
Nelson Weiper ist nicht das, was die Menschen in Mainz einen Babbeler nennen. In Presserunden verhält der Stürmer des FSV Mainz 05 sich eher wortkarg, ohne unfreundlich zu sein, wer ihm Ja-Nein-Fragen stellt, darf sich über eine einsilbige Antwort ohne weitere Ausführung nicht wundern. Nach dem Play-off-Rückspiel gegen Rosenborg Trondheim, mit dem die Rheinhessen sich für die Ligaphase der Conference League qualifizierten, war es ähnlich. Als die Rede jedoch auf seine lange hinausgezögerte Vertragsverlängerung kam, schaltete er kurz auf Attacke um. „Zu 99 Prozent Fake News“ sah Weiper in der Berichterstattung über seine sich hinziehende Vertragsverlängerung.
Konkreter wurde er nicht, was alles falsch gewesen beziehungsweise welches eine Prozent gestimmt haben mochte, führte er nicht aus. Vereinsintern ist zu hören, dass er sich vor allem über das von etlichen Medien verbreitete Gerücht echauffierte, wonach er Jonathan Burkardt zur Eintracht folgen wollte, die ihn jedoch unverzüglich nach Bremen weiter verliehen hätte. Eine solche Anfrage habe Weiper nie erreicht.
Inzwischen hat der 20-Jährige seinen ursprünglich im nächsten Sommer auslaufenden Vertrag bis Mitte 2029 verlängert, und er habe auch nie etwas anderes beabsichtigt, versichert er. Er, der mit sieben Jahren ins Nachwuchsleistungszentrum am Bruchweg kam, sei Mainzer und wolle Mainzer bleiben. Eine Botschaft, die er nach seinem Tor zum 3:1 gegen Rosenborg unterstrich, indem er beim Jubel zunächst mit der flachen Hand auf das 05-Logo auf seinem Trikot schlug und es anschließend küsste. Beim Spiel in der Fußball-Bundesliga gegen Leipzig an diesem Samstag (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-Bundesliga und bei DAZN) dürfte Weiper in der Startformation stehen.
Offen bleibt bis heute die Intention des hochtalentierten Angreifers, seine Entscheidung über einen Verbleib so lange hinauszuzögern. „Wenn beide Seiten verlängern wollten, gab es keinen Grund, das nicht vor dem 1. September zu tun“, sagte Heidel. Der Manager wollte Weiper nicht über das Ende der Transferperiode hinaus mit einem auslaufenden Vertrag im Profikader halten – und er demonstrierte diesen Willen in Absprache mit Trainer Bo Henriksen auf ungewöhnliche Weise: Für das Pokalspiel in Dresden und das Play-off-Hinspiel in Norwegen wurde Weiper gestrichen, auch wenn die Mannschaft sich das mangels Alternative auf der Mittelstürmerposition eigentlich nicht leisten konnte, wie beide Male deutlich wurde.
„Als Trainer kannst du dich immer auf ihn verlassen“
Weipers Aussagen wie die im Trainingslager in Tirol, er wolle bleiben, aber anhand der Spielzeit zunächst mal seinen Stellenwert erkunden, verwunderten. Henriksen hatte ihm quasi einen Freifahrtschein als Burkardt-Nachfolger ausgestellt, der Verein hatte explizit darauf verzichtet, einen weiteren Mittelstürmer zu verpflichten. Sinn ergeben hätte die Hinhaltetaktik nur, wenn Weiper oder sein Berater darauf spekuliert hätte, nach der Saison ablösefrei wechseln zu dürfen und dafür ein ordentliches Handgeld einzustreichen.
Nun ist das Thema beendet: Weiper bleibt, spielt und trifft. Auch in der U-21-Nationalmannschaft, zu deren zweiten Platz Weiper bei der EM im Juni maßgeblich beigetragen hatte und deren ersten Treffer in der neuen EM-Qualifikation er geschossen hat. „Als Trainer kannst du dich immer auf ihn verlassen“, sagt Benjamin Hoffmann, der Mainzer U-19-Coach, in dessen Kader Weiper beim Gewinn der deutschen Meisterschaft im Frühjahr 2023 gestanden hatte.
