
Ziemlich peinlich, vor laufender Kamera einen Betrug zugeben zu müssen. Der Amerikaner, der im Titel der Dokumentation „Der talentierte Mr. F.“ nur mit dem ersten Buchstaben seines Nachnamens auftaucht, hat ein digitales Kunstwerk als sein eigenes Werk ausgegeben und wurde mit diesem sogar bekannt. Jetzt sitzen die eigentlichen Schöpfer unerwartet vor ihm. Sie sprechen ihn auf die Täuschung an und halten die Kamera auf sein Gesicht. Was soll er sagen?
Inszeniert im True-Crime-Stil
Der Zwanzigjährige gibt alles ohne Umschweife zu. Schwieriger könnte für ihn allerdings die Zeit nach der Veröffentlichung der Doku werden. Man spürt es an seiner stillen und etwas eigenwilligen Reaktion. Die Betrogenen spüren es auch. Sonst würden sie ihn nicht zum Ende ihrer Reise umarmen und den weiteren Kontakt mit dezidierter Freundlichkeit führen.
Inszeniert ist die Doku als munteres, aus dem Handgelenk geschütteltes „True Crime Format“ über zwei Filmstudenten, die von einem dreisten Betrüger um ihren Ruhm gebracht wurden. Moritz Henneberg und Julius Drost haben 2022 einen Animationsfilm über einen Haushaltsroboter gedreht, Henneberg war der 3D-Künstler, Drost Regisseur, und als sie „Butty“ testweise ins Internet stellten, kam das Filmchen gut an. Die Statistik bei Youtube war dermaßen gut, dass die Schöpfer „Butty“ wieder aus dem Netz nahmen und an Festivals schickten.
Bei der Recherche fallen sie aus allen Wolken
Dann die Überraschung: Ein Festival wirft ihnen vor, gegen die Bewerbungsregeln verstoßen zu haben, denn das Werk existiere bereits. Tatsächlich, die Studenten fallen bei der Internet-Recherche aus allen Wolken: Die Unterschiede des Films „T-130“ zu „Butty“ beschränken sich auf eine weggeschnittene Figur, eine weggeschnittene Szene und etwas Musik. Sie finden Fernsehauftritte, in denen der angebliche Urheber von seiner Arbeit erzählt. Er hat sogar Preise mit dem Trickfilm gewonnen und Preisgeld erhalten.

Ein Prozess in den Staaten scheint den Studenten schon mit Blick auf Dauer und Kosten keine Lösung zu sein. Stattdessen ein tollkühner Plan: Sie wollen den Betrüger zur Rede stellen und ein öffentliches Geständnis von ihm erwirken.
Unterstützt von ihrem Freund Nikita Fedosik, begleitet von einem Filmteam um Igor Plischke, vertiefen sich die Jungs in die Recherche. Sie staunen über einen Mann, der schon zu Schulzeiten mit vielen Social-Media-Kanälen und selbstgegründeten Firmen hervortrat und als Student („Theatre Design and Technology“) eigene Filme rausbrachte. Ein Selbstvermarktungstalent.
Bald ist die Pinnwand voll
Als ihre Pinnwand voll ist, wenden sich die Berliner an einen New Yorker Filmemacher, Ian Ross. Er soll sich dem Filmdieb gegenüber als Journalist mit Interesse an einer Homestory ausgeben – und vereinbart mit ihm Dreharbeiten, zu dem die Studenten anreisen. Sie tarnen sich als Mitarbeiter vom Ton, erleben die Selbstinszenierung von „Mr. F.“ und eine weitere Schilderung der angeblichen Entstehungsgeschichte von „T-130“.
Wie aber reagiert dieser Typ, wenn sie sich zu erkennen geben und ihn auf die Lüge ansprechen? Diese Frage steht im Raum, als der selbstbewusste „Mr. F.“ sein früheres Stottern erwähnt. Er beschreibt seine diversen Projekte und hochtrabende Ziele als Reaktion auf Erlebnisse in der Schulzeit. Unter der abgebrühten Hülle steckt offenbar ein sensibler Mensch.
Ian Ross mahnt zu einem Showdown mit Fingerspitzengefühl: „Das Schlimmste wäre, dass er sich selbst oder anderen etwas antut.“ Die Begegnung mit Henneberg und Drost vor laufender Kamera dürfe von „Mr. F.“ keinesfalls als Rachegeschichte empfunden werden.
Das Innehalten führt zu einem vorsichtigen Gespräch zwischen Betrogenen und Betrüger – und lässt die Doku zu einer Charakterstudie des Filmdiebs werden, von „Mr. F.“ selber skizziert. Ein Fehlerbewusstsein lässt sich bei dessen ersten Lobeshymnen auf den Originalfilm noch nicht wirklich ausmachen: „Ich finde, es hat nur der letzte Schliff gefehlt. Deshalb haben wir einige Szenen rausgeschnitten.“
Am nächsten Tag redet er von einem gedankenlosen Diebstahl und der Angst vor der Bedeutungslosigkeit, die ihn davon abhielt, die Lüge zu offenbaren. Als er eine Lehrerin erwähnt, die ihn vom Stottern befreite, kommen ihm die Tränen.
Für Henneberg und Drost ist diese Entschuldigung ein Triumph. Zurück in Deutschland, freuen sich über E-Mails, in denen „Mr. F.“ den Festivals seine Lüge gesteht, Pakete mit den Auszeichnungen und die Überweisung des Preisgelds.
Trotzdem gibt es in diesem Film Augenblicke, in denen man sich als Zuschauer fragt, wie sich die Veröffentlichung der Doku auf den reumütigen Täter auswirken könnte. Das Netz vergisst nichts, und im Film selbst wird sein Name genannt. Andererseits: Recht ist Recht, und „Mr. F.“ dankt ausdrücklich für die Möglichkeit zur Stellungnahme. Es wäre schon eine irre Geschichte, sollten die drei eines Tages wirklich, wie versöhnlich besprochen, ein gemeinsames Filmprojekt angehen. Mit „Mr. F.“ als Marketingchef.
Der talentierte Mr. F. – Die Jagd auf einen Filmdieb läuft in der ARD Mediathek.