Deutsche Bahn: Sie hat bewiesen, dass sie ein Unternehmen sanieren kann

Nachdem in den vergangenen Jahren mehrere Männer daran
gescheitert sind, die Deutsche Bahn auf Kurs zu bringen, soll jetzt eine Frau übernehmen.
Die Südtirolerin Evelyn Palla soll an die Spitze des Staatskonzerns aufrücken. Das
berichten mehrere Medien übereinstimmend. Bislang leitete sie die
Regionaltochter der Deutschen Bahn, DB Regio. Das Verkehrsministerium will die
Personalie bislang weder bestätigen noch dementieren.

Eine neue Bahnchefin war vonnöten, weil Bundesverkehrsminister
Patrick Schnieder (CDU) dem aktuellen Vorstandsvorsitzenden Richard Lutz Mitte
August das Vertrauen entzogen hatte. Unter Lutz‘ Führung war der Staatskonzern
immer tiefer in die Krise gerutscht. Nur noch gut 60 Prozent der Züge im
Fernverkehr kommen pünktlich, fast alle Unternehmensteile der Deutschen Bahn
machen hohe Verluste, hinzu kommt ein Schuldenberg von fast 33 Milliarden Euro
und die schlechte Stimmung unter den Mitarbeitern.

Für Lutz‘ Nachfolge waren in den vergangenen Tagen auch viele
Namen außerhalb des Bahnkonzerns gehandelt worden, nun haben sich Aufsichtsrat
und Verkehrsministerium etwas überraschend für eine interne Lösung entschieden:
Palla ist seit 2019 bei der Deutschen Bahn, seit 2022 sitzt sie im Vorstand und
war dort verantwortlich für die Regionalzüge, S-Bahnen und Busse des Konzerns.

In dieser Rolle hat die Managerin bewiesen, dass sie ein
Unternehmen sanieren kann. Als sie den Vorstandsposten übernahm, machte ihre
Sparte noch Verluste. Palla baute das Unternehmen um, verlagerte wieder mehr
Verantwortung in die Fläche, ließ die 14 Bereiche der DB Regio wie eigene
mittelständische Unternehmen agieren. Das zeigte Wirkung: Bei der
Bilanzpressekonferenz im März konnte sie ein dreistelliges Plus vermelden. Als
einziges Tochterunternehmen der Deutschen Bahn.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die DB Regio als
einfachere Aufgabe innerhalb des Bahnkonzerns gilt. Anders als im Fernverkehr
oder im Güterverkehr werden die Leistungen des Regionalverkehrs über
Ausschreibungen vergeben. Meist handelt es sich hierbei um sogenannte
Bruttoverträge. Dabei trägt das Verkehrsunternehmen keinerlei Risiko für möglicherweise
ausbleibende Ticketeinnahmen.

Nun muss Palla beweisen, dass sie auch Lösungen für die
anderen großen Probleme des Bahnkonzerns hat.

Da ist zum einen das kaputte und störanfällige Schienennetz,
das für einen großen Teil der Verspätungen im Fernverkehr verantwortlich ist. Mutmaßlich
wird Palla an dem Sanierungskonzept der Bahn festhalten, das vorsieht, in den
kommenden Jahren rund 40 hochbelastete Streckenabschnitte jeweils mehrere
Monate zu sperren und komplett zu sanieren. Viele Konkurrenten der Bahn
beklagen allerdings die schlechte Kommunikation des Konzerns. Problematisch ist
außerdem, dass mittlerweile so viel gebaut wird, dass sich die Baustellen
selbst negativ auf die Pünktlichkeit auswirken.

Für die Verspätungen sind aber nicht nur Bauarbeiten und
klemmende Weichen verantwortlich, sondern auch fehlendes Personal in den
Stellwerken
.
Von dort aus wird der Zugverkehr auf der Schiene überwacht. Weil die Bahn zu
wenige Mitarbeiter in diesem Bereich hat, müssen ICEs und Güterzüge immer
wieder umgeleitet werden.

Auch der Fernverkehr steckt in einer Krise. Im vergangenen
Jahr fuhren die ICEs und ICs der Deutschen Bahn einen Verlust in Höhe von 96
Millionen Euro ein. Die Sparte kämpft mit einer schwächelnden Nachfrage. Im
ersten Halbjahr dieses Jahres lag die Auslastung in den Zügen bundesweit bei
gerade mal bei 44 Prozent, auf einigen Strecken noch deutlich darunter.

Im Güterverkehr verliert die Deutsche Bahn schon seit Jahren
Geld und Marktanteile. Schafft es die Sparte bis Ende 2026 nicht, profitabel zu
werden, droht eine Strafzahlung an die Europäische Union, da die Kommission
aus Wettbewerbsgründen nicht länger akzeptiert, dass der DB-Konzern einfach die
Verluste von DB Cargo ausgleicht.

Es gibt also genug zu tun. Und Pallas Aufgabenliste dürfte
sogar noch länger werden.

Am Montag wird Verkehrsminister Patrick Schnieder seine
Bahnstrategie präsentieren oder, wie er sagt, eine „Agenda für zufriedenere
Kunden auf der Schiene“. Wohl kein Managementjob in Deutschland ist so abhängig
von der Politik wie der Chefposten bei der Deutschen Bahn. Insofern wird viel
davon abhängen, wie gut Schnieder und Palla miteinander klarkommen.

Für die Südtirolerin ist die Berufung an die Spitze der
Deutschen Bahn der vorläufige Höhepunkt ihrer Karriere, die außerhalb der
Bahnbranche begann. Nach kurzen Stationen bei Siemens und Infineon war sie
lange für den deutschen Energiekonzern E.on tätig. 2011 wechselte sie zu den
Österreichischen Bundesbahnen und verantwortete dort bis 2019 den
Personenverkehr.

Palla wird nicht nur die erste Frau an der Spitze der
Deutschen Bahn sein, sondern auch die erste Vorstandsvorsitzende, die selbst
einen Zug fahren darf. Im vergangenen Jahr hat die Managerin einen Triebfahrzeugschein
gemacht – berufsbegleitend. „Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, im
Führerstand zu sitzen. Und auch verstehen, was unsere Mitarbeitenden täglich
leisten und was unser Geschäft ausmacht“, sagte Palla damals.

Viel Zeit zum Fahren dürfte sie jetzt aber erst mal nicht
haben.