Comeback nach Militärdienst: Dieser Konzern steckt hinter den K-Popstars von BTS

Nach zwei Jahren Pause feiern BTS ihr Comeback. Die Band hat dem Unternehmen Hybe den Aufstieg zum Branchenprimus geebnet. Doch juristische Streitigkeiten gegen den Gründer überschatten die Euphorie. Rechtsstreitigkeiten könnten das Imperium ins Wanken bringen.

Seit Tagen wird die Schlange rund um das Yongsan Trade Center in Seoul immer länger. Hier brüten Fans in der Hitze für das wohl größte Comeback des Jahres. Für Notfälle stehen Sanitäter bereit. „We Are Back“ prangt in großen Lettern auf der Fassade des 19-stöckigen Büroturms. Es ist die Botschaft der beliebtesten K-Pop-Band der Welt, BTS. Sie ebnete dem dort ansässigen Unternehmen Hybe den Aufstieg zum Branchenprimus. Seither scheffelt die Hybe Corporation mit K-Pop Milliarden.

BTS feiert nach zwei Jahren Militärdienst-Pause ihre Wiedervereinigung. Auch Anleger erwarten sich Großes von dem Comeback der sieben Sänger: Der Kurs der Hybe-Aktien schoss kurz vor dem zwölften Bandjubiläum innerhalb eines Tages von 220 auf über 300 koreanische Won. Gute Nachrichten, die ein Mann gerade dringend braucht: Bang Si-hyuk, der Gründer, Vorstandsvorsitzende und größte Anteilseigner der Hybe Corporation sowie Entdecker der K-Pop-Könige. Er kämpft seit Monaten gleich an mehreren Fronten: um seinen Ruf, sein Vermächtnis und seine Freiheit.

Bang Si-hyuk wurde 1972 in Seoul geboren. Als Kind vergrub er sich am liebsten in die Seiten eines Romans oder Manga-Bandes, bis die besorgten Eltern ihn ermunterten, Gitarre spielen zu lernen und so unter Leute zu kommen. Dem Magazin „The New Yorker“ erzählt er später: „Ich habe das deutlich weiter getrieben, als sie ahnen konnten.“ Er lernt die US-Charts auswendig, hört Led Zeppelin, schreibt Songs und schwänzt zugunsten seiner ersten Band oft den Unterricht. Den Eltern zuliebe studiert er Ästhetik an der Seoul National University, verfolgt danach allerdings sofort wieder seine wahre Leidenschaft. Mitte der 1990er Jahre gewinnt Bang einen Songwriting-Wettbewerb und arbeitet bald als Produzent für die Plattenfirma JYP Entertainment; mit beachtlichem Erfolg, was ihm den Spitznamen „Hitman“ einbringt.

BTS machten das Genre weltweit so populär wie profitabel

Am 1. Februar 2005 gründet Bang dann sein eigenes Musiklabel, Big Hit Entertainment, was heute Hybe heißt. Die ersten Vertragskünstler, das Trio 8Eight, retten die Vier-Mann-Firma mit ihrer Erfolgssingle „Without A Heart“ 2009 vor dem Beinahe-Bankrott. Ab 2010 managte Bang gemeinsam mit seinem früheren Arbeitgeber JYP die Boygroup 2AM. Im selben Jahr stößt der Nachwuchsrapper RM zum Kader von Big Hit. Um ihn herum sucht Bang weitere sechs Künstler, die am 13. Juni 2013 als BTS (kurz für „Bangtan Boys“) mit dem Album „2 Kool 4 Skool“ der Öffentlichkeit präsentiert werden. Bang co-produzierte und -schrieb viele ihrer ersten Hits.

Damals gab es zwar bereits Gruppen mit internationalem Achtungserfolg, darunter PSY („Gangnam Style“), Girl’s Generation und JYJ. Doch erst BTS machten das Genre weltweit so populär wie profitabel. Rechnerisch gehört die Band zur dritten Generation des K-Pop, die zwischen 2012 und 2018 debütierte.