Hoffmann hatte das Sturmtalent rund eineinhalb Jahre zuvor aus der U17 nach oben gezogen – und der traf bei seinem ersten Einsatz gleich viermal. „Nelly war auf Anhieb in der U19 angekommen“, sagt Hoffmann: „Meine Aufgabe als Trainer war es danach unter anderem, ihm zu vermitteln, dass er die Intensität weiter hochhalten muss.“ Anfangs sei dies kein ganz einfaches Unterfangen gewesen.
„Als junger Fußballer hast du nach einem solchen Einstand das Gefühl, dir liegt die Welt zu Füßen. Das Problem haben viele Talente, dass sie glauben, ihr Potential reiche aus. Aber die Herausforderung ist, seine Kapazitäten konstant abzurufen. Wer das nicht macht, wird es nicht nach oben schaffen.“ Weiper hingegen habe verstanden, dass er hart arbeiten müsse, um seinen Traum zu verwirklichen. „Nelly ist sehr schlau, er hat schnell kapiert. Wir mussten nicht darüber reden, wohin sein Weg führt, sondern wie er ihn gehen muss – und dass der Weg auch steinig werden kann.“
Die Erzählung des mittlerweile für die U23 zuständigen Trainers stellt eine interessante Parallele zu Weipers Zeit unter Bo Henriksen dar. Als der Stürmer eine langwierige Knieverletzung auskuriert hatte, aber nicht zum Zug kam, wurden rasch Unkenrufe laut, der Trainer stehe nicht auf das Talent und werde Weiper vergraulen. Henriksen hingegen machte klar, er verlange vom Spieler größere Anstrengungen im Training. Auf ähnliche Weise hatte er zuvor schon Weipers Kumpel Brajan Gruda – inzwischen in der Premier League aktiv – auf die richtige Bahn gebracht. Gruda, der Edeltechniker, lernte defensiv zu arbeiten. Weiper überzeugt heute auch mit seinem läuferischen Einsatz.
In seinem ersten A-Junioren-Spiel sei der Youngster fast 13 Kilometer gerannt, berichtet Hoffmann. „Er hat aber auch gesehen, dass er seine Tore auch mit weniger Aufwand schießen kann…“ Bei den Profis musste er lernen, wieder mehr zu investieren. „Ohne die läuferische Komponente kommst du im Mainzer Fußball nicht weit.“
„Nelly kann 15 Tore schießen“
Und Weiper, der in seiner einzigen kompletten U-19-Saison bei nur acht Hauptrundeneinsätzen mit acht Toren viel für den Einzug ins Halbfinale tat, hat gelernt. Er wartet nicht auf Zuspiele, sondern läuft an, geht auch Wege nach hinten, verfügt über Statur, Athletik und Leichtfüßigkeit, um sich gegen kantige Innenverteidiger zu behaupten, funktioniert als Zielspieler und hat einen guten Abschluss. „Nelly kann 15 Tore schießen“, nennt Bo Henriksen eine Marke für die laufende Saison, die der Stürmer als Auftrag empfindet. „Ich habe mir selbst kein Ziel gesteckt, aber wenn der Trainer so etwas sagt, muss ich es auch umsetzen“, sagt Weiper.
Sollte das klappen, schöbe er sich in der Rangliste der Mainzer Toptorschützen weit nach vorne, auf eine Stufe mit André Schürrle und Shinji Okazaki. Nur ein 05-Stürmer war innerhalb einer einzigen Spielzeit erfolgreicher: Jonathan Burkardt traf in der zurückliegenden Runde 18-mal. Aber diesen Rekord anzugreifen, hat Nelson Weiper noch Zeit. Vielleicht sogar wirklich bis 2029.