Der Systemwechsel beim Rundfunkbeitrag ist tot

Von 2027 an soll nach den Vorstellungen der Bundesländer das ungeliebte Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags durch ein neues Prozedere ersetzt werden. So sieht es der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 12. Dezember 2024 vor. Künftig könnte der Beitrag, entsprechend der Empfehlung der Beitragskommission KEF, vereinfacht festgelegt werden. Bei einer Erhöhung von bis zu fünf Prozent muss mindestens ein Bundesland Widerspruch einlegen. Geschieht das nicht, gilt der KEF-Vorschlag ohne Zustimmung der Landtage. Die Parlamente haben bei dieser wichtigen politischen Frage erst dann ein Mitspracherecht, wenn die Beitragszahler mit einem Aufschlag von mehr als fünf Prozent des bisherigen Beitrags zur Kasse gebeten werden.

Bei der aktuellen KEF-Berechnung hätten dieses neue Modell nicht gegriffen, da bei den empfohlenen 58 Cent mehr pro Monat mindestens zwei Länder widersprechen müssten. Bekanntlich existiert seit Monaten ein Veto mehrerer Ministerpräsidenten. Dennoch erhoffen sich die Bundesländer künftig weniger Streit um den Zwangsbeitrag. Zudem gehen sie davon aus, dass die Reformen, die beschlossen werden sollen, einen stabilen Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Anstalten garantieren. Doch ob es zu diesem Systemwechsel überhaupt kommt, ist sehr fraglich.

Ende Oktober 2024 hat die KEF ARD, ZDF und Deutschlandradio aufgefordert, ihren Finanzbedarf für die Jahre 2025 bis 2028 zu ermitteln. Zugleich müssen sie ihre Kosten für die Jahre 2021 bis 2024 nachweisen. Diese Aufstellungen sollen bis zum 25. April vorliegen. Die Daten fasst die KEF in einem Zwischenbericht zusammen, der Anfang 2026 erscheint. Der Zwischenbericht war bisher nicht mit einer neuen Beitragsempfehlung verbunden. Auch 2026 ist damit nicht zu rechnen.

Die Finanzanmeldung erfolgt nach bestimmten Aufwandskategorien: Programm, Personal, Sachkosten. Als Vergleichsgrößen dienen Zahlen aus der Vergangenheit, Tarifabschlüsse und die Entwicklung der öffentlichen Haushalte. Die KEF berücksichtigt zudem Steigerungsraten, die aus höheren Lebenshaltungskosten abgeleitet werden oder rundfunkspezifisch sind. Sie bewertet nicht nur die Ausgaben, sondern auch die Einnahmen. All das erfolgt auf der Basis des geltenden Rechts, also des Medienstaatsvertrags vom November 2020.

Finanzierung folgt dem Auftrag

Die KEF hatte in ihrem Sondergutachten vom September 2024 darauf hingewiesen, dass die Grundlage für die Bedarfsanmeldungen der Sender zum kommenden 25. Bericht, „nur der zu diesem Zeitpunkt gesetzlich geltende Programmauftrag unter den bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen“ sei. Der Reformstaatsvertrag mit seinen Veränderungsvorschlägen spielt bei den Berechnungen für die Beitragsperiode, die bis 2028 reicht, also keine Rolle. Das bestätigt die ARD-Sprecherin Stefanie Germann: Die ARD sei wie die KEF „an die geltenden Gesetze gebunden, insbesondere an den gesetzlich geltenden Programmauftrag. Grundsätzlich gilt: Die Finanzierung folgt dem Auftrag. Der Reformstaatsvertrag wurde noch nicht durch die Landesparlamente bestätigt und hat somit noch keine Gesetzeskraft erlangt. Die angesprochenen Reformen können daher nicht in die aktuelle Bedarfsermittlung für den 25. KEF-Bericht einfließen“. Auch ein ZDF-Sprecher verweist darauf, dass „die zum Zeitpunkt der Anmeldung geltende Rechtslage zu berücksichtigen“ sei.

Aktuell beträgt der Rundfunkbeitrag monatlich 18,36 Euro.
Aktuell beträgt der Rundfunkbeitrag monatlich 18,36 Euro.dpa

Dementsprechend wird die Expertenkommission nicht davon abweichen, dass die 58 Cent plus monatlich für vier Jahre erforderlich seien. Wenn die Länder ab 2027 einen „Systemwechsel“ planen, müsste die KEF in diesem Herbst eine neue Abfrage starten, die aber erst Anfang 2027 vorliegen wird. Voraussetzung ist, dass alle 16 Länder das Reformpaket beschlossen haben. Damit könnte eine veränderte Empfehlung der KEF frühestens ab 2028 in Kraft treten. Eine Reduzierung der bisher geplanten Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist zudem nur realistisch, wenn sich die wirtschaftlichen Effekte der Reformen ab 2028 auch auf Cent und Euro bestimmen ließen. Das erscheint jedoch, aufgrund der intransparenten „Umschichtungen“ in den Anstalten sehr zweifelhaft. Auch der Leipziger Medienrechtler Hubertus Gersdorf, geht, wie er der F.A.Z sagt, davon aus, dass das neue Modell erst ab 2028 praktische Bedeutung haben könnte. Davor nur, wenn der Bedarf von 2025 bis 2028 nach einer erneuten Evaluation geringer ausfallen sollte. Was nicht wahrscheinlich ist.

