College-Football: Warum Trainer aberwitzige Millionen-Abfindungen erhalten

Eine amerikanische Hochschule, die hundert Millionen Euro in Anlagen stecken kann, in denen sich ihre Footballmannschaft auf die fünfzehn Spiele einer typischen Saison vorbereitet, muss sich selten um einen weiteren Posten in der Buchhaltung Sorgen machen. Weshalb die Verantwortlichen der Louisiana State University (LSU) vor vier Jahren ihrem neuen Trainer so etwas wie eine Lebensstellung auslobten: einen Vertrag mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einem Bruttoverdienst von insgesamt umgerechnet 82 Millionen Euro.

Die Rechnung ging nicht auf. Am letzten Sonntag im Oktober, einen Tag nach einer blamablen 25:49-Heimnniederlage gegen den Regionalrivalen Texas A&M, verließ Brian Kelly noch vor Sonnenaufgang zum letzten Mal das teure Football Operations Center auf dem Campus von Baton Rouge. Er lud mehrere Umzugskartons in sein Auto und fuhr davon.

Seitdem verhandelt der 64-Jährige ein pikantes Detail seines Abschieds: eine Abschlagszahlung. Die Universität hofft darauf, den Betrag von umgerechnet 46,7 Millionen Euro, den sie Kelly schuldet, deutlich zu senken. Doch ihre beiden ersten Offerten über zunächst 20 und dann 26 Millionen Euro lehnte Kelly ab. Die Alternative – eine monatliche Überweisung der ausstehenden Summe von umgerechnet 692.000 Dollar bis 2031 – scheint ihn nicht abzuschrecken.

Der Ruf des Geldes

Das Tauziehen um die gigantischen Beträge ist schlagzeilenträchtig, der Rauswurf von Kelly kein Einzelfall. In der in ein paar Wochen zu Ende gehenden College-Football-Saison wurden bereits elf bestens bezahlte und beleumundete Cheftrainer entlassen. Die Hochrechnung der aufgelaufenen Verbindlichkeiten aus branchentypisch langfristigen Garantieverträgen dieser Arbeitslosen liegt aktuell bei umgerechnet 160 Millionen Euro.

Die Zahl wirft die Frage auf, wie lange derartig verschwenderisches Geschäftsbaren gut gehen kann an Bildungseinrichtungen, von denen sich die Mehrheit in öffentlicher Hand befindet. Auch Hochschulen, die in den vergangenen Jahrzehnten in den publikumswirksamen Mannschaftssportarten Football und Basketball mit vollen Arenen, begeisterten Fans und beachtlichen Einschaltquoten ein profitables Alternativuniversum zu den prosperierenden Profiligen errichten konnten, stehen – aus unterschiedlichen Richtungen – erheblich unter Druck.

Der kommt zum einen von wachsenden finanziellen Ansprüchen immatrikulierter Sportler, die seit kurzem ihren Werbewert in Dollars ummünzen können. Und die ohne ein Gefühl von Loyalität von College zu College wandern, immer dem Ruf des Geldes hinterher. Druck kommt aus einer Fehlspekulation, die darauf basiert, dass man Studenten in den klassischen akademischen Fachbereichen ständig wachsende Studiengebühren aufbürden kann. Die Steigerungsraten der letzten zwanzig Jahre liegen über der Inflationsrate. Die Folge: Amerikanische Uniabsolventen starten im Schnitt mit einer Schuldenlast von 25.000 Euro ins Berufsleben. Jene, die Masterstudiengänge abschließen oder Prestige-Fächer wie Medizin oder Jura studieren, müssen später Kredite von durchschnittlich mehr als 100.000 Euro abstottern.

„Das System ist nicht nachhaltig“, sagte Professor Michael LeRoy, ein Experte für Arbeitsrecht an der University of Illinois, neulich dem Fernsehsender PBS. Er warnte vor den Auswüchsen im Sportbereich und deren Eskalationsspirale bei den Gehältern für Cheftrainer. Er glaubt aber nicht, dass die Hochschulen den Willen haben, sich der Entwicklung entgegenzustemmen. „Die haben hauptsächlich eine Sorge: Was macht die Konkurrenz? Und unter denen wird es immer einen geben, der Unsummen ausgibt, um den besten Trainer zu verpflichten.“

Kommt der Kurswechsel?

Solche Figuren sind überdies äußerst rar gesät. Am College muss ein Football-Cheftrainer mehr mitbringen als jüngeren Spielern taktische Finessen beizubringen. Männer wie Steve Sarkisian von der University of Texas in Austin, der derzeit rund neun Millionen Euro pro Jahr nach Hause bringt und im Fall einer vorzeitigen Kündigung noch 52 Millionen hinterhergeworfen bekäme („Das kostet. So funktioniert das nun mal.“) haben deutlich mehr auf der Agenda. „Im Gegensatz zur NFL, wo viele verschiedene Leute viele verschiedene Aufgaben haben, ist es im College-Football immer noch der Cheftrainer, der das Personal, das Marketing, die Spielerverpflichtung, das Recruiting, das Spielsystem, die untergebenen Trainer und die Spielerentwicklung managen muss“, beschreibt Jedd Fisch von der University of Washington in Seattle den Alltag.

Universitäten, die auf dem Spielfeld konstant Erfolge einfahren und über Fernsehlizenzen, Eintrittskarten, Merchandising sowie Spenden von großzügigen Absolventen mit tiefen Taschen genug einspielen, um eine solche Praxis fortzuführen, werden sich vermutlich nicht von der jüngsten Entwicklung nervös machen lassen. Aber einige, sagt Mit Winter, Fachanwalt für Collegesport in Kansas City, werden langsam einen Kurswechsel anstreben. Auch, weil sich das gesamte Milieu verändert hat. Weg von einer langfristig ausgerichteten Arbeit, wie sie sich mit lupenreinen Amateuren umsetzen ließ. Hin zu kurzfristigen Erfolgsstrategien, zu denen ein anderes Honorierungskonzept mit Erfolgsprämien sehr viel besser passt.

An der Grundeinstellung vieler Universitätsverantwortlicher wird sich bis auf weiteres vermutlich wenig ändern.Vergangenes Jahr kaufte Greg Byrne, der Chef der Sportabteilung der University of Alabama, die als achtzehnfacher Football-Meister einen Namen zu verteidigen hat, als neuen Cheftrainer Kalen DeBoer ein und garantierte ihm umgerechnet fast 10 Millionen Euro pro Jahr, plus Prämien für etwaige Meistertitel. Laufzeit: sieben Jahre. Damit steht er in der Geldrangliste der amerikanischen College-Footballtrainer aktuell auf Platz sieben.

Tabellenführer ist Kirby Smart von der University of Georgia mit 11,5 Millionen Euro. Das Gehalt ist bis 2028 komplett und in den fünf folgenden Jahren zu 85 Prozent garantiert. „Das sichert ihm“, so die Webseite CBS Sports, die die Tabelle vor einigen Wochen zusammengestellt hatte, „die saftigste Abfindung im College-Football zu“. Da er immerhin bereits zweimal – 2020 und 2021 – US-Meister wurde, wirkt diese Abmachung vor allem wie ein Nachschlag auf bereits Geleistetes. Eine Garantie für weitere Erfolge gibt sie nämlich nicht.