
Den emotionalen Höhepunkt gab es gleich zu Beginn der Veranstaltung. Mehr als 1100 Spieler hatten sich am Freitagabend in der Essener Grugahalle an langen Tischen versammelt, Hunderte Zuschauer saßen auf den Tribünen am Rand, als im Einspieler erstmals Klaus Teuber auf der Videoleinwand zu sehen war. Es brandete der erste und wärmste Applaus des Abends auf, Spieler erhoben und verneigten sich.
Der zu früh verstorbene Erfinder des Spiels konnte selbst nicht mehr dabei sein, aber sein Geist war in der Grugahalle zu spüren und die Dankbarkeit der Spieler für unzählige Stunden bester Brettspielunterhaltung, die ihnen durch Teuber und sein Spiel geschenkt wurden.
Er hätte seine Freude gehabt, denn sein Wunsch, mit Spielen Menschen zusammenzuführen, ihnen eine gute Zeit zu schenken, Abstand vom Alltag und Sorgen, die erfüllte sich an diesem Abend in Essen. Uns gegenüber saßen Belgier, neben uns Briten, am “Kapitänstisch“, wie ihn der moderierende Sänger Smudo nannte, saß früh der portugiesische Catan-Meister, später auch die vier Träger prämierter Kostüme.

Gespielt wurde an allen Tischen gleichzeitig, die gewürfelte Zahl auf einer großen Leinwand gezeigt, die für alle ihre Rohstofferträge bestimmte. Das Spielkonzept nennt sich Catan Connect und kam dieses Jahr auf den Markt, basierend auf der Grundidee von Teuber und entwickelt von seinem Sohn Benjamin, der den Abend teils auf der Bühne, teils aber auch am Spieltisch verbrachte.
Auf neun Punkte kam der Spieleautor, der den Siedler-Prototyp seines Vaters im Alter von acht Jahren 1993 erstmals auf dem Tisch hatte. 18 Punkte brauchte es zum Sieg, den an diesem Abend keiner der anwesenden Meister oder prägenden Begleiter des Spiels wie die Kosmos-Redakteure Wolfgang Lüdtke oder Arnd Fischer erreichte. Sieger war schon nach 22 Würfelrunden an seinem 14. Geburtstag Ben, der sich über einen Pokal und ein 3D-Catan-Spiel freuen durfte. Er habe Glück gehabt, gab er an, kam schnell zu viel Lehm und konnte Straßen bauen und die Nachbarinseln besiedeln. Wir waren da gerade bei 13 Siegpunkten und fühlten uns dabei eigentlich sehr gut im Rennen.

Wichtiger als der Sieg war an dem Abend aber das Spiel. Nach vielen Stunden auf der benachbarten erstmals in sieben großen Messehallen stattfindenden und abermals ausverkauften Brettspielmesse, buchten die Catan-Fans für 15 Euro noch das Add-On, um an den mit den Catan-Inseln bedruckten Tischtüchern eines der meistverkauften Spiele der Welt zu feiern.
Vor zehn Jahren wurde in Essen schonmal ein Weltrekord aufgestellt. Erstmals spielten gleichzeitig mehr als 1000 Spieler das “Big Game“ Siedler von Catan. 2017 wurde der Weltrekord dann in die Niederlande geholt. 1096 Spieler spielten in Rotterdam gleichzeitig Catan, eine Zahl, die es nun in Essen zu schlagen galt. Das Rekordinstitut für Deutschland (RID) zählte die Reihen durch und bestätigte am Ende den neuen Weltrekord: 1170 Mitspieler saßen in der Grugahalle.
Smudo, Sänger der Fantastischen Vier und bekennender Online-Spieler, zeigte sich beeindruckt. Er hatte den Tag zuvor erstmals auf der weltgrößten Brettspielmesse verbracht: “Das ist mega, das ist abgefahren hier; ich hatte in der U-Bahn ein Tokio-Feeling“, sagte er im Gespräch mit der F.A.Z. und meinte nicht nur die Internationalität der Messe, sondern auch das große Gedränge. Zum Catan-Spielen kam er über seine Töchter, habe sich früher eher “bei Malefiz gekloppt“. Anerkennend stellte er fest, wie die Brettspiele ebenso wie die Musik eine Branche seien, die für Unterhaltung und Emotion pur stehe und damit ganz im Sinne von Chef-Messeorganisatorin Carol Rapp, die Verbindungen zu verwandten Kulturbereichen wie Musik, Theater und Film stärken will.
Als Spieleprofi erklärte Michael Palm die Regeln. Er ist selbst Erfinder sehr erfolgreicher Brettspiele wie “Dorfromantik“, dem Spiel des Jahres 2023. Es ist bezeichnend für die Branche, dass ein Konkurrent die Regeln erklärt, deutlich erkennbar demütig und höchst dankbar “immer in Gedanken bei deinem Vater, lieber Benny, Catan hat so viel bewirkt.“ 45 Millionen Verkäufe global in mehr als 100 Ländern und 45 Sprachen und auch heute noch immer wieder Verkaufsrekorde vom Silicon Valley bis nach Japan haben die Menschen tatsächlich zusammengebracht und ganz im Sinne von Klaus Teuber sehr viele Stunden Freude geschenkt.
