Darum geht es im Konflikt der USA mit Venezuela

Die größte Mobilisierung amerikanischer Truppen in der Karibik seit Jahrzehnten sorgt für Spannung in der Region: Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge und ein Flugzeugträger kreuzen vor Venezuelas Küste – offiziell im Einsatz gegen den Drogenhandel, inoffiziell als Machtdemonstration gegen Nicolás Maduro. Hinter der militärischen Präsenz steht ein geopolitisches Kalkül. Ein Überblick, worum es im Konflikt der Vereinigten Staaten mit Venezuela geht.

1. Drogen

Die Vereinigten Staaten sind der weltweit wichtigste Endmarkt für illegale Drogen. Ein großer Teil des Rauschgiftes stammt aus Lateinamerika und wird über Zentralamerika, Mexiko und die Karibik in die USA geschmuggelt. Zu einem wachsenden Problem hat sich dabei insbesondere die Verbreitung synthetischer Opioide entwickelt, insbesondere von Fentanyl. Dessen Konsum ist für den Tod von Zehntausenden US-Bürgern verantwortlich. Unlängst erklärte Trump Fentanyl zur Massenvernichtungswaffe. 

Fentanyl wird praktisch ausschließlich in Mexiko produziert. Die chemischen Vorläuferstoffe stammen überwiegend aus China. Kokain stammt derweil vor allem aus Kolumbien, Peru und Bolivien und gelangt meist über Zentralamerika und Mexiko in die USA – also über die Pazifikroute.

Venezuela hat sich hingegen in den vergangenen Jahren zu einem Transitland für den Kokainschmuggel entwickelt, das für den US-Markt jedoch nicht besonders bedeutend ist.

Trump hat dem Rauschgifthandel den Kampf angesagt. Seine Regierung hat Drogenkartelle und andere Verbrechersyndikate in Lateinamerika zu internationalen Terrororganisationen erklärt. Um den Rauschgifthandel aus Lateinamerika zu bekämpfen, setzt Washington inzwischen auf sein Militär. Mehr als 20 Boote, die in Washington als Schmugglerboote identifiziert wurden, sind in den vergangenen Monaten abgeschossen worden. Dabei wurden nach amerikanischen Angaben mindestens 90 Menschen getötet.

Die überwiegende Mehrheit der Angriffe erfolgte in der südlichen Karibik, einzelne auch im Pazifikraum. Das Weiße Haus entgegnet Kritikern, die Angriffe seien rechtmäßig, da sie durchgeführt würden, um das Leben von US-Bürgern zu schützen.

2. Regimewechsel

Die USA werfen Maduro vor, einer der Köpfe des sogenannten Cartel de los Soles zu sein, eines mutmaßlichen Netzwerks ranghoher Militärs und Staatsfunktionäre, das den Kokainschmuggel über Venezuela erleichtert und daran mitverdient. Staatliche Strukturen wie Flughäfen, Häfen und Grenzübergänge würden genutzt, um Drogenlieferungen durch das Land zu schleusen und zu exportieren.

Die Vorwürfe stützen sich vor allem auf Zeugenaussagen ehemaliger Kartellmitglieder und Untersuchungen zu Schmuggelrouten. Die US-Justiz hat Maduro auf dieser Grundlage wegen „Narco-Terrorismus“ angeklagt und eine Belohnung von 50 Millionen Dollar für Hinweise ausgesetzt, die zu seiner Festnahme führen. Das „Sonnenkartell“ wurde in diesem Jahr als Terrororganisation eingestuft.

Trump legte Mitte Dezember nach, indem er in einem Beitrag in den sozialen Medien schrieb, dass das „venezolanische Regime zu einer ausländischen terroristischen Organisation“ erklärt worden sei. Caracas weist alle Vorwürfe als politisch motiviert zurück und spricht von einem Vorwand für einen Regimewechsel.

Seit 2018 erkennt Washington Maduro nicht als legitimen Präsidenten an. Damals hatte sich Maduro ein weiteres Mal unter dem Ausschluss der Opposition zum Präsidenten wählen lassen. Als Maduro sein Mandat antreten wollte, rief die Opposition den damaligen Parlamentsvorsitzenden Juan Guaidó zum Übergangspräsidenten aus. Washington und kurz darauf die meisten anderen westlichen Regierungen schlugen sich auf Guaidós Seite.

