafens setze komplett auf das Nearshoring, die Verlagerung von industrieller Produktion aus den USA ins deutlich günstigere Mexiko – was allerdings Trump durch höhere Zölle unattraktiv machen will, um die Produktion zurück in die Vereinigten Staaten zu holen.

Der Hub ist weitgehend automatisiert

Das neue Logistikzentrum ist rund 200 Kilometer nördlich von Mexiko City und 200 Kilometer südlich von San Luis Potosi positioniert, einer Industriestadt, in der sich etwa BMW, Continental, Daimler und Thyssenkrupp angesiedelt haben. In Querétaro selbst haben unter anderem Siemens und Bombardier Werke. Sie und andere Unternehmen sollen fortan, geht es nach DHL, über den neuen Hub ihre Expresslieferungen an Werke in den USA oder zu Zulieferern in Mexiko versenden. Innerhalb des Landes verspricht der Logistiker eine Zustellung binnen 24 Stunden. Zwölf Frachtflüge täglich sollen einmal die Waren an ihre Ziele in Mexiko verteilen oder von dort anliefern, zwei weitere Flüge verbinden Querétaro mit dem großen DHL-Drehkreuz im amerikanischen Cincinnati.

Damit der Umschlag möglichst schnell abgewickelt wird, ist der neue Hub weitgehend automatisiert. Abgesehen vom Entladen der Trucks und Beladen der Flugcontainer, sei kein menschlicher Handgriff nötigt, sagt der lokale Chef Arranz. „Das reduziert die Ausfallgefahr von fünf auf 0,2 Prozent.“ 178 Mitarbeiter werden insgesamt im Hub beschäftigt werden, das sind fast genauso viele wie das erste Sortierzentrum nebenan, das aber weniger als die Hälfte der Kapazität hat.

„Der globale Handel ist too big to fail“

Dass ein eskalierender Zollkonflikt den Warenverkehr bremsen könnte, glauben die DHL-Express-Manager nicht. „Der globale Handel ist too big to fail“, sagt Express-Chef Pearson gleich mehrfach in Mexiko. „Und wo es Gegenwind gibt, gibt es auch Rückenwind.“ Arranz sagt, die Unsicherheit biete dem Logistikdienstleister sogar zusätzliche Chancen. Wenn Kunden wegen der Äußerungen aus Washington schnell ihre Lager aufstocken wollten, sei das ein zusätzliches Geschäft. Das Gleiche gelte, wenn Zollregeln immer komplizierter würden, dann benötigten die Kunden zusätzliche Hilfe und Beratung.

Den Optimismus der Chefs teilen allerdings nicht alle Beschäftigten in Querétaro. Einer von ihnen erzählt, seit einigen Wochen dauere die Zollabfertigung in die USA rund doppelt so lange wie zuvor. Den Geschwindigkeitsvorteil, den der neue automatisierte Hub den Kunden brächte, wäre damit an der Grenze genommen.

Mexikochef Arranz setzt dagegen auf Offensive. Das habe sich schon 2010 ausgezahlt, als das Unternehmen mitten in einer Wirtschaftskrise den ersten Hub in Querétaro errichtet habe – und bald an seine Grenzen gestoßen sei. Auch der neue Hub werde sicher bald ausgelastet sein, glaubt Arranz. „Kaum haben wir es eröffnet, denken wir schon an Expansion.“