Deutschland muss in Afrikas Minen investieren

Der Koalitionsvertrag gibt vor, dass sich die deutsche Entwicklungspolitik künftig stärker an nationalen Interessen orientieren soll, und nennt explizit das Ziel, Rohstoffzugang für die deutsche Wirtschaft zu sichern. Viel mehr als diese Absichtserklärung liegt allerdings nicht vor und in einem ersten Interview kürzlich hat sich die neue Entwicklungsministerin noch nicht zu konkreten Plänen geäußert.

Wenn nun etwa die Automobilindustrie dazu aufgerufen wird, beim Einkauf von seltenen Erden oder Kobalt nicht mehr nur nach China zu schauen, sondern auch die afrikanischen Länder in Betracht zu ziehen, so klingt das zunächst gut. Erfolgreich wird eine solche Strategie aber nur, wenn wir verstehen, dass das erfordert, kapitalintensive Investitionen in Hochrisikoländern zu tätigen. Damit das gelingt, brauchen wir Anreiz- und Absicherungsmechanismen für die deutsche Wirtschaft.

Nur 19 Kobaltminen produzieren im Kongo. 15 davon gehören chinesischen Unternehmen. Im Fall einer politischen Verwerfung mit China kämen also im Kongo ganze vier Minen als Lieferquelle infrage. Und die Mengen aus diesen Anlagen sind langfristig an Abnehmerländer verkauft. Die besten Zugriffschancen haben also naturgemäß diejenigen Länder, die auch selbst im Bergbau Afrikas aktiv sind. Es dürfte kein Zufall sein, dass Präsident Trump eben verkündet hat, er habe im Gegenzug für die Vermittlung im Kongo-Ruanda-Konflikt den Zugriff auf Rohstoffe erhalten.

Wenn die deutsche Industrie also weniger Rohstoffe aus China und mehr aus Afrika beziehen möchte, so wird sie nicht umhin kommen, dort selbst in Minen und Bergwerke zu investieren. Das erfordert, die Vorkommen zu explorieren, Projekte zu planen und zu entwickeln und dann die baulichen Maßnahmen und technischen Anlagen zur Förderung zu installieren. Meist geht es um Investitionen im zwei- und dreistelligen Millionenbereich.

Das Problem: Solange es in Deutschland keine nennenswerte Bergbauindustrie gibt, zu deren Geschäftsmodell es gehört, in Afrika Minen zu entwickeln und zu betreiben, wird der Kontinent nicht in substantiellem Ausmaß als Lieferland infrage kommen.

Drei Vorschläge für Investitionen in Afrika

Im Prinzip bestehen drei Lösungsansätze. Zum einen: Die deutsche Industrie kümmert sich um ihre eigene Rohstoffbeschaffung durch Rückwärtsintegration, übernimmt also selbst die Aufgabe, Minen zu entwickeln und zu betreiben, damit der Nachschub gesichert ist. Wenn BASF etwa Wintershall gegründet hat, um die eigene Energieversorgung sicherzustellen, dann könnte ein ähnliches Vorgehen zur Rohstoffsicherung im Prinzip auch für andere Industrieunternehmen möglich sein. Nur: Welcher Automobilhersteller wird ernsthaft in Erwägung zu ziehen, Kobaltminen im Kongo zu betreiben?

Die zweite Option wäre eine gemeinsame Initiative der deutschen Industrie. Unternehmen, die daran interessiert sind, Rohstoffe aus neu zu erschließenden Lieferländern zu beziehen, gründen gemeinsam ein Unternehmen, das sich um die Entwicklung von Bergbauvorhaben kümmert, legen dort Kapital ein und sagen langfristige Abnahme zu.

Und schließlich könnte als dritte Option die öffentliche Hand als Initiator oder Investor einer deutschen Rohstoffgesellschaft auftreten. In diesem Fall würde aus übergeordnetem Interesse und wegen der großen politischen Bedeutung von Rohstoffabhängigkeiten der Bund eine solche Gesellschaft zur Rohstoffbeschaffung und -förderung etablieren und das erforderliche Bergbau-Know-how einkaufen. Die Investitionsmöglichkeiten zur Förderung kritischer Rohstoffe müssten dann zu einem regelmäßigen Thema im außenpolitischen Dialog mit ausländischen Regierungen werden.

Nur darüber zu reden, dass Unternehmen sich auch in Afrika umschauen sollten, reicht also nicht aus. Es braucht konkrete Investitionen in die Förderung von Rohstoffen, auch in Afrika. Und dazu ist es notwendig, die Aufgabenverteilung zwischen privater und öffentlicher Hand bei diesem kritischen Thema neu zu definieren. Es reicht bei Weitem nicht, wenn das Entwicklungsministerium wie bislang unter Förderung der Rohstoffsicherung in Afrika vor allem versteht, Seminare anzubieten zu Menschenrechten im Bergbau oder zur stärkeren Einbindung weiblicher Akteure. Das sind berechtigte Anliegen. Aber eben keine entwicklungspolitischen Maßnahmen, die Deutschland seinem Ziel näher bringen, den Zugang zu Rohstoffen zu sichern. Was dafür stattdessen notwendig ist, wäre nicht weniger als ein grundlegender Umbruch in der deutschen Entwicklungspolitik.


Prof. Dr. Stefan Liebing

Stefan Liebing ist Geschäftsführer der Conjuncta GmbH, einer Gesellschaft für Projektentwicklung und Investments, die Unternehmen bei der Erschließung neuer Märkte unterstützt. Er lehrt außerdem als Honorarprofessor an der Hochschule Flensburg.

Bild: Daniela Möllenhoff


Dr. Holger Bingmann

Holger Bingmann ist Unternehmer mit Beteiligungen im Bergbausektor und Geschäftsführer der ReThinking Africa Foundation, eine Wirtschaftsinitiative, die sich für einen Perspektivwechsel beim Blick auf Afrika einsetzt.

Bild: Privat