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Die deutsche Nationalmannschaft glänzt gegen die Slowakei und nimmt Schwung mit ins WM-Jahr. Ein Spieler wie Leroy Sané verkörpert besser als andere, dass Prognosen für das Turnier schwierig bleiben. Dem Bundestrainer missfällt sogar die Frage danach.
Julian Nagelsmann erklärt den Reiz des Fußballs gerne mit Vergleichen zu anderen Sportarten. Im Basketball und im Handball, so erzählte es der Bundestrainer am Montagabend in Leipzig nochmal, würden viele Punkte beziehungsweise Tore erzielt, Überraschungen seien daher selten, die bessere Mannschaft setze sich in der Regel durch. Im Fussball hingegen komme es manchmal vor, dass eine unterlegene Mannschaft ein Tor schieße und den Vorsprung entweder heroisch oder glücklich oder mit einer Mischung aus beidem verteidige. Nicht zu wissen, wie es ausgehe, mache vor allem die Faszination des Fußballs aus, so Nagelsmann.
Der deutsche Fußball ist allerdings sehr gerne auch mal sehr langweilig. Denn wenn die Nationalmannschaft eine Qualifikation zur Weltmeisterschaft beginnt, dann schafft sie am Ende auch den Sprung zum Turnier. Zum 16. Mal gelang das jetzt, und es bestand auch kein Zweifel daran, als die Gruppe mit den Gegnern Slowakei, Nordirland und Luxemburg ausgelost worden war.
Nach dem ersten Spiel allerdings wurde es ein bisschen spannend, denn Deutschland unterlag mit 0:2 in der Slowakei. „Verdient“, wie Nagelsmann am Montag in Leipzig betonte, genauso „verdient“ sei allerdings der 6:0-Sieg im Rückspiel gewesen, der die Möglichkeit eines historischen Scheiterns nahm.
Es war ein brillant herausgespielter Sieg in einer Drucksituation, von der seit dem Anpfiff nichts zu spüren war. „Dass es zu so einem Megaspiel kommt im Vergleich zum vergangenen Freitag, war vielleicht doch ein bisschen überraschend“, sagte Serge Gnabry, der wie Nick Woltemade, Ridle Baku, Assan Ouédraogo und Leroy Sané (2) zu den Torschützen gehörte. Am Freitag hatte die Auswahl des DFB zwar auch gewonnen (2:0), vor allem vor der Pause fehlte es aber an allem, was eine gute Leistung möglich macht.
DFB-Elf im Flow
Die Slowakei hätte sich etwas abgucken können mit hohem Pressing und der inzwischen wieder modernen Manndeckung, entschied sich aber für eine sehr passive Herangehensweise, aufgestellt weit hinten. Auch damit hatte die deutsche Mannschaft schon Probleme, aber am Montag war sie im „Flow“, wie Woltemade sagte, der dieses Gefühl jetzt „in die lange Pause mitnehmen“ will. Erst Ende März steht wieder ein Länderspiel an.
Das sei halt so, sagte Nagelsmann, manchmal laufe es, manchmal nicht. „Fußball ist nicht immer planbar“, entschuldigte der Bundestrainer manch zähen Auftritt, ohne die Kritiker zu schelten, die eben solche Auftritte gebrandmarkt hatten.
Einmal aber sagte er „besser nicht, was ich jetzt denke“. Das war bei der Frage, wie er denn seine Mannschaft nun mit Blick auf die WM sehe im Vergleich mit Argentinien, Spanien und Frankreich: „Wir können nicht immer von Schwarz auf Weiß kippen in 90 Minuten.“
Die Frage, ob Deutschland reif ist, in den USA, Kanada und Mexiko um den Titel mitzuspielen, wird dann aber spätestens wieder nach der Gruppenauslosung am 5. Dezember und dann im März gestellt werden, genau wie die, wer im Tor stehen wird, ob Antonio Rüdiger statt Nico Schlotterbeck in der Innenverteidigung spielen soll, wer für Jamal Musiala aus der Mannschaft muss.
Sané als Sinnbild
Für eine Antwort auf die Frage nach der Titelreife eignet sich, Leroy Sané heranzuziehen. Er ist einer der begnadetsten deutschen Fußballer der vergangenen zehn Jahre. Tempo, Dribbling, scharfes Passspiel, Torgefahr – Sané vereint alles in hoher bis höchster Qualität.
Leroy Sane im Spiel gegen die Slowakei
Beim 29 Jahre alten Profi von Galatasaray ist das Nagelsmannsche „mal so, mal so“ aber besonders ausgeprägt. Spielt Sané so wie gegen die Slowakei, wird er auch gegen stärkere Gegner zu herausragenden Leistungen fähig sein.
Spielt er fahrig, lässt die Schultern hängen, dribbelt ins Aus, läuft es häufig auch bei den Kollegen mäßig.
Der kalte und nasse Novemberabend in Leipzig zeigte, wozu Deutschland in der Lage sein kann, wenn es im kommenden Sommer heiß wird.
„Ich glaube, wir gehen nach Amerika mit einem größeren Selbstbewusstsein als damals nach Katar“, sagte Dortmunds Nico Schlotterbeck, der zwei Erwartungen äußerte. Zum einen, dass es – Stichwort: One-Love-Kapitänsbinde – „nicht so viele negative Einflüsse von außen“ geben werde. Die andere: „Ich gehe dann auch dahin, um die WM zu gewinnen.“

