Zu Fuß brauchten Maria und Josef für die rund 160 Kilometer von Nazareth nach Bethlehem wohl mindestens eine Woche. Ganz so anspruchsvoll ist der vorweihnachtliche Krippenweg in Montabaur im Westerwaldkreis nicht, aber mit rund acht Kilometern gilt er immerhin als der längste in Deutschland.
In Geschäften, in Vorgärten, in Kirchen, auf größeren Plätzen, im Wald und sogar mitten in einem Bach werden hier mehr als 200 beleuchtete Krippen in allen Größen und aus aller Welt gezeigt. Organisiert wird die Ausstellung von einer Privatinitiative.
Schon auf dem Weg durch den Wald vom Stadtteil Horressen in die Innenstadt von Montabaur schimmert es plötzlich hell. Ganz unten am Waldboden unter einer Wurzel leuchtet ein schwaches Licht. Bei näherem Hinsehen entdecken Spaziergänger dort eine kleine Weihnachtskrippe. Fast ein wenig versteckt, aber liebevoll hergerichtet.
Erinnerungen an die Ahrtalflut
Und nur wenige Schritte sind nötig, um eine weitere Krippe zu entdecken. Diesmal oben in der Astgabel eines Baumes, wo es sich die Heilige Familie scheinbar gemütlich gemacht hat. Auch diese Krippe, etwas größer als das Exemplar unter der Wurzel, ist beleuchtet.
Ein Stück weiter steht das nächste Werk mitten auf einem quer liegenden Baumstamm, den der Sturm irgendwann einmal umgeweht hat. Und dann schauen viele Spaziergänger zweimal hin, denn mitten in dem schmalen Biebrichsbach steht auf einer Plattform eine weitere, vom Wasser umspülte Darstellung mit Stall, Heiliger Familie, Ochse und Esel.
Und so geht es immer weiter. Vorbei an Privatgärten, in denen ebenfalls kleinere und größere Exemplare ausgestellt sind. In einem Vorgarten hängt eine Laterne, in der sich Maria, Josef und das Jesuskind befinden, in einem anderen Garten stehen die Krippenfiguren vor einer Windmühle. Ein Bollerwagen dient ebenso als Standort wie ein Weinfass oder ein paar Strohballen.
Ein ganz besonderes Kunstwerk schwimmt inmitten eines kleinen Sees auf einer Plattform. Die Figuren stammen aus einer Weihnachtskrippe, die der Flut im Ahrtal zum Opfer fiel. Die Krippenfreunde aus Montabaur waren dort als Helfer im Einsatz, haben die arg beschädigten Krippenfiguren restauriert und stellen sie nun als besondere Erinnerung an die Ahrtalflut und deren Opfer aus.
Kindertagesstätten basteln eigene Krippen
Die wertvollsten Weihnachtskrippen befinden sich allerdings nicht im Wald, weil dort immer wieder Figuren verschwinden und dann ersetzt werden müssen, sondern in Schaufenstern von mehr als 25 Geschäften in Montabaur, die sich an der Krippenaktion beteiligen. Auch auf den Plätzen der Stadt, etwa vor dem Rathaus, stehen besondere Exemplare.
Meist deutlich größer als die kleinen Krippen im Wald und in den Vorgärten. Manchmal sind die Figuren sogar lebensgroß. Sie bestehen teilweise aus Holz, teilweise aus Kunststoff und sogar aus Glas. Wetterfeste Figuren stehen draußen, die anderen wettergeschützt in Geschäften oder Kirchen. So wie die große orientalische Krippe im Inneren der Pauluskirche.
Eine Besonderheit sind aus Holzbrettern ausgesägte Krippenfiguren an einem alten Scheunentor. Sie sind so geschickt arrangiert, dass Ochs und Esel durch die Ritzen des Tores zu blicken scheinen. Manche Krippen zeigen den üblichen Stall von Bethlehem, andere stehen unter einer Wurzel oder unter einem Stein als Behausung.
Zu einigen Krippen in den Geschäften gibt es von örtlichen Künstlern handgemalte Hintergründe. Und jedes Jahr kommen in Montabaur ein paar neue Krippen hinzu, weil sich inzwischen mehrere Kindertagesstätten an der Aktion beteiligen und eigene Exemplare basteln.
