Comeback nach den Kleinkindjahren – Gesellschaft

Darf man neidisch auf sein Kind sein? Klingt unsympathisch und pädagogisch schwierig, aber passiert mir immer wieder. Als meine Tochter ein Baby war, sah ich ihr öfter beim Schlafen zu und wünschte, ich könnte mich auch immer dann hinlegen, wenn ich gerade müde war. Später, nach einem Sturz auf den Kopf, der uns in die Notaufnahme des Kinderklinikums führte, bewunderte ich den kindlichen Hang, Situationen anzunehmen wie die Luft, die man atmet. Meine Tochter interpretierte das Behandlungszimmer als Spielplatz mit witzigen Kabeln und Apparaturen, worauf die Ärztin uns nach Hause schickte: „Wer so lebendig ist, muss nicht zur Beobachtung bleiben.“ Heute, meine Tochter ist vor Kurzem vier geworden und lässt das Erratische eines Kleinkinds allmählich hinter sich, verlagert sich auch mein mütterlicher Neid. Von Schlafneid auf die Fähigkeit, Partys zu feiern. Ich weiß nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist.

Wenn man wie ich eher spät Eltern wird, relativ viel arbeiten und relativ viel Miete zahlen muss, keine Großeltern in der Nähe hat und aus egomanen Gründen auch noch so etwas wie eine Beziehung zu sich selbst pflegt, kurzum: einer dieser Großstadteltern mit angestrengter Wohlstandsmiene ist, bleiben Partys auf der Strecke. Erst kann man lange Zeit nicht raus, und wenn man dann wieder kann, merkt man, dass man nicht mehr will und sich in einen dieser mittelalten Menschen verwandelt hat, die samstagabends auf dem Sofa liegen und Artikel über Kniearthrose und Longevity lesen, statt wirklich zu leben. Ist ja schon 22 Uhr.

Die vielen Kinder, die vor ein paar Wochen unsere Wohnung stürmten, als meine Tochter Geburtstag feierte, hatten allesamt wunderbar geschmierte Kniegelenke und verlangten nach neonfarbenen Streuseln für ihren Kuchen. Als sie sich richtig eingegroovt hatten und das erste von ihnen bei der Kinderdisco hintenüber vom Sofa gefallen war, wollten die ersten Eltern nach Hause, es war 17.30 Uhr. Weil man ja noch Abendessen müsse und Zähneputzen und Vorlesen und Ins-Bett-Bringen, und dann gehe ja auch schon die neue Woche los, und auch wenn dieser Sermon des ewigen Funktionierens ein wenig trist klang, wusste ich in einer Nebenkammer meines Hirns, dass ich exakt genauso ticke. Kinder brauchen einen festen Rhythmus, flüstere ich mir in meinen partybefreitesten Momenten zu. Und Eltern brauchen diesen Rhythmus noch dringender.

Die Tochter: Yeah, ich bin jetzt vier. Die Mutter: Oh Gott, 40 ist das neue 50

Nachdem also eine Woche zu Ende ging, in der wir den vierten Geburtstag erst in der Familie gefeiert hatten, dann für die Feier in der Kita buken und am Wochenende darauf besagte Party ausrichteten, ließ sich das Energie-Erschöpfungs-Gefälle bei uns zu Hause so zusammenfassen: Meine Tochter so: Yeah, ich bin jetzt vier, bald bin ich fünf, und es wird immer besser. Und ich: Oh Gott, 40 ist das neue 50, in welchem Ordner liegt gleich mein Rentenbescheid?

Wenn ich im vergangenen Jahr etwas von meiner Tochter und ihren Freunden gelernt habe, dann ist das die Fähigkeit, Partys zu feiern und nicht damit aufzuhören, nicht um 17.30 Uhr und auch nicht, wenn einer der Erwachsenen von seinen Leberwerten anfängt. 2026 schaffe ich mein Comeback, bestimmt. Dennoch danke an dieser Stelle für meine vielen, elterlichen Verpflichtungen, dass ich mich dieses Silvester noch schonen durfte.

In dieser Kolumne schreiben Patrick Bauer und Friederike Zoe Grasshoff im Wechsel über ihren Alltag als Eltern. Alle bisher erschienenen Folgen finden Sie hier.