Das neue Bistro Marie im Bundestag

Im Bundestag gibt es ein neues Bistro. Es ist für alle da. Ist das etwas Besonderes? Im politischen Berlin schon. Da wird fast jede Tür von Sicherheitsleuten bewacht. Hindurch darf nur, wer dazugehört und das beweisen kann. Ziemlich exklusiv. Im neuen Bistro wird dieses Prinzip auf den Kopf gestellt. Es ist das Gegenteil, nämlich inklusiv. In der Küche und im Service arbeiten auch Menschen mit Behinderung.

Dienstag, zwölf Uhr mittags: Die Sonne wärmt die Terrasse des Bis­tros Marie, benannt nach dem Parlamentsgebäude, in dessen Fuß es gebaut ist, das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Holzstühle, Holztische, ein Sonnenschirm, Menschen in Herbstjacken, die noch einmal Campari Spritz bestellen, bevor es zu spät ist. Drinnen schmecken Sommergetränke ja nicht. Die Campari-Spritz-Trinker sind eindeutig keine Politiker, sie tragen Schirmmützen und blättern in Reiseführern. Eine ältere Frau bittet um ein Sitzkissen. „Habe ich leider nicht“, antwortet ihr die Kellnerin. Die Frau bleibt trotzdem sitzen und bestellt einen Campari Spritz.

Luft, Sonne, Mittagessen

Pause mit Aussicht: Schöner kann man im Regierungsviertel kaum sitzen. Erst recht nicht mittags.
Pause mit Aussicht: Schöner kann man im Regierungsviertel kaum sitzen. Erst recht nicht mittags.Friederike Haupt

Vorm Bistro fließt direkt die Spree. Wer sehr lange Beine hat, kann die Füße hineinhalten. Am anderen Ufer blitzt die Glaskuppel des Reichstags im hellen Licht. Die Bäume leuchten grün, in den Spitzen aber schon orangefarben. Schöner kann man im Regierungsviertel kaum sitzen, den Kanzleramtsgarten mal ausgenommen.

Das wissen auch die Profis, so wie der Mann am Nachbartisch, der drei Handys vor sich liegen hat, die er alle paar Minuten checkt, während er dazwischen bei einer Tasse Kaffee den Blick in die Ferne richtet. Gibt es noch mehr als Politik? Ja, zum Beispiel Luft, Sonne, Mittagessen.

Die Karte listet Speisen für den kleinen Hunger (zum Beispiel Waldorfsalat) und für den großen (zum Beispiel Tafelspitz) auf, außerdem Angebote der Woche, etwa einen Linseneintopf für acht Euro, mit Knacker 10,50. Dieser erweist sich als Glücksgriff. Ein dampfender Teller, Linsen und Kartoffeln bissfest, der Schuss Essig mit entschlossener Hand beigegeben, die Wurst fett und würzig, wird von einem Körbchen begleitet, in dem drei Sorten knusprigen Brotes ruhen.

Genug gerechnet!

Andernorts in Mitte würde diese Auswahl allein mit fünf Euro zu Buche schlagen. Danach noch eine Tasse Kaffee. Die Milch dazu wird heiß im Kännchen serviert. Auch das bestaunt der Gast, der solche Qualität von Adressen kennt, die das Getränk für 5,50 Euro anbieten statt für 2,80 wie hier.

Genug gerechnet, heute wird gelebt! Dumm nur, dass die Mittagspause fast wieder vorbei ist. Ein paar Minuten noch in der Sonne, die Ausflugsschiffe „Pankow“ und „Bellevue“ ziehen auf dem Wasser vorbei, von Deck wird lustig gewinkt. Was war hier eigentlich, bevor das Bistro im Sommer aufmachte? Leere. Manchmal gelingt in Berlin auch mal etwas.