Eigentlich, so Bang in einem Interview, wollte er eine Hip-Hop-Crew aufbauen, weil er an die Beständigkeit von K-Pop nicht recht glaubte. Andererseits wusste er um die ungemein enge Bindung der Fans zu ihren Idolen und nahm sich nach umfangreicher Analyse extrem beliebter Gruppen vor, dass BTS so Fan-freundlich wie möglich agieren sollten. Aufwendige Choreografien und regelmäßige Kommunikation über sämtliche sozialen Kanäle – wovon andere Labels ihren Künstlern eher abrieten – darauf konzentrierte er sich bei dem Konzept. Zudem sollten die Jungs nicht frech und rotzig auftreten, wie die dominierende K-Pop-Band BigBang. BTS sollten sich nachdenklicher zeigen, ihre Zweifel zu Papier bringen und ins Mikro singen.

Dass er Stars vom Reißbrett geschaffen habe, diesen Einwand mag Bang Si-hyuk nicht hören. In einem Interview mit dem Magazin „Time“ entgegnete er: „Ich glaube, der Westen hält da an einer Fantasie fest, dem Rockstar, der einzig seiner wahren Bestimmung folgt. Und nur so könne gute Musik entstehen.“ Dagegen verbringe eine angehende Ballerina viele Jahre beim Training und konzentriere sich extrem fokussiert nur auf ihre Ausbildung. „Ich habe aber noch niemanden sagen hören, das Ballett lasse Seele vermissen, wäre keine Kunst!“, argumentierte Bang.

2021 wird aus Big Hit Entertainment die Hybe Corporation. Als erstes Musikunternehmen des Landes reißt sie die magische Umsatzgrenze von 1 Billion Won (rund 838 Millionen Dollar). Das Künstlerportfolio ist da längst um weitere Top-Seller gewachsen wie die Boygroups Enhypen, TXT und Seventeen sowie die Girlgroups Le Sserafim und Illit. Das Organigramm umfasst diverse Tochterfirmen aus weiteren Labels und technischen Firmen wie Hybe Solutions für Videoinhalte und Spiele sowie die Internet-Plattform und Fan-Netzwerk Weverse.

Persönlich läuft es für Bang Si-hyuk weniger rund

Dieser Mix aus Musik- und Technologiekonzern half Hybe während der Pandemie, das ausbleibende Live-Geschäft mit BTS und Co. etwas zu kompensieren und beflügelte auch den Börsengang Ende 2020. Bang Si-hyuk ist bis heute größter Anteilseigner, das Mobile-Gaming-Unternehmen Netmarble, geführt von einem seiner Verwandten, folgt auf Platz zwei. Der Börsenwert wird aktuell mit gut 9 Milliarden Dollar taxiert, wenngleich man für das Jahr 2024 trotz eines Rekordumsatzes von 1,65 Milliarden Dollar einen Netto-Verlust von 2,48 Millionen Dollar verbuchen musste. Als Gründe nannte Hybe strategische Investitionen in den Aufbau neuer Künstler, in wichtige Infrastruktur und das wachsende Geschäft mit der Social-Commerce-Plattform Weverse sowie Gaming-Projekte.

Heute arbeiten circa 1700 Angestellte für Hybe. Die meisten davon sitzen in Asien, arbeiten aber auch in Los Angeles und Miami für Hybe America beziehungsweise in Mexiko City für Hybe Latin. Im Rahmen der US-Expansion übernahm Hybe die Ithaca Holdings von Scooter Braun, der durch einen erbitterten, jahrelangen Streit um die Musikrechte von Taylor Swift zweifelhaften Ruhm erlangte. Braun, der einst die Karrieren von Justin Bieber und Ariana Grande auf die Schiene setzte, leitet nun als CEO das Amerika-Engagement von Hybe. Als erste Gruppe dieser Tochtergesellschaft debütierte Mitte 2024 die Girlgroup Katseye als Joint Venture mit Geffen Records. Seit 28. Mai gibt es auch Hybe China.

Persönlich läuft es für Bang Si-hyuk, der inzwischen Dollar-Milliardär ist, allerdings weniger rund. Seit vergangenem Sommer erschüttern gleich drei Skandale den Hybe-Kosmos: So streitet sich das Unternehmen derzeit vor Gericht mit der ehemaligen CEO des Unter-Labels Ador, Min Hee-jin, wegen unrechtmäßiger Kündigung und Vertragsbruch um garantierte Aktienoptionen. Mins Pressekonferenz im April 2024 wurde von vielen Sendern und Websites live übertragen und schickte den Kurs der Hybe-Aktie auf Talfahrt. Im Fokus steht dabei auch die von Min entwickelte und betreute Girlgroup „NewJeans“. Hybe wirft seiner ehemaligen Topmanagerin vor, sie habe mit den Hit-Lieferanten zu einem Konkurrenten wechseln wollen. Zugleich beklagte ein Mitglied von „NewJeans“ im Rahmen einer Parlamentsanhörung eine „toxische Kultur des ‚bullying'“ innerhalb von Hybe.

In eine ähnliche Richtung gehen die jüngsten Äußerungen einer ehemaligen Kommunikationsverantwortlichen, die am Projekt BTS beteiligt war. Elly Chae Eun berichtete öffentlich davon, wie der enorme Druck sie dazu gebracht habe, nachts neben ihrem Smartphone zu schlafen. Sie habe vor lauter Stress sieben Kilo abgenommen und unter Haarausfall gelitten. Immer bemüht, sich mehr um die Popstars zu kümmern als um ihre eigenen Kinder. Außerdem erhebt sie Anspruch auf Aktienoptionen, die sie im Gegensatz zu einigen aus Bang Si-hyuk engstem Zirkel nicht bekommen habe, obwohl sie länger im Geschäft gewesen sei.

Ermittlungen wegen Betrugs

Der dritte Skandal dreht sich um den Börsengang von Hybe im Oktober 2020. Bereits im Vorfeld soll Bang Si-hyuk befreundeten Investoren die Möglichkeit gegeben haben, Aktien zu günstigen Konditionen zu erwerben. Von dem resultierenden Gewinn, stolze 290 Millionen Dollar, wanderten angeblich rund 30 Prozent in seine Tasche – über einen Private-Equity-Fonds, den ein Bekannter extra dafür aufgesetzt haben soll. Natürlich ohne die Behörden darauf hinzuweisen, trotz Verpflichtung zur Transparenz. Das legen jedenfalls die Ermittlungen der südkoreanischen Finanzaufsicht nahe, die ihre Erkenntnisse vor wenigen Tagen der Staatsanwaltschaft übergab. Ein Schuldspruch käme Bang mindestens teuer zu stehen, könnte ihn aber sogar für mindestens fünf Jahre ins Gefängnis bringen.

Überschatten die juristischen Querelen um die geschasste CEO, der teils fragwürdige Umgang mit Künstlern und die drohende Anklage wegen Aktienbetrugs die Comeback-Euphorie rund um BTS? In der südkoreanischen Presse ließ sich ein Branchenexperte anonym so zitieren: „BTS sind mehr als in der Lage, auch ohne Bang durchzustarten. Alle Mitglieder haben das positive Image der Band mit sehr erfolgreichen Solokarrieren untermauert, sodass der angekratzte Ruf von Hybe sie nicht tangieren dürfte. Und die Fans gehen mit ihren Jungs ohnehin durch dick und dünn.“

Genau diese unerschütterliche Loyalität hatte ihr Entdecker früh zum essenziellen Teil des BTS-Konzeptes erklärt. Gut möglich, dass der „Hitman“ auch damit Recht behält.

Update: Im andauernden Rechtsstreit des Hybe-Labels Ador mit der (eigenen) Girlgroup „NewJeans“ gab es für Bang Si-Hyuk und sein Topmanagement nun einen Lichtblick. Nach der Kündigung ihrer Entdeckerin und Macherin Min Hee-jin (s. o.) hatten die Künstlerinnen das Verhältnis zu ihrer Plattenfirma für zerrüttet erklärt und wollten ihre Karriere eigenständig oder mit einer neuen Agentur fortführen. Ador verklagte „NewJeans“ daraufhin und drohte hohe Geldstrafen für jegliche externen Band-Aktivitäten. Die erste Instanz gab dem Unternehmen recht und am 17. Juni 2025 bestätigte ein Berufungsgericht in Seoul das Urteil.

Dieser Artikel ist zuerst bei Capital.de erschienen.