Das Depot für unsichere Zeiten wappnen

Die Fieberthermometer an den Märkten steigen derzeit. Der V-Dax New, Maßstab für die Unsicherheit am deutschen Aktienmarkt, ist gerade bis auf 26 Prozent gestiegen. Das ist noch weit von panischen Zuständen entfernt, aber eine erhöhte Temperatur verglichen mit den 12 bis 15 Prozent, die in den vergangenen beiden Jahren üblich waren.

Immerhin hat der Dax binnen drei Handelstagen mehr als 1000 Punkte verloren. Zur Wochenmitte zeigte er sich wieder leicht erholt. Auch in New York wird an der Börse erhöhte Nervosität verspürt, wie seit dem Zinswendejahr 2022 nicht mehr. Gerade die umjubelten Tech-Aktien gerieten zuletzt arg unter Druck, der Tesla-Aktienkurs halbierte sich.

Was sollten Anleger nun tun? Dem Impuls folgen und alle Aktien verkaufen? Warum nicht. Von Gewinnmitnahmen ist bekanntlich noch niemand arm geworden. Die Aktienkurse stehen zwar nicht auf einem abenteuerlich hohen Niveau, aber in den vergangenen Jahren haben sich schon sehr ansehnliche Gewinne angehäuft. Der Dax hat noch nie in so kurzer Zeit so viele Tausender erstmals überschritten wie in den vergangenen 15 Monaten. Zugegeben, von 3000 auf 4000 Punkte ist der Weg deutlich weiter als von 22.000 auf 23.000, aber die Dynamik der vergangenen Wochen ruft geradezu nach einer Verschnaufpause. Ob es eine veritable Korrektur wird? Das weiß niemand.

Die Timing-Falle

Wer sich für die Verkaufsstrategie entscheidet, sollte aber auch den weiteren Weg bedenken. Soll das Geld länger geparkt werden? Viel mehr als zwei Prozent Zins sind dann nicht drin. Oder soll der Wiedereinstieg bald erfolgen? Hierzu lässt sich anmerken, dass „Hin und Her“ bekanntlich die „Taschen leer“ macht. Das gilt nicht nur für die anfallenden Handelsgebühren. Bis der Entschluss zum Wiedereinstieg gereift und in die Tat umgesetzt wird, vergeht meist zu viel Zeit. Die Kurse haben ihr Tief dann meist längst hinter sich gelassen.

Die Timing-Falle ist die vielleicht böseste an den Aktienmärkten. Jeder will gerne seine Aktien möglichst zu hohen Kursen verkaufen und zu einem Tief kaufen. Wie schief damit viele Anleger liegen, lässt sich jeden Tag beobachten. Es ist der Logik der Börse geschuldet. Auch auf Kurshochs wechseln Aktien den Besitzer – schön für den Verkäufer, blöd für den Käufer.

Wer abwartet, weil er erst zu einem Kurstief kaufen will, fährt eine heikle Strategie. Sie beginnt mit Warten, weil die Aktienkurse ja gerade so stark gestiegen sind. Aber dann steigen sie immer weiter und weiter, ein Rekord folgt dem nächsten. Und es wird weiter gewartet. Motto: Jetzt ist es ja ohnehin zu spät. Falsch. Der Falle kann nur entkommen, wer sich immer wieder vor Augen hält, dass es nie zu spät ist, dass sich am Aktienmarkt täglich neue Chancen ergeben. Wer auf dem Rekord von 17.000, 18.000, 19.000 oder 20.000 Punkten gekauft hat, steht immer noch gut da. Oft ist die Timing-Falle nur eine Ausrede für die eigene Trägheit. Eine teure Trägheit, wenn man auf die vergangenen Jahrzehnte am Aktienmarkt zurückblickt.

Manche hadern mit dem MSCI World

Zum Glück ist der Aktienmarkt aber kein Hopp oder Top. Jeder kann sein Risiko selbst dosieren. Zwischen den Varianten „Ich verkaufe jetzt sofort alle Aktien“ und „Ich setze nun alles auf Nvidia, die sind gerade so tief gefallen“, gibt es jede Menge Schattierungen. Die Hälfte-Strategie hat sich aus psychologischer Sicht bewährt. Wer zweifelt, ob er nun lieber verkaufen soll, verkauft einfach die Hälfte. Falls es wieder aufwärts geht, ist man dabei. Und falls es weiter abwärts geht, ist immerhin eine Hälfte in trockenen Tüchern. Das gilt auch für den Einstieg. Wer zweifelt, investiert jetzt einfach die Hälfte und wartet mit der anderen noch ab.

