
Auch wenn die chinesische Rigorosität unüblich ist: Die Krankheit ist es nicht. China ist nur eine Etappe auf ihrem aktuellen Expansionskurs. Längst kommt sie auch in Europa vor – zuletzt auch im Elsass, nur wenige Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Seit Kurzem gibt es daher auch eine Empfehlung zur Reiseimpfung. Zeit, sich etwas näher mit der Infektionskrankheit zu befassen.
Ist der Erreger neu?
Nicht wirklich. Die Krankheit wurde 1952 erstmals in Tansania beobachtet. Von dort stammt auch ihr Name. Chikungunya heißt übersetzt so viel wie das Leiden, das Menschen beugt. Die Bezeichnung beschreibt das auffälligste und gefürchtetste Symptom der Erkrankung. Sie kann so schwere Gelenkschmerzen hervorrufen, dass sich Menschen vor Schmerz krümmen.
Dass in letzter Zeit mehr über das Leiden berichtet wird, ist seiner zunehmenden Ausbreitung geschuldet. Angetrieben von Klimawandel, Globalisierung und Urbanisierung erobert der Erreger seit 2004 immer mehr neue Gebiete. Er trifft dann Einwohner, die keine Immunität haben.
Wie wird der Erreger übertragen?
Das Virus wird durch Mücken übertragen. Verantwortlich dafür sind überwiegend Gelbfiebermücken (Aedes aegypti) und Tigermücken (Aedes albopictus). Beide Arten stechen vornehmlich am Tag. Die Tigermücke kommt auch in Regionen in Süd- und Mitteleuropa, darunter auch einigen in Deutschland, vor.
Wie gefährlich ist die Erkrankung?
Vermutlich verlaufen viele Fälle mild und werden daher gar nicht diagnostiziert, was exakte Aussagen über die Häufigkeit der Krankheit erschwert. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass mehr als die Hälfte der Infizierten Symptome erleiden. In schwereren Fällen treten etwa vier bis acht Tage nach dem Mückenstich plötzliches hohes Fieber und starke Gelenkschmerzen auf. Von den so Erkrankten müssen mindestens 30 Prozent damit rechnen, dass die Beschwerden in den Gelenken länger als drei Monate anhalten. Es gibt Untersuchungen, wonach etwa fünf Prozent der Erkrankten auch nach zwei Jahren noch Schmerzen haben.
In selteneren Fällen können auch Komplikationen an Augen, Herz und Nervensystem vorkommen, etwa eine Entzündung des Gehirns oder der Hirnhäute. Schwere Verläufe treten besonders häufig bei Neugeborenen, alten Menschen und Vorerkrankten auf. Todesfälle sind allerdings selten. Es gibt keine spezifische Behandlung gegen das Leiden, die Therapie setzt vielmehr auf die Symptomlinderung, etwa durch Fiebersenker und Schmerzmittel.
Wo tritt die Erkrankung auf?
Das Virus ist in den tropischen und subtropischen Gebieten der Erde heimisch. Übertragungen wurden laut WHO bisher in 119 Ländern dokumentiert. Insgesamt wurden 2024 mehr als 460 000 Chikungunya-Verdachtsfälle gemeldet.
Im EU-Gebiet hat die Erkrankung nach Angaben der europäischen Seuchenschutzbehörde ECDC bislang nicht Fuß gefasst. Dennoch: Reisende schleppen das Virus immer wieder aus anderen Ländern ein. In Italien und Frankreich passiert es mittlerweile öfter, dass die dort verbreitete Tigermücke das Virus der Reisenden auf andere Menschen übertragen. Manchmal infizierten die Insekten dabei nur sehr wenige Menschen, sie lösten jedoch auch schon Ausbrüche mit 200 und mehr als 300 Infizierten aus.
In diesem Jahr sind besonders viele Infektionen in Frankreich aufgetreten – und dies auch schon relativ früh im Jahr. Das liegt laut Celine Gossner von der ECDC unter anderem daran, dass es „erhebliche Ausbrüche“ in den französischen Überseegebieten Réunion und Mayotte gibt und damit besonders viele Fälle importiert wurden. Hinzu kam: „Im Juni traten in Westeuropa und im Mittelmeerraum starke Hitzewellen auf, die günstige Bedingungen für die Vermehrung der Tigermücke und die Übertragung des Chikungunya-Virus schufen“, sagte die Leiterin der Abteilung für Erkrankungen, die durch Tiere übertragen werden, der SZ. Warmes Wetter lasse nicht nur die Mücken gedeihen, sondern begünstige auch die Vermehrung des Virus in den Mücken. Wärme verkürze zugleich die Zeit zwischen der Aufnahme des Erregers durch das Insekt und dessen Übertragung auf einen anderen Menschen.
