Darts-WM: „Was machst du?“ – Enttäuschendes Aus für Ricardo Pietreczko

Ricardo Pietreczko scheitert bei der Darts-WM frühzeitig an einem Außenseiter aus Schweden. Erneut präsentiert sich die deutsche Nummer zwei zu schwankend. Nach dem Aus schweigt Pietreczko.

Eigentlich hatte Ricardo Pietreczko den Brustlöser schon zelebriert, um so richtig auf der Bühne anzukommen. Die deutsche Nummer zwei im Darts hatte gerade nach Sätzen zum 1:1 ausgeglichen – und dabei ein echtes Statement gesetzt. 158 Punkte, das sechsthöchste Finish im Darts, unter größtem Druck seines Gegners gelöscht. Pietreczko schlug sich wild auf die Brust, brüllte in Richtung seines Anhangs. Wer allerdings dachte, dass er seine Aufgabe in der dritten Runde der WM damit gelöst und den Schweden Andreas Harrysson aus dem Konzept gebracht hatte, irrte.

„Pikachu“ hatte bei dieser WM bislang eine wilde Achterbahnfahrt erlebt. Erst überstand er Kreislaufprobleme gegen den Portugiesen José de Sousa in Runde eins, dann einen Matchdart und eine zitternde Hand gegen den Engländer Dave Chisnall in Runde zwei.

Das Spiel gegen Andreas Harrysson, in das Pietreczko als klarer Favorit gegangen war, war eine Achterbahnfahrt zu viel. „Pikachu“ schied enttäuschend mit 2:4 aus. Gegen den bärtigen Schweden, der nur als Nummer 114 ins Turnier gestartet war, präsentierte sich der 31-jährige Deutsche erneut schwankend. Mal verlor er vier Legs in Folge, wie etwa unmittelbar nach dem beschriebenen 158er-Finish. Es fehlte zeitweise völlig die Höhe auf die Triplefelder. Dann checkte er wieder 116 Punkte, um sich auf den Weg zum 2:2-Satzausgleich zu machen, nur um kurze Zeit später eine Aufnahme mit zehn Punkten einzustreuen.

Publikum bringt Pietreczko aus dem Konzept

„Was machst du?“, fragte sich Ricardo Pietreczko nach der völlig verkorksten Aufnahme. Lippenlesen leicht gemacht. Die entscheidende Statistik: Pietreczko verpasste mehr als doppelt so oft das Triple komplett wie Harrysson. So kam er dem Schweden auch im fünften Satz nicht hinterher – Pietreczko stand beim Stand von 2:3 mit dem Rücken zur Wand.

Danach brachte Pietreczko auch noch das Publikum aus dem Konzept. Der Deutsche musste zu Beginn des sechsten Satzes vor einer seiner Aufnahmen noch einmal absetzen, offenbar weil es aus dem Publikum Pfiffe gegeben hatte. Schiedsrichter Charlie Corstorphine hielt eine kurze Ansprache an die Fans, appellierte derartiges Verhalten zu unterlassen.

Die Fans hatten Pietreczko eigentlich unterstützt. Schon am Mittag während des Spiels von Jonny Clayton, der nun auf Harrysson im Achtelfinale wartet, hatten die deutschen Fans das Zepter im Ally Pally übernommen. „Ohne Deutschland wäre hier gar nichts los“, sangen die Zuschauer. Traditionell bekam auch Borussia Dortmund per Schmähgesang sein Fett weg.

Der Fußballverein gilt als gern besungenes Ziel in Partylocations, in denen sich besonders viele Deutsche tummeln, wie es im Ally Pally nach Weihnachten traditionell der Fall ist. Die Gesänge gibt es etwa auch im Bierkönig und Megapark auf Mallorca regelmäßig.

Wie viel BVB-Stürmer Maximilian Beier, der den Abend genauso wie Gladbach-Star Tim Kleindienst im Ally Pally erlebte und zeitweise am DAZN-Mikrofon als Experte fungierte, davon mitbekam? Er dürfte genauso wie Pietreczko vor allem die vielen „Pikachu“-Rufe wahrgenommen haben, die aus dem deutschen Lager kamen. Sie halfen nicht.

Keine Aussagen nach der Niederlage

Harrysson sorgte mit einem 146er-Finish zum Break für die Vorentscheidung, verwandelte im Anschluss seinen zweiten Matchdart auf der Doppel-19. Es war der größte Sieg seines Lebens, wie Harrysson später auf der Pressekonferenz zugab. Pietreczko wollte sich im Anschluss nicht äußern, gab weder den übertragenden Sendern Sport1 und DAZN noch den wartenden Printjournalisten Antworten auf ihre Fragen.

Pietreczkos Niederlage liefert einen Vorgeschmack auf das, was am Sonntag blühen könnte. Dann steht bei der WM zwar ein deutscher Festtag an. Am Mittag trifft Martin Schindler in seiner Drittrundenpartie zunächst auf Ryan Searle (13.40 Uhr/Sport1 und DAZN), am Abend spielen dann hintereinander der frühere Halbfinalist Gabriel Clemens auf den Weltranglistenzweiten Luke Humphries (ca. 21.30 Uhr) und Debütant Arno Merk auf Superstar Michael van Gerwen (ca. 22.40 Uhr). Clemens und Merk sind in ihren Spielen allerdings klare Außenseiter, auch Schindler erwartet mit Searle eine knifflige Aufgabe. Die deutschen Träume auf einen großen Coup könnten durch das Aus Pietreczkos, der das leichteste Los der Deutschen erwischt hatte, schneller vorbei sein als erwünscht.

Darts-WM 2026, Ergebnisse 3. Runde

Wesley Plaisier (NED) – Krzysztof Ratajski (POL) 3:4

Andrew Gilding (ENG) – Luke Woodhouse (ENG/25) 1:4

Jonny Clayton (WAL/5) — Niels Zonneveld (NED) 4:3

ab 20.15 Uhr:

Andreas Harrysson (SWE) – Ricardo Pietreczko (D) 4:2

Stephen Bunting (ENG/4) – James Hurrell

Luke Littler (ENG/1) – Mensur Suljovic (AUT)

Luca Wiecek ist Sportredakteur für WELT. Er berichtet bis Silvester in London aus dem Alexandra Palace.