Darf man vegane Wurst Wurst nennen? Ja – und hier ist der Grund. · Eat this!

„Warum nennt ihr das Wurst?“, „Warum steht da ‚Chicken‘, wenn gar kein Huhn drin ist?“, „Milch darf doch nur Milch heißen, wenn sie von Tieren kommt!“.

Diese Fragen kennen wir doch wahrscheinlich alle – manchmal ehrlich interessiert, manchmal eher empört gestellt. Und dabei ist es völlig egal, ob man selbst vegan lebt oder nicht.

Vor Jahren hatten wir hier in den Kommentaren schon einmal die Diskussion, ob es nicht sinnvoller wäre, eigene Bezeichnungen für vegane Alternativprodukte zu finden. Wir konnten diesen Gedanken damals nachvollziehen. Klar, es wäre irgendwie logisch, pflanzliche Produkte auch sprachlich von tierischen zu trennen. Aber dann stellt sich die Frage: wie genau? Und vor allem – warum überhaupt?

Die vegane Wurst kommt vom Wursten

Über die Jahre wurde ich mehr als einmal von Omnis in meinem direkten Umfeld gefragt, warum „unsere“ veganen Produkte denn unbedingt in Form und Optik den „echten“ Würsten, Burgern und Steaks ähneln müssten. Und ganz ehrlich? Irgendwie fühlte ich mich geschmeichelt. So nach dem Motto: „Ha, du kannst es doch selbst nicht mehr unterscheiden!“

Meine Gegenfrage war dann meistens: Wie genau sollen wir denn vegane Produkte formen, damit Omnis sich nicht derart betrogen fühlen? Ernst gemeinte Antworten oder konkrete Vorschläge gab es darauf nie.

Weil es schlicht und ergreifend nicht geht – zumindest nicht wirklich sinnvoll. Bratwürste sind schließlich aus Gründen so geformt, wie sie sind. Blau einfärben und in eine hexagonale Form pressen wäre erstens derbe unpraktisch und als fertiges Produkt auch nicht wirklich appetitlich. Ein zylindrisch-hohles Seitan-Steaks? Möglicherweise Anwärter auf den nächsten TikTok-Trend, aber spätestens beim Anbraten ein absolutes Desaster („Wie vieles, was man so auf TikTok sieht!“, meckert der alte Mann). Und beim Essen erst! Ich seh‘ die Dinger schon wie in einem guten alten Loriot-Sketch durch die Gegend fliegen.

Genauso verhält es sich mit Käse. Die Hilfsmittel zur Herstellung sind schon da, die Herstellung von Original- und Faux-Käse ist ähnlich und das Ergebnis sieht als Masse auch wieder aus, wie … Käse aus Tiermilch. Und das ohne irgendein „veganes“ Zutun.

Das Argument, dass Begriffe geschützt werden müssten, zieht auch nicht. Das Wort „Käse“ stammt vom lateinischen „caseus“ – und selbst der Duden sagt: „(von Milch o. Ä.) gerinnen, zu Käse werden“. Der Begriff Wurst kommt vom Handwerk des Wurstens – der 15-Jährige in mir kichert. Und die Bezeichnung wiederum vermutlich aus dem Indogermanischen. Bedeuten tut sie so viel wie „vermengen“ oder „drehen“. Und genau das macht auch ein veganer Wursthersteller, wenn er pflanzliche Currywurst oder Seitan-Chorizo produziert.

Wurst heißt nicht Wurst, weil sie mal ein Schwein war. Wurst heißt Wurst, da sich irgendein kluger Kopf mal gefragt hat, wie er das Ding jetzt nennen soll, welches er gerade gewurstet – erneutes Kichern –, beziehungsweise vermischt hat und zum Schluss kam, es wäre doch am einfachsten, es nach dem Herstellungsprozess zu nennen.

„Ihr“ und „Wir“ … muss das sein?

Mit neuen Namen für vegane Wurst und veganen Käse grenzen sich vegan lebende Menschen erneut ab von der breiten Masse – in einer Zeit, in der der Veganismus so gesellschaftsfähig und in Anbetracht der Klimadiskussionen so wichtig ist wie nie zuvor.

Ich selbst brauche keine Massen-Akzeptanz. Ich käme zur Not auch ohne klar. Die nach wie vor nicht wirklich abreißen wollende Medienpräsenz macht jedoch erstens das Leben schlicht um einiges einfacher und zweitens wird dadurch ja auch Hintergrundwissen über das vegane Leben und ethische Entscheidungen vermittelt.

Wozu also eine optische und sprachliche Abgrenzung erzwingen? Die wenigsten von „uns“ wurden als Veganer geboren, sondern verbinden mit vielen dieser Lebensmittel positive Erinnerungen aus einer präveganen Zeit. Genau deshalb machen „Ersatzprodukte“ – ein Begriff, den ich übrigens als ziemlich abwertend empfinde, ihn aber trotzdem benutze, da auch der eben verständlich beschreibt, worum es geht – den Umstieg einfacher. Weil eben klar ist, was man mit einer „Bratwurst“ oder einem „Steak“ in der Küche anzufangen hat. Und wenn das Ganze dann auch noch vertraut schmeckt – umso besser, oder?

Also lasst uns nicht nach neuen Namen für vegane Wurst suchen, Produkte nicht umständlich umformen. Wir hätten nichts davon. Noch weniger vom Aufrechterhalten eines künstlichen „Ihr“ und „Wir“-Gedankens.

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Zu Steady

Die nerdige Hälfte von Eat this! Liebt es, auch aufwändiger zu kochen und ist deshalb vermutlich für die langen Rezepte auf dem Blog verantwortlich. Kann nie genügend Kochmesser haben und liebt Chilis in allen Formen und Farben. In der Freizeit sitzt er gerne auf dem Fahrrad und hört dabei Metal.