Gelingt ein Systemwechsel?

Im Punkt sieben ihres Beschlusses, gestatten die Länder den Anstalten für eine „Übergangszeit“ den Zugriff „auf die gesperrte Sonderrücklage III“. In ihrem Sonderbericht vom September 2024 schreibt die Gebührenkommission KEF dazu, dass diese Sonderrücklage von rund 1,1 Milliarden Euro in den Beitragsvorschlag von 18,94 Euro eingerechnet sei. Die Sonderrücklage „erschließt folglich für die Rundfunkanstalten keine zusätzlichen Mittel“. Das bedeutet, wenn diese Rücklage in zwei Jahren aufgebraucht wird, muss das im Zwi­schenbericht 2027 berücksichtigt und für die zwei Jahre bis 2028 eine Erhöhung vorgesehen werden. Mithilfe dieser Sonderrücklage die Erhöhung des Rundfunkbeitrags verhindern zu wollen, ist eine Milchmädchenrechnung. Nicht ohne Grund stellt der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz fest, dass an „der aktuellen Höhe des Rundfunkbeitrags von 18,36 Euro für einen Zeitraum von zwei Jahren festgehalten“ werde. Was danach kommt, interessiert heute anscheinend niemanden.

Der nächste Stolperstein für einen „Systemwechsel“ könnte die Klage von ARD und ZDF vor dem Bundesverfassungsgericht sein. Das Gericht hatte in seinem Urteil zum letzten Beitragsverfahren 2020/2021 betont, dass die Rundfunkfreiheit aus Artikel 5 Grundgesetz bedinge, dass der Staat die „funktionsgerechte“ Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen garantiert. Ihnen stehe ein grundrechtlicher Finanzierungsanspruch zu. Unterlassen es die Länder, ihrer Pflicht nachzukommen, können die Sender klagen. Das heißt, die Länder sind verpflichtet, die Empfehlung der Gebührenkommission KEF in einem Staatsvertrag umzusetzen, wenn nicht besondere Gründe dagegensprechen. Zwar hat das Verfassungsgericht in seinem Urteil 2021 festgelegt, dass der bisherige Beitrag von 18,36 Euro bis zum Abschluss eines neuen Staatsvertrags bestehen bleibt. Dagegen steht aber die Pflicht, eine Neuberechnung des Rundfunkbeitrags auch rechtlich zu gewährleisten – was nicht erfolgt ist.

Die Klage von ARD und ZDF umfasst den Zeitraum bis 2028. Die Verfassungsrichter könnten in ihrem Urteil das neue Finanzierungssystem berücksichtigen und nur die Finanzierungsbasis für zwei Jahre ins Auge fassen. Das aber steht nicht zu erwarten, da der neue Staatsvertrag noch nicht beschlossen ist und möglicherweise auch nicht vor einem Urteil aus Karlsruhe in Kraft tritt. Mehrfach haben die Verfassungsrichter erklärt, die Länder könnten das Verfahren ändern, aber sie müssen bestehende Gesetze beachten und können nicht geplante Vorhaben gegen existierende Vorschriften „hochrechnen“.

Somit schadet die Verfassungsklage von ARD und ZDF sehr wahrscheinlich der geplanten Neuordnung der Beitragsfestsetzung. Sachsen-Anhalt und Bayern haben das in einer Protokollerklärung zum Dezember-Beschluss der Ministerpräsidenten zum Ausdruck gebracht. Sie halten fest, dass sie den Staatsvertragsentwurf zur Reform des Rundfunkbeitrags erst paraphieren und dem Landtag zur Anhörung zuleiten, wenn ARD und ZDF ihre Verfassungsbeschwerde zurücknehmen. Dafür spricht aber nichts. Im Gegenteil: Die Sender haben mehrfach bekräftigt, dass sie an der Klage festhalten. Das bedeutet das Aus für den mit viel Mühe gefundenen Kompromiss um ein vereinfachtes Beitragsverfahren.

Das Versprechen, dass der Beitrag für die nächsten zwei Jahre nicht erhöht wird, ist reines Wunschdenken. Die letzte Hoffnung der Länder ruht auf einem Urteil des Verfassungsgerichts, das ARD und ZDF nicht Recht gibt und Bayern und Sachsen-Anhalt doch noch ermöglicht, dem neuen Rundfunkbeitrag zuzustimmen. Lächeln und winken – nach diesem Prinzip scheint die Medienpolitik beim Rundfunkbeitrag zu laufen: Hoffnung wecken und Optimismus verbreiten. Dabei ist der „Systemwechsel“ bei der Festlegung des Rundfunkbeitrags so gut wie tot. Und eine unrealistische Politik hilft weder dem aus dem Gleichgewicht geratenen deutschen Mediensystem noch dem Beitragszahler.