
Deutschland absolviert sein Eröffnungsspiel bei der Fußball-WM gegen den vielleicht größten Außenseiter. Die Karibikinsel Curaçao hat so viele Einwohner wie Heidelberg. Der Nationaltrainer ist ein international erfahrener Haudegen.
Curaçao. Vom Klang der Karibik wollte sich Julian Nagelsmann nicht beirren lassen. Auch für den exotischen WM-Auftaktgegner der Fußball-Nationalmannschaft hatte der Bundestrainer lobende Worte parat. „Viele Spieler sind in den Niederlanden geboren, sind dort ausgebildet worden, sprich auf europäischem Topniveau“, sagte der 38-Jährige nach der Auslosung in Washington.
Aber natürlich wusste Nagelsmann, dass gegen den Turnierneuling am 14. Juni 2026 ein klarer Startsieg eine Selbstverständlichkeit sein muss. „Curaçao ist schon ein bisschen eher die Wundertüte. Aber tendenziell sind sie in der Gruppe der Gegner, der schlechter ist als die anderen beiden“, sagte Nagelsmann und zog den Vergleich zur Elfenbeinküste und zu Ecuador, die die weiteren Kontrahenten in der WM-Gruppe E sind.
Tourismus ist der zentrale Pfeiler der Wirtschaft Curaçaos: Er macht grob ein Drittel bis knapp die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung aus und ist wichtigster Wachstumstreiber und Devisenbringer. Tourismus sichert direkt und indirekt über 20.000 Arbeitsplätze auf der Insel, also einen erheblichen Teil der erwerbstätigen Bevölkerung.
Insofern ist die WM-Teilnahme nicht nur sportlich besonders, sie dürfte die Insel auch weltweit bekannter machen. Dick Advocaat (78), der Trainer Curaçaos, kam kurz nach Nagelsmann in die Interview-Zone in Washington und genoss seinen Auftritt sichtlich. Dass der Niederländer mit den Fußballern von der Trauminsel bei der WM überhaupt dabei ist, ist ein sportliches Wunder. Und Advocaat zeigte sich betont kämpferisch: „Man versucht natürlich, Ergebnisse zu erzielen. Das wird schwierig, aber das Ziel ist, Leistung zu bringen“, kündigte er an.
„Wir geben nicht kampflos auf“, fügte der 78-Jährige an und war sich auch sicher: Die WM wird auf der Karibikinsel mit ihren nur 156.000 Einwohnern (so viele wie Heidelberg) ein einziges großes Fest. Wie bei der geglückten Qualifikation durch ein 0:0 gegen Jamaika – dem laut Advocaat schlechtesten Spiel seines Teams.
Jeder WM-Punkt wäre eine Sensation
Beim Gold Cup, dem Kontinentalturnier der Nord- und Mittelamerika-Konföderation war Curaçao im Sommer schon dabei, holte Unentschieden gegen den WM-Gastgeber Kanada (1:1) und El Salvador (0:0). Jeder WM-Punkt wäre eine Sensation.
Torwart Eloy Room, der bei Miami FC gerade einen neuen Klub gefunden hat, ist sich sicher. „Es wird verrückt werden in Curaçao, alle werden die Weltmeisterschaft wie einen Traum erleben.“
Für Advocaat ist das Deutschland-Los aber auch eine Zeitreise. Bei der EM 2004 traf er mit den Niederlanden auf die DFB-Elf und deren Teamchef Rudi Völler. Das 1:1 in Porto war auch damals das Auftaktspiel zum Turnier, das für Deutschland mit dem Gruppenaus schnell endete.
Für Advocaat war damals mit Oranje im Halbfinale gegen Portugal Schluss – und die Erinnerungen sind im Vergleich zum Abenteuer Curaçao verblasst. „Die Freude der Fans bei unserem letzten Heimspiel war überwältigend. Ich habe in meiner Karriere schon viel erlebt. Allein die Freude dieser Menschen hat alles wettgemacht“, sagte er.
SUF mit dpa
