Der Magie auf der Spur: „Making Theatre“ im Deutschen Theatermuseum

Die Bühnenkunst ins Museum zu bringen – welcher grundsätzliche Widerspruch in diesem Gedanken steckt, offenbart Dorothea Volz, Leiterin des Deutschen Theatermuseums, ganz freimütig. Theater sei nun mal eine „Gegenwartskunst“, von Natur aus flüchtig, also eigentlich nicht ausstellbar, stellt Volz fest. Und spannt dann bei ihrer Rede vor der Presse den Bogen zu der Idee, dem Flüchtigen vielleicht etwas unmittelbarer auf die Pelle zu rücken.

Denn so magisch und schnell vergänglich das, was auf der Bühne geschieht, auch erscheinen mag, so handfest ist die Arbeit, die hinter dem ganzen Zauber steckt. Genau diese Arbeit, die eine Zusammenarbeit zwischen mehreren Abteilungen ist, lässt sich durchaus dokumentieren und ausstellen: „Making Theatre. Wie Theater entsteht“ heißt die Schau, die bis zum 12. April 2026 im Theatermuseum stattfindet. Kooperationspartner ist das Bayerische Staatsschauspiel, das Einblicke in den Entstehungsprozess von Elsa-Sophie Jachs „Romeo und Julia“-Inszenierung gewährte (Premiere war am 16. Mai im Residenztheater).

Es ist ein ungewöhnliches Projekt, das auch eine andere Form der Kuration erforderte. Spuren hinterlässt das Theater ja doch immer wieder; dieses Material, wenn es denn aufbewahrt wurde, kann (neu) sortiert und im Rahmen eines Museums ausgestellt werden. Dieses Mal liefen jedoch die Entstehung des Materials, sprich: der Inszenierungsprozess, und die Gestaltung der Ausstellung weitgehend parallel ab, weshalb Kuratorin Maren Richter von „Live-Kuration“ spricht.

Was die Regisseurin las

Ein Gespräch zwischen Richter und Regisseurin Jach kann man im Erdgeschoss des Deutschen Theatermuseums hören, zudem finden sich auf der ersten Ausstellungsebene diverse Ausgangspunkte für das, was zu einer großartigen Inszenierung reifen sollte. In einem Regal finden sich etwa die Bücher, die Elsa-Sophie Jach während der Vorbereitung las, darunter Caroline Emckes Essay „Wie wir begehren“ oder die gesammelten Werke von Aphra Behn, einer Autorin, die kurz nach Shakespeare lebte und von der einige Verse in die Inszenierung Einlass fanden.

„Romeo und Julia“ im Residenztheater.
„Romeo und Julia“ im Residenztheater.
© Birgit Hupfeld
„Romeo und Julia“ im Residenztheater.

von Birgit Hupfeld

„}“>

Die generelle Natur der Theaterarbeit wird im Erdgeschoss verhandelt, klar, es ist eine gemeinschaftliche Unternehmung, bei der am Ende nur die wenigsten im Rampenlicht stehen. Umso schöner, dass sie in dieser Ausstellung gleichberechtigt Aufmerksamkeit bekommen. Zur sinnlichen Veranschaulichung des Teamworks hat Bühnenbildnerin Sigi Colpe in die Räume hölzerne Theaterlatten hineingebaut. Stehen im Erdgeschoss mehrere Latten nebeneinander, sind sie im zweiten Stockwerk zu einem Gebilde verbaut, so, wie die einzelnen Teams zunächst für sich arbeiten, bis sich alles zu einem kreuz und quer vernetzenden Gesamtkunstwerk vereint.

„Romeo und Julia“ im Residenztheater.
„Romeo und Julia“ im Residenztheater.
© Birgit Hupfeld
„Romeo und Julia“ im Residenztheater.

von Birgit Hupfeld

„}“>

Die Holzlatten sind Orientierungspunkte in einer Schau, die sich einige Nebenblicke erlaubt, auf die Historie des Residenztheaters zum Beispiel, die Arbeit inklusiver Gruppen oder die geschichtliche Entwicklung der Abteilungen: Wie kam zum Beispiel das Licht ins Theater? Diese Exkurse sind interessant, verwässern jedoch etwas den Fokus auf Jachs „Romeo und Julia“-Inszenierung. Essenzielles wird da allzu kurz abgehandelt: Die (ungerechten) Gehaltsstrukturen und Missbrauchsfälle an den Theatern werden etwa mit ein paar Statistiken gestreift, womit die Schau zwar weitere Denkanstöße gibt, dem Gewicht dieser Themen aber nicht ganz gerecht wird.

Filme laden zum Verweilen ein

Der eingehende Blick hinter die Kulissen der „Romeo und Julia“-Inszenierung ist jedoch informativ und spannend, bringt einem die Arbeit der Theaterschaffenden wunderbar nahe. Insbesondere die von Johanna Seggelke gefilmten und montierten Filme laden zum Verweilen ein. Wie Marlene Lockemann zum Beispiel ihr famoses Bühnenbild entwickelte, ein Tribünen-Wunderwerk, das die Gewaltspirale im Stück bildlich spiegelt, kann man hier ausschnitthaft verfolgen.

Die Regisseurin Elsa-Sophie Jach.
Die Regisseurin Elsa-Sophie Jach.
© Joel Heydt
Die Regisseurin Elsa-Sophie Jach.

von Joel Heydt

„}“>

Rückblickend darf man dabei sein: Wie Marlene Lockemann gemeinsam mit Lichtdesigner Gerrit Jurda verschiedene Lichtstimmungen für ihr Bühnenbild ausprobiert. Oder wie Kostümbildnerin Johanna Stenzel ihrem Team erklärt, dass sie die Familien der Capulets und Montagues nicht grundlegend verschieden ankleiden möchte, weil dadurch umso mehr die Frage aufgeworfen wird, wieso die Clans untereinander zerstritten sind.

„Romeo und Julia“ im Residenztheater.
„Romeo und Julia“ im Residenztheater.
© Birgit Hupfeld
„Romeo und Julia“ im Residenztheater.

von Birgit Hupfeld

„}“>

In einem Video bekommt man mit, wie die Perücken-Haarlänge Julias im Austausch mit Darstellerin Lea Ruckpaul verhandelt wird. In einem anderen sieht man das Ensemble beim Kampftraining mit dem Choreographen Dominik Wiecek.

Charmante Details, zum Beispiel ein Daumenkino, bei dem die Darstellenden ihre Kostüme draufgeblättert bekommen, aktivieren die Museumsbesucher auf unterhaltsame Weise. In einem finalen Raum im zweiten Stock kann man, umgeben von drei Leinwänden, der dreistündige Generalprobe backstage beiwohnen, auch wenn nicht immer viel hinter den Kulissen passiert.

Andreas Beck, der Intendant des Residenztheaters,
Andreas Beck, der Intendant des Residenztheaters,
© Joel Heydt
Andreas Beck, der Intendant des Residenztheaters,

von Joel Heydt

„}“>

Theater – das ist nun mal auch viel Warten, viel nüchterne Profi-Arbeit und Organisation, siehe der Probenplan, der exemplarisch ausgestellt ist. „Wie Kunst entsteht, das ist und bleibt ein Geheimnis“, sagt Resi-Intendant Andreas Beck. Diesem Geheimnis kommt man in dieser ausführlichen Making-of-Schau aber doch ein bisschen auf die Spur. Ein vielfältiges Rahmenprogramm, darunter eine Gesprächs- und eine Filmreihe (letztere in Kooperation mit dem Theatiner-Kino), ergänzt die Auseinandersetzung mit dem Theaterprozess und speziell dieser Inszenierung.

Und übrigens: Wer eine Eintrittskarte für „Romeo und Julia“ im Residenztheater an der Kasse des Theatermuseums vorweisen kann, darf für den ermäßigten Preis in die Ausstellung.

Deutsches Theatermuseum, Galeriestr. 4a, bis 12. April 2026, Di bis Fr, 11 bis 17 Uhr, Mehr Infos unter www.deutschestheatermuseum.de