Der Film „The Mastermind“ erzählt von einem Kunstraub als ruheloses, irreversibles Scheitern

Ein junger Mann plant einen Kunstraub, und er ist, so will es der Filmtitel, ein Genie. „The Mastermind“ beginnt dann auch tatsächlich mit Bildern, die ansatzweise kriminelle Kompetenz vermitteln, wenn auch nur im Kleinen.

James Blaine „JB“ Mooney testet bei einem Familienausflug in das örtliche Museum einer Kleinstadt in Massachusetts die Sicherheitsbedingungen und klaut recht behände eine kleine, wohl nicht allzu wertvolle Figur aus einer Vitrine. Nach etwa 15 Filmminuten aber ist klar, der Titel ist Ironie, und der Mann wäre in „Ocean’s Eleven“ und jedem anderen US-Heistmovie der letzten hundert Jahre sofort aus der Gang geflogen.

Außerdem stellt „The Mastermind“ in den ersten Minuten seine eigentliche Hauptfigur vor: das Setting. Der Kunstraub findet statt im Jahr 1970, und die Regisseurin Kelly Reichardt und ihr Setdesigner Anthony Gasparro, der seit „Certain Women“ (2016) Reichardts Kulissen baut, haben eine Welt in erdigen Brauntönen erschaffen, die – von Wohnungseinrichtungen bis zu Cordsakkos – authentisch anmutet.

Zeitbild der USA

In seinem letzten Akt, nachdem alles schiefgegangen ist, macht „The Mastermind“ dann vollends klar, dass die Dekade hier nicht nur selbstzweckhafte Dekoration ist, sondern dass es der Regisseurin um ein Zeitbild der USA geht. Ihr Film beginnt mit dem Klau US-amerikanischer Stillleben und endet mit Polizeigewalt auf einer Antivietnamkriegsdemo.

Von Anfang bis Ende aber steht ein konstantes Scheitern. JB Mooney ist Tischler und ehemaliger Kunststudent, der in stillem Ärger über die Diskrepanz zwischen seinem wenig glanzvollen Leben und dem unbedingten Willen, mit wenig Aufwand zu viel Geld zu kommen, zu existieren scheint. Mooney reiht sich ein in das Ensemble von Slackerfiguren, die das Werk der Independent-Filmemacherin Kelly Reichardt bevölkern. Menschen, die in den Lücken und an den Rändern existieren – aber nicht mit dem Glamour der überzeugten Außenseiter, sondern weil sie nicht anders können.

Das Herz, das diese Filme für ihre Figuren haben, die weder Helden noch Antihelden sind, sondern den Mythos des Helden sozusagen aussitzen, ist groß. JB Mooney allerdings ist der Erste, der latent wie ein hilfloser Unsympath wirkt. Josh O’Connor („Challengers“, „The Crown“) spielt den glücklosen Kunstdieb mit hochgezogenen Schultern und einer wieder einmal ausgeprägten körperlichen Präsenz.

Wollen und Wirklichkeit sind unvereinbar

Im Körperausdruck manifestiert sich die frustrierende Unvereinbarkeit von Wollen und Wirklichkeit. Und die ebenfalls ausgeprägte Eitelkeit ist hier der Motor für Selbstblindheit und Gedankenlosigkeit. Mooney stolpert von einem wurstigen Fuck-up zum nächsten, und die Momente, in denen O’Connor im Gesicht seiner Figur subtil bedrohliche Momente der Selbsterkenntnis aufscheinen lässt, nehmen zu, je weiter sie sich verrennt.

Der Plan, eine Handvoll Gemälde des Künstlers Arthur Dove zu stehlen, ist nachlässig zusammengebaut. JB Mooney heuert ein paar Möchtegern-Gangster an, die ziehen sich Netzstrümpfe über den Kopf, nehmen die Bilder von der Wand und laufen zurück zum Auto. Ein irreales Unterfangen, aber basierend auf einem realen Kunstraub im Jahr 1972 im Worcester Art Museum in Massachusetts. In der Wirklichkeit hat es wenigstens für zwei Gauguins, einen Picasso und einen Rembrandt gereicht.

JB Mooney hat sich auf die Idee versteift, Bilder von Arthur Dove zu stehlen. Sein Vater, zu allem Unglück auch noch ein ehemaliger Richter, ist dann auch entsprechend unbeeindruckt und fragt sich am Esstisch, was der ganze Quatsch soll – unwissend, dass der Dieb mit am Esstisch sitzt: „Man kann sich kaum vorstellen, dass sich all der Aufwand für diese abstrakten Bilder lohnen soll.“

Stille Comedy

Tut er auch nicht. Der Aufwand selbst ist dann aber vollends stille Comedy. Die Raubszene liegt in der Filmmitte. Die Kunstdiebe werden natürlich entdeckt, klar, wenn man mitten am Tag in einem Museum Gemälde von der Wand nimmt.

