
Es passiert selten, dass sich ein Roman so tief einbrennt wie ein Albtraum. Dass er die eigene Seele erschüttert und sich dort für immer
festhakt. So sehr, dass man fast ein bisschen erleichtert ist, wenn man das
Buch nicht im Regal wiederfindet. Das große Heft von Ágota Kristóf ist so ein
Roman. Ausgerechnet er wurde nun am Hamburger Schauspielhaus inszeniert. Man
hat Angst davor, diesen Text auf der Theaterbühne zu erleben.
Der Roman erschien 1986 als Le grand cahier, die
ungarisch-schweizerische Schriftstellerin hatte ihn auf Französisch geschrieben. In knappen, analytischen Sätzen erzählt sie darin vom Schicksal
zweier namenloser Zwillingsbrüder, die zu Kriegszeiten zu ihrer Großmutter aufs
Land gebracht werden. Nahezu auf sich allein gestellt, müssen sie lernen, wie
man in einer Welt der Gewalt, des Hungers und des Elends überlebt. Wie man
unempfindlich wird gegen körperlichen und seelischen Schmerz. Wie man bettelt, stiehlt
und tötet. Diese Brüder sind weder gut noch böse, sie folgen einem inneren
Kompass, der sie manchmal zu Wohltätern, manchmal zu Richtern, manchmal zu
Mördern macht.
