Christoph Rüffer und Tohru Nakamura sind Deutschlands neue Drei-Sterne-Köche: So kochen sie

Was der deutschen Fußballnationalmannschaft seit Jahren zuverlässig misslingt, gelingt den deutschen Spitzenköchen spielerisch leicht: Sie haben jetzt wieder eine Mannschaft auf Weltklasseniveau beieinander und können sich sogar den Luxus eines zwölften Mannes auf der Hochgenussersatzbank leisten. Von zehn auf zwölf ist die Zahl der Köche mit der Höchstbewertung von drei Sternen im Guide Michelin in diesem Jahr gewachsen, und unterschiedlicher könnten die beiden Neuzugänge nicht sein – ein sicheres Indiz für die Qualität jeder Sportmannschaft.

Eine frühe Kreation Tohru Nakamuras: Brillat Savarin mit Dörrost, Apfel und Ingwer.
Eine frühe Kreation Tohru Nakamuras: Brillat Savarin mit Dörrost, Apfel und Ingwer.Jana Mai

Tohru Nakamura, 1983 als Sohn eines japanischen Vaters und einer deutschen Mutter in München geboren, nutzt seit vielen Jahren dieses biographische Privileg, um eine Küche zu kreieren, die weder eine transkontinentale Melange aus deutsch-japanischen Geschmackssouvenirs, noch eine dekorative Fusion der fernöstlichen mit der europäischen Spitzenküche, sondern etwas völlig Neues ist: eine gegenseitige Inspiration, eine radikale Durchdringung ohne den Kompromiss einer gemeinsamen Schnittmenge, eine quasi genetische Verschmelzung zweier maximal unterschiedlicher Aromenwelten, die in einem spektakulär eigenwilligen, vollkommen eigenständigen Küchenstil mündet.

Kochen ist immer Teamarbeit: Christoph Rüffer (dritter von links) bereitet gemeinsam mit seinen Kollegen einen Hauptgang zu.
Kochen ist immer Teamarbeit: Christoph Rüffer (dritter von links) bereitet gemeinsam mit seinen Kollegen einen Hauptgang zu.Wonge Bergmann

Die Grundlage des Menüs in seinem Restaurant „Tohru in der Schreiberei“, das gleich hinter dem Münchner Marienplatz in einem 500 Jahre alten Bürgerhaus residiert und nur über eine uralte Himmelstreppe zu erreichen ist, bildet zwar das klassische japanische Kaiseki. Doch das, was unter diesem Synonym für unverrückbaren Traditionalismus in München auf den Tisch kommt, ist die Küche eines intellektuellen Kopfkochs, eines grandiosen Perfektionisten, der sein Ozaki-Wagyu mit Pfifferlingen, Schnittlauch-Öl und Ochsenschwanz-Aspik als Medaillon mit einem Gittermuster aus Bonito-Creme auf einem Dinkelbrottaler serviert und eine heiße Dashi-Bouillon mit Zwiebel-Gelée, Finger-Aubergine, schwarzem Knoblauch, Räucheraal und schwäbisch-hällischem Schweinebauch verfeinert – zwei kulinarische Welten in einer, für die ein Name erst noch gefunden werden muss.

Klassizismus ohne Musealität: Christoph Rüffers rosa gebratener Hirschkalbrücken mit Boudin Noir, weißem Wintergemüse und Himbeeremulsion.
Klassizismus ohne Musealität: Christoph Rüffers rosa gebratener Hirschkalbrücken mit Boudin Noir, weißem Wintergemüse und Himbeeremulsion.Wonge Bergmann

Christoph Rüffer hingegen ist kein kulinarischer Weltenwanderer, sondern ein geduldiger Evolutionist, der die Beständigkeit ebenso schätzt wie den behutsamen Wandel. Seit 23 Jahren verantwortet der 1973 in Essen geborene Rüffer die Küche des Restaurants „Haerlin“ im Hamburger Luxushotel Vier Jahreszeiten, das ihm nach einer rastlosen Frühkarriere als hochtalentierter Jungkoch ausschließlich in Häusern mit zwei und drei Michelin-Sternen längst zur Heimat geworden ist. Doch vom Konservativismus der Hamburger Pfeffersäcke lässt er sich nicht beeindrucken, sondern tischt ihnen im „Haerlin“, dieser Trutzburg des hanseatischen Kaufmannsstolzes und Traditionssinnes, zwischen chinesischen Seidentapeten und Nymphenburger Porzellanputten eine kosmopolitische, von den vier Jahreszeiten geprägte, immer die absolute Aromenharmonie suchende Spitzenküche auf.

Sie schlägt virtuos den Bogen von Büsumer Krabben und Wachteln aus der Lüneburger Heide über japanisches Milchbrot und Wildlachs von der schottischen Isle of Mull bis zu Mezcal und Jalapeño aus Mexiko, wobei Rüffer niemals seine felsenfeste Verwurzelung in der klassischen französischen Haute Cuisine verleugnet und auch deswegen ganz nach dem Geschmack des Guide Michelin kochen dürfte. Es ist eine Küche voller Finesse und Raffinesse, die auf jede Art von kulinarischem Zirkusspektakel und egomanischem Aplomb verzichtet – was nicht nur bestens zum Wesen Christoph Rüffers, sondern auch zur hanseatischen Diskretion passt. Und wie sehr sich die diskreten Tugenden Geduld und Beharrlichkeit auf der Lebenslangstrecke auszahlen, zeigt die Tatsache, dass keiner der gegenwärtigen Drei-Sterne-Köche in Deutschland bei seinem dritten Stern älter war als der zweiundfünfzigjährige Meister aus Hamburg.