Das neue „Schneewittchen“ ist einfach zu nett

Unterhalb der Neuschwanstein-Märchenburg liegt ein pittoreskes Fachwerkdorf bewohnt von einer sanft multikulturellen Bürgerschaft. Und über allem steht am Ende eine junge Königin. Wer jetzt kurz nachdenkt, glaubt, gerade einen Agitations-Propaganda-Film für eine starke Sozialpolitik gesehen zu haben.

Die Rückkehr in die gute alte Zeit 

Und weil oft das Wort „Erinnern“ an die Zeit mit einem gerechten König fällt, geht es in „Schneewittchen“ um die Rückkehr zu einem guten, alten, vorherigen Zustand. Was heute wie ein makaberer Witz wirkt. Bedenkt man, wie viele Jahre Vorlauf so eine neue Realverfilmung des Disney-Klassikers „Schneewittchen“ hat, ist klar, dass für „Schneewittchen“ Trump und die neoliberale Kettensägenpolitik noch nicht absehbar war. Dann sticht im Film auch noch Obamas Slogan „Hope“ heraus und nicht zufällig fällt einem auch wieder das „Care“ – das vorsorgende Kümmern – von Obama Care ein. So ist „Schneewittchen“ unfreiwillig zum politischen Nostalgiefilm geworden.

Gal Gadot als böse Königin und Rachel Zegler als Prinzessin Schneewittchen.
Gal Gadot als böse Königin und Rachel Zegler als Prinzessin Schneewittchen.
© Giles Keyte / Disney
Gal Gadot als böse Königin und Rachel Zegler als Prinzessin Schneewittchen.

von Giles Keyte / Disney

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Im Vorfeld gab es – angetrieben von der neuen Anti-Wokeness-Politik auch Diskussionen um Schneewittchen selbst: die Haare schwarz wie Ebenholz, aber die Haut jedenfalls weiß wie Schnee! Dieser eher keltische Typ ist hier aber durch Rachel Zegler verkörpert, die aber als halbkolumbianische Latina auch konservative Gebrüder-Grimm-Gralshüter nicht vor den Kopf stoßen kann.

Es dauert 90 Minuten bis zum Apfelbiss 

Überhaupt ist alles von Disney in einer irritationslosen Balance gehalten worden. Und selbst Schneewittchens pubertierendes Erwachen aus ihrem aschenputtelartigen Dasein ist ohne Furor. Und an Sex (nicht einmal an einen Kuss) ist gar nicht erst zu denken. Auf Geheiß der bösen Stiefmutterkönigin fegt Schneewittchen den Schlossboden singend von einer Vision des Mädchens, das sie gerne wäre.

Keine starke männliche Figur, geschweigedenn Prinz: Andrew Burnap als Robin-Hood-Verschnitt mit Rachel Zegler als Schneewittchen..
Keine starke männliche Figur, geschweigedenn Prinz: Andrew Burnap als Robin-Hood-Verschnitt mit Rachel Zegler als Schneewittchen..
© Giles Keyte / Disney
Keine starke männliche Figur, geschweigedenn Prinz: Andrew Burnap als Robin-Hood-Verschnitt mit Rachel Zegler als Schneewittchen..

von Giles Keyte / Disney

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In dieser bekömmlich lauwarmen Melange irritieren allerdings dramaturgische Mängel. Erst nach über anderthalb Stunden kommt der tödliche Apfelbiss, eilt ein Mann ans Totenbett. Aber Schneewittchens Märchenprinz (Andrew Burnap) ist eine Mogelpackung: ein schnöseliger Westentaschen-Robin-Hood, der bei der bösen Königin nur Mundraub in Form von Äpfeln begeht. „Someday My Prince Will Come“ – der große konservative Sehnsuchtssong der Zeichentrickversion von 1937 – fällt damit flach, ohne dass Schneewittchen im Gegenzug jetzt besonders emanzipiert wäre.

Und dann rennt der Film ohne Eleganz in die Zielgerade: Der Volksaufstand, den Schneewittchen hätte auslösen können, ist nur eine verunsicherte Neugierigen-Versammlung beim Showdown mit der bösen Königin und ihren Leibwächtern. Den gewinnt Schneewittchen, indem sie einfach die Soldaten daran erinnert, dass sie eine zivile Vergangenheit haben, also ihr martialisches Gebaren ablegen sollten. Es folgt ein blitzartiges „Schwerter zu Pflugscharen“ und ein Happy End ohne Hochzeit. Vielmehr verbeugt sich der unsubversive Räuberbubi vor seiner neuen Königin Schneewittchen. So gibt es keine einzige interessante Männerfigur mehr.

Die Sieben Zwerge malochen singend und glücklich 

Und die Sieben Zwerge? Hier gab es im Vorfeld noch Aufregung: Wie ist die Kleinwüchsigkeit dargestellt? Die sieben Worksong-Sänger wurden aber digital ins Märchenhafte verzerrt zu Heinzelmännchen-Gartenzwergen und fallen so aus einer politisch korrekten Diskussion raus. Wie die Nibelungen bei Wagner sind sie Kumpel, die Edelsteine aus einem Bergwerk klopfen. Im kapitalistischen US-Amerika wird das Frondienst-Malochen aber als reine Freude geschildert: „Heiho“!

So wären eigentlich wieder die bösen Figuren als Spannungsmomente gefordert: Die Königin („Superwoman“ Gal Gadot) zeigt sich denn auch als fiese Kleptokratin und komplette Narzisstin. Aber ihre Wutausbrüche lösen keinen Sturm aus, ihre Diabolik ist ohne Drastik. Dabei wäre ihre Herrschaftsmethode – Unzufriedenheit schüren und die Armen gegeneinander ausspielen – sogar noch politisch aktuell. Am Ende muss sie vom Spiegel hören: „Echte Schönheit kommt von innen!“ Womit wiederum Schneewittchen nicht das äußerlich schönste Mädchen der Welt sein muss, um die Schönste zu sein. Aber eine Kritik am Schönheitskult wird nicht formuliert.

In diesem Film wäre also eigentlich viel Zündstoff angelegt: Kapitalismuskritik, Pazifismus, Feminismus und sozialrevolutionär Subversives. Aber dem Film fehlt dazu der Biss – und Action. Viel zu mutlos schimmert durch, dass eine starke Sozialpolitik, Frieden und Zufriedenheit schafft. So bleibt „Schneewittchen“ nur nett – mit der ewigen Erkenntnis, dass Eitelkeit Todsünde ist.

Adrian Prechtel

Kino: Astor im Arri, Gloria,
Leopold, Cadillac
sowie Mathäser (auch OV)
und Cinema, Museum (OV)
R: Marc Webb (USA, 109 Min.)

Nur nett ohne Biss

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