Allerdings nicht vom Wachmann, der schläft, sondern von einem jungen Mädchen, das in den Museumsräumen umhergeht und die ausgestellten Kunstwerke in einem affektierten Französisch beschreibt: „ennuyeux“, „dépravé“, „factice“. Den Gedanken, dass eine Figur hier über das Genre spricht, das in diesem Moment mit den Mitteln des Außenseiterkinos sanft unterlaufen wird, legt die Montage zumindest nahe.

Die Kunsträuber schaffen es mit Ach und Krach, die Bilder in den Kofferraum zu verfrachten. Danach geht es vollends bergab: JB Mooney bekommt Ärger mit den lokalen Mafiosi, und die zweite Hälfte des Films zeigt das Superhirn auf einer ziellos mäandernden, actionarmen Flucht durch die USA der siebziger Jahre. Ein Durch-die-Gegend-Reisen, das in den Filmen Reichardts ziellos wirkt.

Von etwas wegwollen

Auch wenn die Figuren, wie in „Old Joy“ oder „Meek’s Cutoff“ ein Ziel haben oder, wie hier, von etwas wegwollen. Die Richtung, die das Leben nehmen soll, ist weder vor noch auf der Leinwand klar, und entsprechend perforiert werden die üblichen filmischen Erzählkonventionen, die ja immer voraussetzen, dass die Menschen, von denen erzählt wird, eine beschreibbare Entwicklung und damit eine Geschichte durchlaufen.

In „The Mastermind“ sind diese Konventionen durchgestrichen, und es entsteht eine zuerst irritierende Dynamik, wie eigentlich immer in diesem Werk, das die gängigen Geschwindigkeiten und Rhythmen der Genres, auf die es sich jeweils bezieht, radikal ausbremst (das Roadmovie in „Old Joy“ und „Wendy and Lucy“, den Western in „Meek’s Cutoff“ und „First Cow“, den Politthriller in „Night Moves“).

Die Erzählung gerinnt sozusagen. Der Mastermind fährt ziellos durch die Landschaft, telefoniert mit seiner enttäuschten Frau (Alana Haim), ist aber in Sorge vor allem um sich selbst. Die Figur verstummt mehr und mehr, die große Klappe wird leise. Und wo vorher ein Heist-Plot die Struktur vorgegeben hat – Planung, Durchführung, Konsequenzen –, gibt es jetzt nur noch einen statischen Zustand zu sehen, der bedächtig ausgemalt wird: ruheloses, irreversibles Scheitern.

Spröde Bewegungslosigkeit

Diese vorgebliche Bewegungslosigkeit lässt die Filme von Kelly Reichardt dem ersten Eindruck nach sehr spröde wirken. Wenn man diese Bewegungslosigkeit aber annimmt, gerät man in einen Raum der Kontemplation und in sich ruhenden Konzentriertheit.

„The Mastermind“ ist ein Film der kleinsten Gesten, und Kelly Reichardt ist eine der subtilsten Fil­me­ma­che­r*in­nen zurzeit. Das Wichtige geschieht in den Lücken, und man bekommt auch hier wieder viel Leerlauf, Tätigkeiten, die im Genrekino eigentlich als nicht erzählwürdig gelten, und Warten vor Augen geführt.

Der Film

„The Mastermind“. Regie: Kelly Reichardt. Mit Josh O’Connor, Alana Haim u. a. USA 2025, 110 Min.

Und das alles im Falle von „The Mastermind“ spätestens ab dem letzten Filmdrittel wie in Zeitlupe. Reichardt vermeidet dabei die Manierismen des Slow Cinema. Die Langsamkeit dieser Bilder ist kein Selbstzweck und eigentlich nicht einmal ein Stilmittel, sondern Voraussetzung, um das aufscheinen zu lassen, was gezeigt werden soll.

Die Geschichten Reichardts geschehen an den Rändern, und zwar nicht in den in ihrem Dagegensein heroischen Subkulturen, sondern dort, wo glücklose Durchschnittsmenschen versuchen, dem Leben und der Gesellschaft, in der sie leben müssen, ein Glück abzupressen. Hinter der ruhenden Oberfläche dieser Filme verbirgt sich so etwas wie eine realistische, weil durch kein unterhaltsames Drama überhöhte Tragik. Oder auch ein tragischer Realismus.