Doch der internationale Druck reichte nicht aus, um Maduro ins Wanken zu bringen, der weiter auf die Loyalität der Armee zählen konnte. Wie schon in den Jahren zuvor wurden die Kundgebungen der Opposition mit Gewalt erstickt und etliche Oppositionelle verfolgt und willkürlich verhaftet. Dem Regime und seinen Sicherheitskräften werden schwere Menschenrechtsverletzungen angelastet.

Das Szenario wiederholte sich bei der Präsidentenwahl im vergangenen Jahr, als die Opposition unter der Führung der heutigen Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado mithilfe von zusammengetragenen Wahlprotokollen aus etlichen Wahllokalen den Sieg ihres Kandidaten beweisen konnte, Maduro sich jedoch ohne Grundlage zum Sieger ausrufen ließ und sich damit vollends als Diktator entlarvte.

3. Öl

Sanktionen gegen Venezuela sind das zentrale Druckinstrument Washingtons im Konflikt mit dem Maduro-Regime. Seit 2015 schrittweise eingeführt und nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl 2018 deutlich verschärft, zielen sie auf Personen des Machtapparats, staatliche Institutionen und vor allem den Ölsektor.

Mit dem faktischen Embargo gegen den staatlichen Ölkonzern PDVSA von 2019 an sollte dem Regime die wichtigste Einnahmequelle entzogen und politischer Druck für einen Machtwechsel erzeugt werden. Zwar schwächten die Sanktionen den Staatshaushalt massiv und beschleunigten den wirtschaftlichen Niedergang Venezuelas, sie führten jedoch nicht zum Sturz Maduros.

Durch die Sanktionen schnitten sich die USA zudem selbst den Zugang zu den größten nachgewiesenen Erdölreserven der Welt ab. Lange Zeit, selbst noch unter Maduros Vorgänger Hugo Chávez, waren die USA der wichtigste Abnehmer des venezolanischen Erdöls. In Texas sind ganze Raffineriekomplexe auf das schwere venezolanische Öl ausgerichtet. China wurde zum wichtigsten Abnehmer.

Eine zentrale Rolle bei der Umgehung der Sanktionen spielt Venezuelas sogenannte Schattenflotte – ein Netzwerk aus Öltankern, häufig mit wechselnden Flaggen, undurchsichtigen Eigentümerstrukturen und abgeschalteten Ortungssystemen.

Über diese Schiffe wird venezolanisches Öl verdeckt exportiert, oft mit Umladungen auf hoher See, falschen Herkunftsangaben oder Vermischung mit anderem Rohöl.

Iran ist dabei der wichtigste operative Partner, indem es Venezuela in die eigene Logistik einbindet, die seit Jahren zur Umgehung der US-Sanktionen genutzt wird. Teheran liefert Venezuela überdies Treibstoff, den es selbst nicht ausreichend produzieren kann, sowie Chemikalien, um das schwere venezolanische Öl zu verdünnen. Außerdem sind iranische Ingenieure maßgeblich an der Instandhaltung der maroden venezolanischen Erdölanlagen beteiligt.

Mit der Beschlagnahmung zweier Öltanker in der Karibik hat Trump deutliche Zeichen gesetzt, diese Schattenwirtschaft nicht mehr länger zu dulden. Trump hat zudem die Blockade aller sanktionierten Schiffe angedroht, die in Venezuela an- oder ablegen. Die Blockade von Tankern soll Maduro vollends die Luft abschnüren.

Droht ein Krieg?

Die USA setzen neben wirtschaftlichem und nun auf militärischen Druck, um innerhalb des Regimes in Caracas Risse zu erzeugen und Maduro zu einem Rücktritt zu zwingen. Die Frage ist, wie stark dieser Druck noch erhöht werden kann. Trump hat in den vergangenen Wochen immer wieder die Möglichkeit von militärischen Angriffen auf Ziele innerhalb Venezuelas in Betracht gezogen, die mit dem Rauschgifthandel in Verbindung stehen. Da der venezolanische Staat als ein Akteur des „Narco-Terrorismus“ angesehen wird, könnte es sich dabei um jedes Ziel handeln.

Eine groß angelegte Invasion in Venezuela wird aufgrund der Truppenstärke in der Karibik derzeit eher ausgeschlossen. Das gilt jedoch nicht für gezielte Luftangriffe oder Operationen von Spezialeinheiten innerhalb Venezuelas. Militärische Aktionen auf venezolanischem Territorium wären das letzte Druckmittel, um Maduro in die Knie zu zwingen. Doch sie wären mit einem extremen Eskalationsrisiko und hohen politischen Kosten verbunden.