Der Trend, auf Vokale zu verzichten

Die Vokale sind weg. Anders ausgedrückt: D Vkl snd wg. Wohin sind sie verschwunden? Sind sie einen trinken gegangen und lallen jetzt ganz vorzüglich? Hat sie jemand in die Flucht geschlagen aus ihrem angestammten Sitz, den Wörtern? Sicher ist, dass seit einiger Zeit immer mehr Botschaften und Namen auf sie verzichten – besonders in Berlin, wo es nicht nur die Spirituose BLN Vodka in den gut sortierten Supermarkt geschafft hat, sondern auch ein sparsames „Brgrs“ an die Hausfassade. Das klingt so grimmig wie ein knurrender Magen und würde daher gut passen zu dem Burger-Restaurant an der Perleberger Straße.

Um buchstabengetreue Wiedergabe jedoch geht es bei diesen Rumpfwörtern nicht, im Gegenteil: Die fehlenden Vokale werden beim Lesen unweigerlich ergänzt. Man kann sich ja schlecht auf einen Brgr im „Brgrs“ treffen. Die Vokalisierung hat zur Folge, dass die so sinnhaften Wortstämme tiefer und länger in Erinnerung bleiben als ausgeschriebene Worte. Darum läuft mittlerweile in Berlin auch mancher Passant mit einer „BYRN“-Mütze herum. Nachfrage bei dem gelockten Mann am Naturkundemuseum: Das soll „Bayern“ bedeuten, oder? „Ja, was denn sonst!“

Vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennbar: „BYRN“ steht bei diesem Mann für „Bayern“.
Vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennbar: „BYRN“ steht bei diesem Mann für „Bayern“.Christoph Moeskes

Woher kommt diese halbkryptische Verschlüsselungstendenz? Ist sie ein Ausdruck des achtlosen Schnelltippens auf dem Handy, dessen Worterkennungsprogramme das zwar nicht immer richtige, dafür aber immer richtig ausgeschriebene Wort anbieten? Will man auffallen und werben mit ihr? Oder drückt sich darin ein fortschreitendes Leben in Blasen, Codes und Haltungen aus, das irgendwann nur noch Gleichgesinnte und Eingeweihte kennt?

Wr lst ds Rtsl?

Wr wssn s ncht. Den Anfang jedenfalls machte vor rund 20 Jahren das kleine, hässliche Fastwort „FCK“. Nein, das ist nicht der Fußballklub aus Kaiserslautern. Das ist das „Fuck“, das ohne U geschrieben unterhalb der Schwelle zur Beleidigung liegt. FCK ist ja kein Wort. Es ist die Hülle eines Worts, ein U-Boot, das trotz seines Untertauchens stets sichtbar an der Wasseroberfläche ist. Und was nicht alles FCK ist seither: NZS (Nazis), AfD, GRN (das steht für „Grüne“, nicht „Gerne“). „FCK UBR“, ergänzt dazu übellaunig ein Taxi vor dem Hotel Adlon. Aufrecht aufkleberhaft gehatet an einer Ampel am Hauptbahnhof wird hingegen „KHMN“.

Hier wird ein bisschen geschummelt: „FCK UBR“ bedeutet in diesem Fall „Fuck Uber“.
Hier wird ein bisschen geschummelt: „FCK UBR“ bedeutet in diesem Fall „Fuck Uber“.Christoph Moeskes

Wir haben lange gerätselt, wer oder was damit gemeint sein kann. Mehrere Grünphasen haben wir ungenutzt verstreichen lassen, dann hatten wir es. Auf dem Aufkleber wirft eine Frau vor einem Mullah ihr Kopftuch weg. „KHMN“ ist Ajatollah Khamenei, wie der iranische Revolutionsführer auf Englisch geschrieben wird. Oder ist es Ajatollah Khomeini, der Gründer der Islamischen Republik? Von der Konsonantenfolge her ginge auch das – zumal in Iran: Die arabische Schrift, die Iraner verwenden, ist eine Konsonantenschrift. Die meisten Vokale müssen mitgedacht werden.

Und was soll „WRSTBHVR“ bedeuten, wie es auf einem Plakat des Restaurants „Borchardt“ bellt und knurrt? Etwa Wurst Behavior? Dann könnte man ja gleich ins „Brgrs“ gehen. Denn so hip die konsonantischen Vollstauchungen auch daherkommen mögen: Verständlich sollten sie schon sein, die Wörter. Verständlichkeit ist in der Sprache das A und O.