DEL-Halbfinale: Mannheim muss gegen Berlin über sich hinauswachsen – Sport

Um 12.13 Uhr kommt der Ruf: „Abfahrt!“ Okay, sagt Leon Gawanke ins Telefon, „wir müssen denn jetz’ auch mal los“. Es ist Montagmittag, Gawanke und die Adler Mannheim starten nach dem Mittagessen Richtung Berlin, Halbfinale in der Deutschen Eishockey Liga. Für Gawanke eine Rückkehr in vertrautes Revier. Und zugleich eine Expedition in unbekanntes Terrain.

Gawanke, 25, ist in Berlin geboren, aufgewachsen in Reinickendorf, einem eher für Handball bekannten Kiez. Seine sportliche Grundausbildung hat er bei den Eisbären erhalten, ehe er mit 17 nach Nordamerika ging. Nach vielversprechenden Nachwuchsjahren gelang ihm aber weder in Winnipeg noch in San Jose der Sprung in die NHL. Und so kehrte Gawanke nach fünf Jahren und mehr als 250 Spielen in der American Hockey League, dem Unterbau der NHL, 2024 nach Deutschland zurück – nicht nach Berlin, sondern nach Mannheim, das bereits 2023 einen Vertrag mit ihm geschlossen hatte. Nun spielt er von Dienstag an gegen seine Heimatstadt um den Einzug ins DEL-Finale. Es wäre für ihn das erste Mal.

„Gegen Berlin zu spielen, wird für mich immer etwas Besonderes sein“, sagt Gawanke. Seine sportliche Heimat sei aber nun mal „fürs Erste“ Mannheim (sein aktueller Vertrag mit den Adlern läuft bis 2029), für ihn stehe „im Vordergrund, dass wir Berlin endlich mal schlagen“. Das hat in dieser Saison noch nicht geklappt: vier Spiele, vier Niederlagen. Tiefpunkt war zu Jahresbeginn ein verstörendes 3:9 gegen die Eisbären, die höchste Heimniederlage in Mannheims DEL-Geschichte. Und auch in den Playoffs erwies sich Berlin zuletzt immer als unüberwindbare Mauer, 2022 im Halbfinale und 2024 im Viertelfinale scheiterten die Adler jeweils am späteren Meister.

Auch im Viertelfinale gegen München lagen die Adler zurück. Dann setzte Mannheim ein Zeichen

Gawanke, Verteidiger mit WM-Silbermedaille von 2023, war neben Lukas Kälble, Tobias Fohrler und Marc Michaelis, alle ehemalige Adler-Talente, einer von mehreren deutschen Nationalspielern, die Mannheim vor der Saison holte, um den Kader zu verjüngen und zu stabilisieren – der letzte Meistertitel des ewigen Mitfavoriten liegt immerhin sechs Jahre zurück. Gawanke bescheinigt sich und den anderen, ein „solides Jahr“ gespielt zu haben. Dennoch landeten die Adler nach einer wechselvollen Hauptrunde nur auf Rang vier, 22 Punkte hinter Spitzenreiter Ingolstadt und 16 Zähler hinter Berlin. Auch im Viertelfinale gegen den EHC Red Bull München, dem Duell der beiden durch SAP verbandelten Schwergewichte, sah es nicht gut aus für das Team von Trainer Dallas Eakins. Nach drei Spielen mit insgesamt elf Gegentoren lag Mannheim 1:2  zurück.

„Wir können eine Top-Mannschaft sein, wenn wir über 60 Minuten konzentriert spielen“, sagt Gawanke. „Aber das haben wir nicht konstant hinbekommen.“ Bis zu jenem Spiel drei gegen München, als sie 2:5 verloren, sich aber im letzten Drittel wehrten, bisweilen über die Grenze des Erlaubten. Es hagelte mehr als 100 Strafminuten für beide Seiten, sogar der vor allem technisch beschlagene Kapitän Michaelis packte die Boxhandschuhe aus.

„Das ist ein bisschen ausgeartet“, sagt Gawanke. „Aber es war ein gutes Zeichen, dass jeder für jeden kämpft und sich niemand zu schade ist.“ Danach gewannen sie dreimal nacheinander und ließen in diesen drei Spielen nur noch vier Gegentore zu. Eakins lobte sein Team danach, es sei im Lauf der Saison gewachsen. Beispielhaft dafür steht Torhüter Arno Tiefensee, der mit nur 22 Jahren (Eakins: „a real young kid“) zum Rückhalt avancierte.

Gegen DEL-Rekordmeister Berlin müsse das Team weiter wachsen, sagt Gawanke, am besten über sich hinaus. „Wir müssen noch eine Schippe drauflegen, noch fokussierter sein, total on point, wenn wir den Weg bis zum Ende gehen wollen.“ Aber dann muss er auch mal los. Die Abfahrt nach Berlin wartet. Jeder Weg beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt.