Deutsche Kolonialgeschichte: Bundesregierung will keine Wiedergutmachung für ehemalige Kolonien

Die Bundesregierung lehnt Zahlungen zur Wiedergutmachung der deutschen Kolonialvergangenheit ab. Das geht aus Antworten auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor, aus denen der Tagesspiegel zitiert. Eine Aufarbeitung der Kolonialzeit will die Regierung aber vorantreiben. Grund für die Ablehnung der Zahlungen sei die Tatsache, dass es zum Zeitpunkt der Gewalttaten noch kein Völkerstrafrecht gegeben habe. Das Konzept der Wiedergutmachung sei daher im Zusammenhang mit der kolonialen Vergangenheit Deutschlands nicht anwendbar.

Dem Bericht zufolge verwies die Regierung auf ein Angebot zur Zahlung von 1,1 Milliarden Euro an Namibia. Der Großteil der Summe werde aber für ein Entwicklungs- und Wiederaufbauprogramm bereitgestellt; ein Betrag von 50 Millionen Euro sei für Versöhnungsprojekte gedacht.

Nach Ansicht der Grünen-Bundestagsabgeordneten Awet Tesfaiesus reproduziert diese Argumentation koloniale Hierarchien. „Es kann nicht unser Anspruch sein, uns hinter formaljuristischen Argumenten zu verstecken – gerade nicht in einer Republik, deren Grundgesetz die unantastbare Menschenwürde ins Zentrum ihrer Staatlichkeit stellt“, sagte Tesfaiesus dem Tagesspiegel.

Der Historiker Jürgen Zimmerer von der Universität Hamburg sagte der Zeitung, die schwarz-rote Koalition interessiere sich nicht für das koloniale Erbe.

Deutsche Kolonialherren begehen ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts

Namibia war eine von mehreren deutschen Kolonien in Afrika und Asien. Zwischen 1904 und 1908 starben dort bis zu 70.000 Menschen, vor allem Mitglieder der Völker der Herero und Nama, entweder bei direkten Kämpfen mit deutschen Soldaten oder durch deren Folgen. Die Herero und Nama hatten sich gegen die deutsche Kolonialherrschaft erhoben. Die Aufstände wurden brutal niedergeschlagen. Die deutschen Soldaten töteten auch wehrlose Menschen oder vertrieben sie von Wasserstellen, sodass viele verdursteten. Die Überlebenden wurden in Konzentrationslager gesperrt, in denen viele starben. Heute gilt der Kolonialkrieg als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts.