Corona-Enquete-Kommission : Die Aufarbeitung beginnt

Jetzt soll es endlich so weit sein. Nachdem die Ampelregierung
mit dem Vorhaben gescheitert ist, will nun die schwarz-rote Koalition mit der Aufarbeitung
der Coronapandemie beginnen. Im September soll die konstituierende Sitzung der Enquete-Kommission einberufen werden. Titel des Gremiums: „Aufarbeitung
der Coronapandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“.  

Die Kommission wurde im Juli mit Stimmen
von Grünen und Linken von der Koalition beschlossen. Sie besteht aus 14 Abgeordneten und 14 Sachverständigen,
die jeweils von den Bundestagsfraktionen ernannt werden. Ziel ist die Erstellung
eines Abschlussberichts bis zum 30. Juni 2027 mit den „gewonnenen Erkenntnissen
und Handlungsempfehlungen“.

Lange war nicht klar, welche Abgeordneten die Fraktionen in
die Kommission schicken würden. Seit Dienstag gibt es nun erstmals eine
Mitgliederliste, die der ZEIT vorliegt. Diese offenbart teilweise fachliche Expertise
– deutet aber auch verschiedene
Konflikte an, die auf die Kommission zukommen könnten.

Die meisten Abgeordneten schickt die Union, die im Bundestag
die größte Fraktion stellt. Dazu gehört die Vorsitzende der Kommission, Franziska
Hoppermann, die seit März auch CDU-Bundesschatzmeisterin ist. Hinzu kommen die drei
CDU-Abgeordneten Michael Hose aus Thüringen, Lars Rohwer aus Sachsen und der
Jurist Axel Müller aus Ravensburg. Die CSU-Politikerin Mechthilde Wittmann aus
München wurde zur Obfrau gewählt.

Spahns Maskeneinkauf soll aufgearbeitet werden

Im Gespräch mit der ZEIT macht Wittmann eine Ansage. „Für mich ist es klar, dass die Corona-Enquete-Kommission
nicht zu einem verkappten Untersuchungsausschuss umgenutzt werden darf“,
sagt die CSU-Politikerin. „Ich erwarte von
allen Beteiligten einen angemessenen Tonfall und keine unverschämten
Unterstellungen, wie ich sie zuletzt aus der Grünenfraktion erlebt habe.“ Solch „unangebrachtes Verhalten“ würden die Obleute gemeinsam mit der Vorsitzenden „unterbinden“. 

Wittmann bezieht sich auf die Kritik der Grünenbundestagsfraktion an dem Coronamaskeneinkauf des
ehemaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU). Diesem wird
vorgeworfen, bei der Maskenbeschaffung während der Pandemie Steuergelder in
Milliardenhöhe verschwendet und unionsnahe Unternehmen bevorzugt zu haben.

Eigentlich wollten Grüne und Linke
die Vorwürfe in einem Untersuchungsausschuss klären. Dieser kann im Gegensatz
zur Enquete-Kommission auch Zeugen zur Befragung vorladen und bei Behörden
Dokumente einfordern. Doch für die Einsetzung des Ausschusses ist ein Viertel aller
Abgeordneten nötig. Diese erreichen Grüne und Linke erst dann, wenn sie Stimmen
der AfD in Kauf nehmen – was von ihnen strikt abgelehnt wird. So bleibt nur die Enquete-Kommission, um dort die Vorwürfe gegen Spahn zu klären.

Bürger sollen an Aufarbeitung beteiligt werden

Die CDU-Abgeordnete Wittmann kündigt
an, in der Kommission den Schwerpunkt auf vulnerable Gruppen, eine bessere
Bund-Länder-Koordination und die Vorbereitung der Wirtschaft auf mögliche künftige
Einbrüche legen zu wollen. „Selbstverständlich“ werde man sich auch den
Maskeneinkauf von Spahn anschauen. „Da gibt es überhaupt nichts zu verstecken,
im Gegenteil“, sagt Wittmann. „In dieser Zeit war jeder für entscheidungs- und
handlungsstarke Politiker dankbar.“

Anders sieht das die Haushaltspolitikerin
Paula Piechotta, Spahns stärkste Kritikerin in der Grünenbundestagsfraktion.
Auch sie ist Mitglied der Kommission. „Als Grüne werden wir
uns in der Enquete-Kommission intensiv mit den zahlreichen Problemen bei den
Beschaffungen des Bundesgesundheitsministeriums – von Masken bis hin zu
Handschuhen – befassen“, sagt sie der ZEIT. Dabei gehe es nicht nur um Aufklärung,
sondern auch darum, Lehren für künftige Krisen zu ziehen und staatliches
Handeln „transparenter und effizienter“ zu gestalten.

Unabhängig von der Maskenbeschaffung
plädiert Piechotta dafür, die Bevölkerung an der Aufarbeitung zu beteiligen. Zusammen mit der Abgeordneten und Juristin Lena Gumnior, die ebenfalls
von der Grünenfraktion in die Kommission berufen wurde, hat sie dafür ein Konzept ausgearbeitet, das der ZEIT vorab vorliegt.