Dass es den Krippenweg überhaupt gibt, ist dem inzwischen gestorbenen Sammler Max Schneckenbühl zu verdanken. Er reiste durch die ganze Welt und kaufte Krippen, die er zunächst in seinem Haus und später in den Räumen eines inzwischen nicht mehr genutzten Kindergartens unterstellte. Andere Krippen ersteigerte er im Internet. Als Lehrer hat er während des Unterrichts mit seinen Schulklassen auch Weihnachtskrippen selbst gebaut, um die jungen Menschen für eine alte Tradition zu begeistern.
Diebstahl werde immer mehr zum Problem
Im kleinen Kreis wurden diese Krippen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder ausgestellt. 2018 entschloss sich Schneckenbühl, einen Teil seiner Werke auf einem Krippenweg im selbst ernannten „Weihnachtsdorf“ Waldbreitbach im Westerwald auszustellen.
Da kam ihm die Idee, einen Krippenweg auch in seinem Heimatort Horressen aufzubauen. Seine Freunde Karlheinz Philipps und Jörg Klinger waren von der Idee begeistert, später stieß noch Kurt Heibel zu der kleinen Gruppe hinzu. Fortan nannte man sich „Krippenfreunde Horressen“.
Die Anfänge waren zunächst bescheiden. Der Krippenweg wurde rund um Horressen arrangiert, doch schon ein Jahr später reichte er bis nach Montabaur, unterstützt von der Stadtverwaltung und vom Bauhof, dessen Mitarbeiter seitdem beim Auf- und Abbau helfen. Auch freiwillige Unterstützer sind dabei.
Die Vorbereitungen dauern das ganze Jahr über an, wie Kurt Heibel sagt. Sind die Krippen nach dem Dreikönigstag alle wieder abgebaut, getrocknet und sicher verstaut, wird Inventur gemacht. Schäden müssen ausgebessert, gestohlene Figuren ersetzt werden. Diebstahl werde immer mehr zum Problem, berichtet Heibel. Im vergangenen Jahr sei eine kleine Krippe schon zwei Stunden nach dem Aufbau schon wieder verschwunden.
Spätestens nach der Sommerpause beginnen die Vorbereitungen für den nächsten Krippenweg. Die Männer ziehen in den Wald, halten Ausschau nach geeigneten Plätzen, sammeln Holz und Wurzeln, um neue Ställe zu bauen, und trocknen Moos, um die großen und kleinen Werke auszuschmücken. Dann wird eine Krippe neben der anderen in einem großen Saal aufgebaut.
Für jede Krippe gibt es einen gelben Stern mit einer Nummer, zusätzlich muss die passende Beleuchtung ausgesucht oder neu bestellt werden. 1300 Batterien werden jedes Jahr benötigt, damit auch jede Krippe in der Zeit zwischen 15 und 21 Uhr beleuchtet ist.
Seit 2020 gibt es den etwa acht Kilometer langen Rundweg über meist gut befestigte Wege. Er kann in zwei Etappen begangen werden. Einmal rund um Horressen und einmal rund um Montabaur, er ist aber auch gut in einem Anlauf zu bewältigen. Insider raten, die Wochenenden zu meiden, denn dann herrscht auf dem inzwischen weit über die Grenzen des Westerwaldes hinaus bekannten Weg Hochbetrieb.
Wie viele Menschen über den Krippenweg pilgern, lässt sich laut Heibel kaum sagen. Jedenfalls seien die 25.000 Informationsblätter zum Rundgang im Nu vergriffen. Rechne man je Familie einen Flyer und drei Personen, begäben sich in der Vorweihnachtszeit vermutlich jedes Jahr mehr als 75.000 Menschen auf den Krippenweg. Ob große oder kleine Figuren, ob im Baum oder auf dem Wasser, zu bestaunen gibt es genug.
Bis Mitte Januar
Der Krippenweg in Montabaur-Horressen wird an diesem Samstag, 30. November, eröffnet. Er kann täglich begangen werden. Die Krippen sind immer zwischen 15 und 21 Uhr beleuchtet. Nach dem Dreikönigstag werden die Weihnachtskrippen wieder abgebaut, gereinigt, bei Bedarf repariert und bis zum nächsten Krippenweg verpackt und weggestellt. Flyer zum Krippenweg werden in der Touristeninformation in Montabaur und in einigen Geschäften unentgeltlich ausgegeben.