Manche hadern mit dem MSCI World. Der ist und war immer amerikalastig, weil Amerika das reichste Land der Welt ist mit hoher Kapitalmarktaffinität und entsprechend vielen an Börsen zugänglichen und erfolgreichen Unternehmen. Der MSCI World ist auch techlastig, weil Technologie an den Märkten als die Zukunft gilt – im Sinne von Digitalisierung, von Erleichterungen für unser Leben, auch durch Künstliche Intelligenz. Auch hier hilft im Zweifel die Hälfte-Strategie. Niemand muss nur einen Sparplan besparen. Die meisten Sparpläne sind so günstig und mit niedrigen Hürden versehen, dass es nicht mehr kostet, das Geld auf zwei oder mehr ETF-Sparpläne aufzuteilen. Halb MSCI World, halb Dax, oder Euro Stoxx 50. Auch Nebenwerte wie der M-Dax oder aufstrebende Märkte wie der MSCI India können beigemischt werden.

Verluste auf maximal 25 Prozent begrenzt

Einen interessanten Ansatz fährt der Bad Homburger Vermögensverwalter Antecedo. Gründer und Fondsmanager Kay Tönnes hat hohes Vertrauen in die Zukunft der Künstlichen Intelligenz. „Die Wachstumsschätzungen gehen davon aus, dass aus heute 200 Milliarden Euro Umsatz mit KI in sechs Jahren 1,3 Billionen Euro werden – das ist in etwa die Entwicklung, für die China 20 Jahre gebraucht hat von 1980 bis 2000.“ Tönnes setzt in seinem Flaggschifffonds Defensive Growth daher auf den Tech-Aktienindex Nasdaq-100, aber mit eingebauter Absicherung. Mindestens die Hälfte des Fondsvermögens liegt in den Aktien des Nasdaq-100, der Rest in Derivaten. Der Fonds verkauft zum Beispiel Optionen auf die gehaltenen Aktien und kauft mit den Erlösen Absicherungsinstrumente gegen Kursrückgänge. Unterm Strich verspricht der Fonds daher, maximal Verluste von zehn Prozent im Jahr zuzulassen.

Diese Risikoabsicherung wird mit einer etwas gedämpften Chance nach oben bezahlt. 70 Prozent der Gewinne des Nasdaq-100 macht der Fonds nach oben mit. Mit der Strategie findet Tönnes bisher vor allem bei institutionellen Kunden Anklang, er zählt viele Dax-Konzerne zu seinen Kunden und hat etliche Preise gewonnen. Künftig will er sich aber vermehrt auch öffentlich präsentieren und das Angebot für Privatanleger auf weitere Indizes ausbauen.

Neben dem Flaggschiff Defensive Growth gibt es seit einem Jahr auch den Antecedo Growth Supreme, der nach oben mindestens die Rendite des Nasdaq-100 liefert, nach unten aber die Verluste auf maximal 25 Prozent begrenzt. Dazu gibt es mit dem Independent Invest einen Fonds, der unabhängig von den Marktbewegungen positive Erträge mit Derivatestrategien verspricht, zuletzt waren es in der Regel rund sechs Prozent im Jahr.

Ob es angesichts der Schuldenpläne in Europa, speziell in Deutschland und sowieso in Amerika, klug ist, derzeit sein Geld in vermeintlich sichere Anleihen umzuschichten, ist fraglich. Nach den Mitteilungen aus den Sondierungen von CDU, CSU und SPD, künftige Ausgaben für Militär und Investitionen vornehmlich über eine deutlich höhere Verschuldung zu finanzieren, ist die Rendite der Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit von knapp 2,5 auf gut 2,9 Prozent gestiegen. Der Kurs entsprechender Bundesanleihen ist um drei Prozent gefallen. Wer es etwas ruhiger haben will, parkt sein Geld in Geldmarkt-ETF, die sich am EZB-Einlagenzins orientieren und derzeit entsprechend ziemlich verlässlich 2,5 Prozent Rendite liefern.

Der bislang erfolgreichste Umgang mit nervösen Phasen an den Aktienmärkten war indes vom Primat der Geduld gekennzeichnet, nicht von hektischem Verkaufen oder Umschichten. Wer von weltwirtschaftlichem Vorankommen auch in der Zukunft ausgeht, weil die Bedürfnisse der Menschheit längst noch nicht gestillt sind, und sein Geld daher breit streut über Fonds und Indizes in erfolgreichen Unternehmen anlegt, der dürfte auch künftig im Jahresschnitt gut acht Prozent Rendite erwarten. Eine Garantie gibt es dafür nicht. Diese Unsicherheit der Aktienmärkte wird mit einer höheren Prämie für das Risiko entgolten. Phasen erhöhter Unsicherheit können daher auch immer wieder als Chance begriffen werden, für höhere Risiken noch besser bezahlt zu werden.