Als Denzel Washington 2021 mit Joel Coen den Film „Macbeth“ drehte, fragte er seinen Regisseur zu Beginn der Dreharbeiten nach dem Schwarz-Weiß-Aspekt des Films. Im Laufe des Gesprächs stellte sich dann allerdings heraus, dass der Schauspieler nur wissen wollte, ob Coen seine Shakespeare-Adaption in Farbe oder in Schwarz-Weiß drehen würde.
Washington, einer der erfolgreichsten und einflussreichsten Schauspieler Amerikas, von dem es heißt, er habe die Hautfarbe in Hollywood zur Nebensache gemacht, nimmt für sich in Anspruch, in erster Linie als Künstler wahrgenommen zu werden und nicht „durch die Linse einer politischen Agenda“, wie er es einmal formulierte. Und doch ist Washington, der im Kino mit jedem Film aufs Neue ein Ereignis ist und jenseits der Leinwand so gar kein Gewese um sich macht, natürlich ein politischer Mensch, wie auch seine eindrucksvolle Interpretation des skrupellosen Machtmenschen Macbeth zeigt.
„Imperien fallen, Imperatoren auch“
Auch ließ er es sich 2009 nicht nehmen, zur Inauguration von Barack Obama am Lincoln Memorial in Washington vor mehr als 400.000 Amerikanern zu sprechen. Umso verbitterter ist der Schauspieler heute über die neuerliche Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten. Anlässlich der Premiere des Films „Gladiator II“ zog er im November in einem Interview den Vergleich zwischen dem Römischen Reich und seinem Heimatland, indem er einen Satz aus dem Film zitierte: „Imperien fallen, Imperatoren auch.“
Geboren 1954 in Mount Vernon, einem Vorort von New York, wuchs Washington in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater war Prediger der Pfingstgemeinde, seine Mutter eine ehemalige Gospelsängerin. Sein Interesse an Kultur wurde durch einen Highschool-Lehrer geweckt, der seinen Schülern jeden Tag die „New York Times“, Ernest Hemingway und Hermann Hesse vorlas. So kam er zum Theater und besuchte 1978 das renommierte Konservatorium in San Francisco. Washington begann am Off-Broadway und ist der Bühne bis heute treu geblieben. Doch zum Weltstar wurde er auf der Leinwand. Dabei hat er die seltene Gabe, ein Charakterdarsteller zu sein, der auch in Actionfilmen reüssiert.
Schrei nach Freiheit
International bekannt wurde Washington 1987 in der Rolle des südafrikanischen Freiheitskämpfers Steve Biko in Richard Attenboroughs Film „Schrei nach Freiheit“. In den folgenden Jahren entstanden einige seiner interessantesten Filme in Zusammenarbeit mit Spike Lee: der Jazz-Film „Mo’ Better Blues“, in dem er 1990 einen besessenen Trompeter nach dem Vorbild von Miles Davis spielte. „Mississippi Masala“ (1992), die Liebesgeschichte eines Afroamerikaners und einer Inderin, in der er unbedingt mitspielen wollte, weshalb er sich mit einem Bruchteil seiner sonstigen Gage begnügte.
Erschütternd intensiv und bis heute in Erinnerung ist Washingtons Darstellung der Titelrolle von „Malcolm X“, der Filmbiographie des schwarzen Aktivisten, der 1965 gewaltsam zu Tode kam. Viele Jahre zuvor hatte er sich in dem Theaterstück „When the Chicken Came Home to Roost“ in einem kleinen New Yorker Theater bereits mit Malcolm X befasst.
Dass er für die Hauptrolle in „Malcolm X“ bei den Oscarverleihungen 1992 übergangen wurde – die Trophäe bekam er erst neun Jahre später ausgerechnet für seine erste Schurkenrolle in dem Actionspektakel „Training Day“ –, ist eines der bitteren Zeugnisse für die skandalöse Benachteiligung schwarzer Schauspieler in Hollywood; die Situation hat sich erst in den vergangenen Jahren etwas gebessert. Washington war nach Sidney Poitier, der 1963 ausgezeichnet wurde, erst der zweite Schwarze, dem Hollywood 2001 diese Ehre fast vierzig Jahre später zuteilwerden ließ.
In seiner Dankesrede bezog sich Washington auf Poitier, dem er immer nacheifern wolle, und erinnerte daran, wie er als Schauspielschüler noch mitleidige Blicke erntete, wenn er erklärte, der „beste Schauspieler der Welt“ werden zu wollen. Dennoch lässt er sich nicht auf seine Hautfarbe festlegen. Als er vor einigen Jahren in dieser Zeitung darauf angesprochen wurde, eine Ikone der schwarzen Amerikaner zu sein, der mit seinen Rollen auch für die Gleichberechtigung kämpfe, verneinte er dies glatt. Was ihn seit seinen Anfängen um- und antreibt, lässt sich dagegen in einer fesselnden Rede nachhören, die er 2011 vor den Absolventen der University of Pennsylvania hielt und die auf Youtube mehr als 100 Millionen Mal aufgerufen wurde.
Perfektion ist sein Ziel, den Ruhm hingegen scheut er. Von sozialen Netzwerken hält er sich fern und lebt mit seiner Frau, mit der er vier Kinder hat, zurückgezogen. Er sei ein gewöhnlicher Mensch mit einem ungewöhnlichen Beruf, hat er einmal gesagt. Und dass er sich selbst nicht so ernst nehme. Es sei nur Kino, keine Raketenwissenschaft. Und doch entführt er sein Publikum mit seiner atemberaubenden Leinwandpräsenz ein ums andere Mal zu den Sternen – und mit diesem Lächeln, das seinesgleichen sucht. Heute wird er siebzig Jahre alt.