
Es soll eines der „größten Modernisierungspakete der letzten zehn Jahre“ sein: Mit mehr als 200 Maßnahmen einigen sich Bund und Länder auf einen radikalen Abbau staatlicher Vorschriften. Die Einigung über 58 steht allerdings noch aus. Ein wirklicher „Game Changer“ sei im Baurecht getroffen worden.
Bund und Länder haben ein umfassendes Paket von mehr als 200 Maßnahmen beschlossen, mit denen der Umgang der Bürger und der Unternehmen mit dem Staat radikal vereinfacht werden soll.
„Das ist ein wirklich großer Wurf, der uns hier gelungen ist“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz am Donnerstagabend nach dem Treffen mit den 16 Ministerpräsidenten im Kanzleramt.
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Der rheinland-pfälzische Landeschef und Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Alexander Schweitzer, sprach von „einem der größten Modernisierungspakete von Bund und Ländern der letzten zehn Jahre“. Allerdings wurde die Frage, ob der Bund Länder und Kommunen künftig für Folgewirkungen seiner Gesetze entlasten soll, auf eine Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz im ersten Quartal 2026 verschoben.
Merz, Schweitzer und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer betonten den umfassenden Ansatz, den man nun gemeinsam gehe: weniger Bürokratie, einfache und schnelle Verfahren, Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung. Man werde zum Beispiel praktische Erleichterungen für Senioren ermöglichen, sagte Merz.
So sollten Personalausweise für Personen über 70 Jahre in Zukunft unbegrenzte Gültigkeit haben und nicht ständig erneuert werden müssen. Im Baurecht werde es „massive Erleichterungen“ geben. „Wir regeln das in bestimmten Fällen künftig so, dass nur noch eine Anzeige und kein Antrag auf Genehmigung mehr erforderlich ist.“ Auch das Verfahren zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen werde deutlich beschleunigt.
Kretschmer erwähnte, dass es weitere 58 Punkte gebe, über die sich Bund und Länder noch nicht geeinigt hätten. Dabei geht es vor allem um das Planungs- und Baurecht. Der „Game Changer“, der aber in den Beratungen nach Teilnehmerangaben etwa von Umweltminister Karsten Schneider (SPD) abgelehnt worden sein soll, sei eine neue Definition von „Bauen im Bestand“. Vor allem die unionsgeführten Länder fordern, dass etwa die Verbreiterung einer Straße gar nicht mehr unter das Planungsrecht fallen sollte.
Streit um die Kosten wird vertagt
Keine Einigung erzielten Bund und Länder über die im Koalitionsvertrag festgelegte Reform der sogenannten Veranlassungs-Konnexität. „Wer bestellt, zahlt“, hatte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst dieses Prinzip genannt, das die Länder gerne einführen würden.
Das Bundesfinanzministerium hat aber wegen der damit verbundenen Kosten erhebliche Vorbehalte. Auch Merz sagte in der Pressekonferenz, dass man sehr wohl sehe, dass die mit rund 30 Milliarden Euro in diesem Jahr verschuldeten Kommunen nicht alleine gelassen werden dürften. Der im Sommer gewährte Zuschuss des Bundes von 13,5 Milliarden Euro über vier Jahre für die beschlossenen Steuerausfälle aus verbesserten Abschreibungsbedingungen und die Einführung der Körperschaftsteuer reichten nicht aus.
Die meisten Länder fordern, dass der Bund wie im Koalitionsvertrag vorgesehen alle Mehrkosten aus Leistungs- und Steuergesetzen für Länder und Kommunen übernehmen muss. Verhandlungslinie des Bundes ist es dagegen, nur die Kommunen zu entlasten und nur für die Mehrausgaben aus Leistungsgesetzen aufzukommen. Immerhin sei dies die erste Bundesregierung, die überhaupt bereit sei, über diese Kostenverteilung zu reden, lobte Schweitzer. Allerdings seien die Finanznöte der Kommunen derart groß, dass man auch kurzfristig helfen müsse.
Merz erwähnte, dass Ende Januar auch die Ergebnisse der Sozialstaatskommission vorliegen würden. Dann sollten Bund und Länder das Thema sehr grundsätzlich und umfassend diskutieren. „Da werden eben auch Leistungsgesetze des Bundes auf dem Prüfstand stehen. Können wir das in dieser Form noch finanzieren? Wenn nein, wie können wir das in Zukunft besser machen?“ Er habe den Kritikern des Rentenpakets I zudem eine grundlegende Reform des Rentensystems im kommenden Jahr zugesagt. „Ein Rentenpaket II muss folgen“, betonte er.
Kretschmer und Schweitzer betonten, dass der Bundesrat trotz der fehlenden Einigung über die Finanz-Konnexität nicht die Gesetze zur Absenkung der Gastro-Steuer und die Erhöhung der Pendlerpauschale aufhalten werde. „Das wird kommen, ist versprochen und das sind wir den Leuten auch schuldig“, sagte Kretschmer. Schweitzer betonte, dass die Länder auch nie mit einem solchen Zusammenhang zwischen einer Grundsatzreform und kurzfristigen Gesetzesprojekten gedroht hätten.
RTR/rct
