
Die neue Chefin von CBS News, Bari Weiss, macht Schlagzeilen. Zuerst bewarb der Sender eine Reportage des Magazins „60 Minutes“ über das Hochsicherheitsgefängnis „Cecot“ (Centro de Confinamiento del Terrorismo) in El Salvador, in das von der Regierung Trump deportierte Venezolaner gesteckt werden, groß und dann – erschien sie nicht.
Die Chefredakteurin hatte in letzter Minute Änderungen an dem Stück verlangt, die die Autorin des Films nicht leisten wollte. Die Reportage lief dann doch, allerdings nicht bei CBS News, sondern bei dem kanadischen Sender Global TV. Ausschnitte des Films verbreiten sich auf Social Media nun wie ein Lauffeuer.
Ein „Kill Switch“ für die Regierung Trump
Bari Weiss hatte das Stück unter anderem mit der Begründung zurückgezogen, es fehle eine Stellungnahme der Regierung Trump. Die Autorin der Reportage und langjährige „60 Minutes“-Mitarbeiterin Sharyn Alfonsi sagte, die – zumindest vorläufige – Absetzung des Stücks stelle keine redaktionelle, sondern eine „politische Entscheidung“ dar. Die Geschichte sei fünfmal geprüft worden, die Anwälte von CBS hätten ihr Okay gegeben und den redaktionellen Regeln des Senders entspreche es auch, schrieb Alfonsi in einer internen Mitteilung an Kollegen. Ihre Interviewanfragen habe die Regierung Trump mit dem Verweis quittiert, dafür sei die Strafanstalt Cecot zuständig. Wenn die Weigerung der Regierung, Stellung zu nehmen, dazu führe, dass eine journalistische Geschichte nicht erscheine, dann hätten Trumps Leute einen „Kill Switch“ (Abschalthebel) in der Hand, jedwede Berichterstattung zu Themen zu unterbinden, die ihnen unangenehm sind, schrieb Alfonsi.

Dass die Reportage bei dem kanadischen Partnersender Global TV dann doch lief, führt CBS auf einen Fehler bei der Versendung des Stücks zurück. CBS veranlasste dessen sofortige Löschung und drohte allen, die die Sendung verbreiten, rechtliche Schritte an.
„Das meistgesehene Stück eines Nachrichtenmagazins in der TV-Geschichte“
Zu finden ist die etwa 15 Minuten lange Reportage auf Youtube, Bluesky und X. Mehrere hunderttausend Nutzer haben sich den Film inzwischen angesehen. „Danke Kanada!“ schreiben viele. Zahlreiche Nutzer meinen, Bari Weiss zerstöre das angesehene Magazin „60 Minutes“ und CBS News. Der prominente Anwalt und Trump-Kritiker George Conway schreibt: „Dies könnte das meistgesehene Stück eines Nachrichtenmagazins in der TV-Geschichte werden! Glückwunsch an die Ellisons und Bari Weiss!“
Die Geschichte mit dem Titel „Inside Cecot“ zeichnet die möglicherweise illegale Deportation von Migranten durch Trumps Heimatschutzbehörde in das berüchtigte Gefängnis nach. Die Regierung Trump hatte im März dieses Jahres 4,7 Millionen Dollar an El Salvador gezahlt, um rund 260 Migranten, zumeist aus Venezuela, nach Cecot verfrachten zu können; Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt sprach von „Monstern, Vergewaltigern, Mördern, Entführern, die kein Recht haben, in unserem Land zu sein“, wie das Stück zeigt. Auch Donald Trump ist darin bei seinem Treffen mit dem Präsidenten von El Salvador, Nayib Bukele, im Weißen Haus zu sehen und mit den Worten zu hören, das Gefängnis sei eine „hervorragende, sehr sichere Einrichtung, die spielen da keine Spielchen.“

Neben Interviews mit zwei Betroffenen über ihre angeblich brutale Behandlung während der viermonatigen Haft – Prügel, sexuelle Übergriffe, Dunkelhaft, kein Zugang zu sauberem Wasser – stützt sich die Reportage auf einen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, dem zufolge 48 Prozent der Deportierten keine kriminelle Vergangenheit haben und mitnichten zu den „schlimmsten der Schlimmen“ zählten, wie Trump und Leavitt es behaupteten. „60 Minutes“ überprüfte die Angaben im Abgleich mit Dokumenten der Heimatschutzbehörde ICE. Das Stück weist außerdem daraufhin, dass ICE Interviewanfragen der Reporter abgelehnt und keine weiteren Details über die Deportierten und deren Vergehen veröffentlicht habe.
Stellungnahmen der Regierung habe es sehr wohl gegeben
Das Portal Axios berichtet indes unter Berufung auf „eine Quelle mit Kenntnis der Korrespondenz mit der Regierung“, dass sehr wohl „Stellungnahmen unterschiedlicher Länge und Substanz“ vom Weißen Haus, vom Innen- und vom Heimatschutzministerium „auf Anfrage der CBS-Journalisten“ erfolgt seien. Doch enthalte der Film keine davon.
Axios zufolge hatte Weiss in einem Memo an die „60 Minutes“-Mitarbeiter geschrieben, man habe zwar eine kurze Äußerung von Karoline Leavitt, „aber müssen wir im Hinblick auf die Folter, die wir aufdecken, nicht noch viel mehr Fragen stellen?“ Man sollte stärker darauf drängen, Aussagen von hochrangigen Figuren zu bekommen, so Weiss, und eine „echte Debatte“ darüber anstoßen, ob Trump hier seine Befugnisse als Präsident überschreite.
Bari Weiss, die 2020 die „New York Times“ verließ und dem Blatt vorwarf, es betreibe linke Meinungsmache, und mit „The Free Press“ eine konservative, Trump-kritische und vor allem pro-Israelische Nachrichtenseite aufbaute, war erst vor wenigen Monaten zur Nachrichtenchefin von CBS berufen worden – von David Ellison, der mit seinem Vater und Trump-Kumpel Larry den CBS-Mutterkonzern Paramount in einem mafiösen Deal erworben hatte.
Manche Beobachter sehen die Entscheidung von Weiss, ein regierungskritisches Stück bis auf weiteres aufzuschieben, im Zusammenhang mit Trumps kürzlicher Einlassung, „60 Minutes“ behandle ihn unter den neuen Eigentümern von CBS „noch viel schlechter als früher“. Für die Ellisons, deren geplante Übernahme des Medienkonzerns Warner Bros. Discovery von Trumps Justizministerium abgesegnet werden muss, mag das als Warnruf gewirkt haben.
Die Cecot-Geschichte an sich ist nicht neu. Mehrere Medien, darunter die „New York Times“, haben mit im Juli dieses Jahres aus Cecot entlassenen und nach Venezuela abgeschobenen Betroffenen gesprochen und sind zu ähnlichen Ergebnissen wie „60 Minutes“ gekommen. Ob Bari Weiss tatsächlich eine Debatte über die Rechtmäßigkeit von Trumps Abschiebeaktion im Sinn hatte, oder ob sie bloß Trumps Ärger über CBS besänftigen wollte, ist die Frage. Sicher ist, dass ihr Versuch, dem Publikum eine Reportage über eine grausame Regierungsmaßnahme zumindest vorübergehend vorzuenthalten, nach hinten losging. CNN zitiert einen anonymen CBS-Mitarbeiter mit der Einlassung, das sei das Beste, was passieren konnte.
