DFB-Team in Nordirland: Bestandene Prüfung in der Null-Komfort-Zone

Florian Wirtz in Belfast


analyse

Stand: 14.10.2025 08:02 Uhr

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gewinnt knapp in Nordirland und nähert sich der Qualifikation zur WM. Der Bundestrainer sieht einen wichtigen Lerneffekt, weil die Mischung aus Atmosphäre und Gegner ungewohnt war.

Belfast ist eine raue Stadt. Architektonische Schmuckstücke gibt es durchaus zu sehen, aber sie sind ähnlich rar wie Sonnenstrahlen. Auch am Montag hing wieder ein grauer Schleier über der Hauptstadt Nordirlands. Viele Bewohner, auch Kinder, gingen bei etwa 15 Grad Celsius trotzdem mit kurzen Hosen und Polohemden über die Straßen.

Abends wurde dann bei vielen das grüne Trikot der Nationalmannschaft übergestreift, und es ging in den Windsor Park. Der Fußball der nordirischen Nationalmannschaft ist so rau wie ihr Land, die Fans mögen ihr Team dafür, Gegner mit weitaus mehr Talent zu ärgern, vor allem mit Leidenschaft.

Ausflug in die Null-Komfort-Zone

„Von außen war es jetzt nicht so amüsant, sich das anzugucken“, sagte Deutschlands Innenverteidiger Jonathan Tah, der dem Gegner eine „sehr ungewohnte Spielweise“ bescheinigte. Nico Schlotterbeck, Tahs Nebenmann in der Viererkette, sprach von einer „krassen Atmosphäre“, und auch die ist in den vergangenen Jahren für die deutsche Nationalmannschaft ungewohnt gewesen, da sie nahezu ausschließlich dem Gegner als Unterstützung galt.

Bei der paneuropäischen Europameisterschaft 2021 gab es nur Heimspiele, bis im ersten Auswärtsspiel und Heimrecht des Gegners England sofort im Achtelfinale das Aus kam. Die WM in Katar war ein Turnier unter außergewöhnlichen Umständen, das Publikum häufig fachfremd, entsprechend neutral die Kulisse. Die EM 2024 war auf Deutschland begrenzt, und selbst das Final Four in der Nations League durfte die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) vor überwiegend eigenen Fans in München und Stuttgart spielen.

Der Windsor Park war ein Ausflug in die Null-Komfort-Zone, und da der mit drei weiteren Punkten in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft und der Verteidigung der Tabellenführung abgeschlossen wurde, war die Delegation vom europäischen Festland sehr zufrieden.

„Es ging nur ums Ergebnis“

„Es war ein einziger Kampf. Es ging nur ums Ergebnis“, bilanzierte Kapitän Joshua Kimmich. „Wir können uns auf solche Spiele einlassen. Das ist ein wichtiger Lerneffekt, ein großer Schritt“, sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann. „Wenn wir in so einem Spiel ein, zwei Schritte weniger gehen, verlieren wir oder spielen unentschieden“, fügte er an. Punktverluste wären auch trotz des Fleißes möglich gewesen, denn in den letzten zehn Minuten drückten die Nordiren das Team des DFB in deren Hälfte, allein mit Wucht und einer kleinen Portion Spielwitz von Ethan Galbraith, der beim walisischen Klub Swansea City in der englischen 2. Liga spielt.

Torwart Oliver Baumann musste ein paar Mal zur Rettung kommen, um den von Nick Woltemade verursachten Vorsprung zu verteidigen. Der Stürmer von Newcastle United erzielte sein erstes Länderspieltor. Das sei „sehr schön, weil die letzten Spiele für mich hier nicht ganz so einfach waren“, sagte Woltemade. Als Mittelstürmer ist er es zwar gewohnt, wenig Platz zu haben, aber so massiv und dicht im Zentrum wie Nordirland und zuvor Luxemburg stehen auch eher die Underdogs.

Nur noch zwei Spiele bis zur WM-Auslosung

Fußballerisch müssen wir uns entwickeln, aber es ging erst einmal um andere Tugenden“, sagte Nagelsmann, der dabei auf zwei Faktoren hoffen darf. Der eine ist eine zeitige Rückkehr des verletzten Jamal Musiala, der andere ein baldiger Formanstieg von Florian Wirtz.

Der begnadete Fußballer steckt seit dem Wechsel zum FC Liverpool weiter in einem Tief. Als er in einem Zweikampf zu Boden gecheckt wurde, ohne dass der Schiedsrichter auf ein Foul entschieden hätte, brandete ein Roar auf. An solchen Szenen finden die Fans im rauen Belfast besonderen Gefallen.

Das Spiel im Windsor Park war eine gute Schule für die deutsche Nationalmannschaft, für die eine Kombination aus einer Stimmung gegen sie und einem starken Gegner erst kurz vor der WM in Sicht ist. Nach den beiden Spielen in Luxemburg und in Leipzig gegen die Slowakei stehen im Fall der direkten Qualifikation und vorbehaltlich der WM-Auslosung im neuen Jahr Tests gegen die Elfenbeinküste in Stuttgart und Finnland in Mainz an. Das ist kuscheliger als Belfast, aber mindestens zwei weitere Termine bleiben noch frei, um einen erneuten Ausflug in die Null-Komfort-Zone zu starten, wenn auch nicht unter Wettkampfbedingungen.