In Frankreich dehnten sich die Übertragungen zuletzt auch auf neue Gebiete aus, darunter das Elsass. In der Nähe von Straßburg infizierte sich Ende Juni eine Person, die ihre Heimatregion nicht verlassen hatte. Der Fall blieb soweit bekannt ohne weitere Folgen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) bewertete ihn als ein Zeichen dafür, dass die Bedingungen für die Übertragung des Virus in diesem Gebiet – und damit auch auf der deutschen Seite des Rheins – gegeben sind.

:Die Anpassungskünstlerin
Obwohl sie kaum 200 Meter weit fliegen kann, hat sich die potente Krankheitsüberträgerin um den ganzen Erdball ausgebreitet. Wie sie dies geschafft hat – und weitere erstaunliche Eigenschaften von Aedes albopictus.
Wie ist die Lage in Deutschland?
Bislang ist noch kein Fall bekannt geworden, in dem sich ein Mensch hierzulande mit dem Virus angesteckt hat. Theoretisch wäre dies möglich, wenn ein Mensch, der sich im Ausland infiziert hat, und eine heimische Tigermücke aufeinandertreffen. Das erschien bisher nicht sehr wahrscheinlich. Die Tigermücke ist nur in Teilen Deutschlands verbreitet, man findet sie vor allem im Südwesten des Landes. Und noch sind die Zahlen der infizierten Reiserückkehrer niedrig. In den vergangenen knapp 20 Jahren wurden zwischen zehn und 180 Fälle pro Jahr eingeschleppt. In diesem Jahr waren es bisher etwas mehr als 100, wie die Datenbank des RKI ausweist.
Doch durch die immer stärkere Ausbreitung von Erreger und Überträgermücken ändert sich die Lage. „Die Umweltbedingungen sind derzeit günstig für die lokale Übertragung des Chikungunya-Virus in mehreren europäischen Ländern, darunter auch in bestimmten Regionen Deutschlands“, sagt Celine Gossner. Hendrik Wilking, beim RKI für tropische Infektionen zuständig, warnte auf einer Pressekonferenz des Science Media Centers: „Wir müssen damit rechnen, entweder in diesem Jahr oder in den nächsten Jahren, solche lokalen Ausbrüche auch in Deutschland zu beobachten“.
Etwas zurückhaltender äußert sich auf dieser Veranstaltung Helge Kampen, Leiter des Labors für Medizinische Entomologie am Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit. Er verwies auf die noch immer lokalen Tigermückenpopulationen und die überschaubaren Infektionsquellen: „Wir sind hier wirklich noch auf einem sicheren Boot.“ Dennoch sei es für die Bürger in Deutschland sinnvoll, sich ein bisschen mehr mit dem Thema Mückenschutz, auch im eigenen Garten, zu befassen und beispielsweise Wasserlachen zu entfernen.
Für wen wird die Impfung empfohlen?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Impfung seit Kurzem für Reisende, die sich in ein aktuelles Ausbruchsgebiet begeben. Auch Menschen, die sich länger oder häufiger in Regionen aufhalten, in denen das Virus heimisch ist, wird die Immunisierung angeraten. Die Vakzine können Menschen verabreicht werden, die mindestens zwölf Jahre alt sind.
Zur Auswahl stehen der Lebendimpfstoff namens Ixchiq, der eine höhere Wirksamkeit – gemessen an der Zahl der gebildeten Antikörper – aufweist, zugleich aber auch etwas mehr Nebenwirkungen hat. Er wird von der Stiko vorrangig für Menschen empfohlen, die häufig oder länger in endemische Gebiete reisen. Bei einmaligen Reisen scheint der Totimpfstoff Vimkunya empfehlenswerter. Seine Wirksamkeit liege etwas niedriger, er sei aber auch verträglicher.
Ansonsten ist der übliche Mückenschutz sinnvoll: körperbedeckende Kleidung und Mückensprays mit den Inhaltstoffen DEET, IR3535 oder Icaridin. Bettnetze schützen nur Menschen, die tagsüber schlafen, vor Chikungunya, etwa Kinder oder Ältere.
Und wie ist nun der Ausbruch in China einzuschätzen?
Obwohl der Ausbruch weder der einzige noch der größte ist, nennt César López-Camacho von der University of Oxford, ihn bedeutsam. Mittlerweile sind etwa 8000 Menschen in der Provinz Guangdong betroffen. Zugleich gilt, so der Biologe zum britischen Science Media Center: „Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass es zu einer Pandemie im herkömmlichen Sinne kommt, da Chikungunya nicht von Mensch zu Mensch übertragen wird.“ Die Geschehnisse in China seien vor allem eine Mahnung, „dass Ausbrüche schnell eskalieren können, wenn ein Virus in eine Population eindringt, die keine Immunität hat“. Dies unterstreiche, dass die kontinuierliche Überwachung des Virus ebenso wie die Verfügbarkeit von Impfstoffen wichtig sei. „Es ist unerlässlich, sich jetzt vorzubereiten, um größere, zerstörerischere Epidemien in Zukunft zu verhindern.“