
Daniela Dröscher und Christian Baron werden für Romane gefeiert, in denen sie über ihre Herkunft schreiben – proletarisch, konfliktreich, oft von Scham bestimmt. Ein Doppelinterview über Klasse und Aufstieg.
Berlin im Sommer. Daniela Dröscher und Christian Baron begrüßen sich mit herzlichem Respekt, die Bücher des anderen haben sie natürlich gelesen. Beide schreiben autofiktionale Romane, in denen sie sich mit ihrer Herkunft auseinandersetzen. Baron musste sich von der Macht eines gewalttätigen, alkoholkranken Vaters befreien, nachzulesen in „Ein Mann seiner Klasse“. Dröscher wurde mit „Zeige deine Klasse“ bekannt, in dem sie über ihren Aufstieg von der Mittel- in die Akademikerschicht schreibt, in „Lügen über meine Mutter“ schrieb sie über Körperscham und ihre übergewichtige Mutter. Ihr neuer Roman „Junge Frau mit Katze“ begleitet eine Aufsteiger-Akademikerin, deren Körper gegen den universitären Betrieb rebelliert. Christian Baron erzählt in „Drei Schwestern“ von seiner Mutter und deren Schwestern in ihrer Jugend in den 1970er-Jahren, die für Frauen aus der Arbeiterklasse noch recht wenig Möglichkeiten bereithielten. Das Gespräch findet in der Gartenlaube des Ullstein-Verlags in der Friedrichstraße statt, „wie heißt es in diesem Gedicht von Tucholsky?“, fragt Christian Baron, „eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; mit schöner Aussicht, ländlich-mondän …“ − bei Tucholsky geht es weiter: „… vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn.“ Die sieht man zwar nicht, aber die Stimmung ist trotzdem gut.