Darts-WM: Rekord-Average von 140,91 – danach bricht Luke Littler in Tränen aus

Luke Littler ist mit einem Moment für die Ewigkeit in seine zweite Darts-WM gestartet. Der Vizeweltmeister spielte bei seinem Sieg einen unglaublichen letzten Satz. Unmittelbar nach dem Rekord wurde der Druck deutlich, unter dem der 17-jährige Superstar steht.

Es schien alles auf einen lockeren Aufgalopp hinauszulaufen. Luke Littler hatte in seinem Auftaktmatch der Darts-Weltmeisterschaft zwei der ersten drei Sätze gegen Ryan Meikle gewonnen. Sein Average hatte sich in den mittleren 90-ern eingependelt, die Zuschauer waren zufrieden. Littler hatte die Fans zudem mit jeweils fünf perfekten Würfen in Folge gleich zweimal vom 9-Darter träumen lassen. Es muss ja auch noch ein wenig Luft nach oben bleiben.

Dann jedoch kam der vierte Satz. Dass er mit dem Durchgang den 3:1-Pflichtsieg perfekt machte, entsprach den Kräfteverhältnissen am Board. Die Art und Weise unterstrich jedoch ein weiteres Mal, welch Ausnahmespieler da in dieser Saison auf die Profitour gekommen ist.

Der 17-Jährige startete mit sechs perfekten Darts ins erste Leg, mit acht ins zweite, und selbst im letzten waren es zwei Triple-20 zur Eröffnung. Mit elf, zehn und noch einmal elf Würfen löschte er die 501 Punkte und stellte mit der Serie einen Rekord auf. Nie zuvor in der WM-Geschichte hatte ein Spieler einen Satz-Average von 140,9 Punkten gespielt. Über das gesamte Match stand er bei 100,85, warf zehn 180-er.

„Es war eines der härtesten Matches, die ich je gespielt habe“, sagte er und deutete die mentale Ausnahmesituation an, in der er sich aufgrund des Rummels und der Erwartungen an seine Person befindet: „Dabei war bis zum Beginn alles normal verlaufen. Es klappte beim Einwerfen gut, auch auf der Bühne. Ich war dann aber offenbar ein wenig nervös, musste mein Spiel erst finden. Aber das hat dann ja im letzten Spiel ganz gut geklappt.“

Allerdings nur bis zum Ende des finalen Durchgangs. Direkt im Anschluss wurde deutlich, wie groß der Druck ist, der auf den Schultern des Teenagers lastet. In den Medien ist er omnipräsent, seit er vor einem Jahr bei seiner ersten WM als 16-Jähriger bis ins Finale gestürmt war. Er hat in den folgenden Monaten eine ganze Reihe bestens ausstaffierter Werbeverträge eingesammelt, darunter etwa eine mit seinem Namen gebrandete Xbox-Reihe.

Littler verkauft 100.000 Dartboards

Am Ende seines ersten Jahres auf der Profitour wird er in der Weltrangliste auf Platz vier geführt. Allein das klingt schon besonders, ist tatsächlich aber kaum zu fassen, wenn man weiß, dass das Ranking auf Basis der in den vergangenen 24 Monaten gewonnen Preisgelder errechnet wird. Mit anderen Worten: Nur drei Spieler erreichten in zwei Jahren mehr als Littler in einem, noch dazu seinem ersten.

Bei Google war er im Jahr 2024 in Großbritannien der meistgesuchte Sportler. Nur Kate, die Pricess of Wales, und Donald Trump wurden noch häufiger eingegeben. Littler hat sein Heimatland durchdrungen – bis in die Kinderzimmer. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete, dass Target Darts, Littlers Sponsor, damit rechne, bis Weihnachten mehr als 100.000 Magnet-Dartscheiben für Kinder mit Littlers Brand verkauft zu haben. Die Mitgliederzahl der für Kinder gegründeten Junior Darts Corporation hat sich zuletzt auf mehr als 3000 verdoppelt.

Sie alle wollen ihn siegen sehen, was genau das aber eben nicht unbedingt leichter macht. Das obligatorische Siegerinterview auf der Bühne musste er am Samstagabend nach nur einem Satz abbrechen. „Ich bin so langsam gestartet“, begann er seine Matchzusammenfassung, dann blieb die Stimme weg, und Tränen schossen ihm in die Augen.

Littler ging zu seinem Tisch, gönnte sich einen Schluck Wasser, war aber nicht mehr imstande, das Gespräch fortzusetzen. Er verließ die Bühne und eilte in die Arme seiner Eltern. Erst weinte er an der Schulter seiner Mutter, dann fiel er seinem Vater um den Hals. Anschließend stand das Trio eng umschlungen zusammen.

„Es war alles okay, aber als dann die Frage kam – Bumm“, beschrieb „The Nuke“ (die Atombombe) die Situation später. „Ich kann mich auch an nichts mehr in diesem letzten Satz erinnern. Es ging einzig und allein darum, das Spiel zu gewinnen.“

Genau das wird von ihm auch wieder nach Weihnachten erwartet, wenn er in seinem Drittrundenmatch auf Ritchie Edhouse oder Ian White trifft. Es dürfte erneut nicht leicht werden. Was angesichts seines einzigartigen Talents allerdings nicht bedeutet, dass es nicht wieder zum nächsten Rekord reichen könnte.

Wenn Lutz Wöckener nicht gerade irgendeinen Sport im Selbstversuch ausprobiert, schreibt er über Darts und Sportpolitik, manchmal aber auch Abseitiges wie Fußball.

Darts-WM, Ergebnisse, 21.12.

1. Runde

Karel Sedlacek (CZE) – Rhys Griffin (WAL) 0:3 (2:3, 2:3, 0:3)

Richard Veenstra (NED) – Alexis Toylo (PHI) 0:3 (2:3, 2:3, 2:3)

2. Runde

Brendan Dolan (NIR/30) – Lok Yin Lee (HKG) 3:0 (3:2, 3:0, 3:1)

Chris Dobey (ENG/15) – Alexander Merkx (NED) 3:1 (3:1, 3:0, 0:3, 3:1)

Danny Noppert (NED/13) – Ryan Joyce (ENG) 1:3 (3:1, 2:3, 1:3, 2:3)

Raymond van Barneveld (NED/32) – Nick Kenny (WAL) 1:3 (1:3, 2:3, 3:0, 2:3)

Luke Littler (ENG/4) – Ryan Meikle (ENG) 3:1 (3:2, 1:3, 3:1, 3:0)

Damon Heta (AUS/9) – Connor Scutt (ENG) 3:1 (2:3, 3:0, 3:2, 3:0)

Darts-WM, Spielplan am 22.12.

2. Runde (ab 13.30 Uhr)

Ryan Searle (ENG/20) – Matt Campbell (CAN)

Dirk van Duijvenbode (NED/25) – Madars Razma (LAT)

Joe Cullen (ENG/23) – Wessel Nijman (NED)

Ritchie Edhouse (ENG/29) – Ian White (ENG)

2. Runde (ab 20 Uhr)

Martin Schindler (D/22) – Callan Rydz (ENG)

Ross Smith (ENG/19) – Paolo Nebrida (PHI)

Gary Anderson (SCO/14) – Jeffrey de Graaf (NED)

Dimitri Van den Bergh (BEL/11) – William O‘Connor (IRL)/Dylan Slevin (IRL)