Butterpreise fallen, Bauern protestieren: Die wahre Krise der Landwirtschaft

Als kürzlich Traktoren vor großen Supermarktketten in Deutschland anrollten, war der Schuldige für die Landwirte schnell ausgemacht. Der Lebensmittelhandel mache die Preise kaputt, klagte Bauernpräsident Joachim Rukwied, Butter und Milch würden verramscht. So könne man keine Landwirtschaft betreiben. Diese Schuldzuweisung greift jedoch zu kurz. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Landwirte wurzeln weniger im Preiskampf des Handels als in einer über Jahrzehnte fehlgeleiteten Agrarpolitik.

Die Abhängigkeit der Landwirte vom Lebensmittelhandel ist zweifellos groß. Die vier Handelsgruppen Aldi, Lidl, Rewe und Edeka beherrschen mehr als 85 Prozent des Marktes. Zwischen ihnen herrscht ein gnadenloser Wettbewerb. Landwirte leiden darunter, weil kein Händler ihnen mehr zahlt als die Konkurrenz. Verbraucher wurden im Land der Discounter jahrzehntelang auf Preissensibilität konditioniert.

Von den in den vergangenen Jahren gestiegenen Lebensmittelpreisen profitieren die Bauern dabei immer weniger. Darauf weist die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten zum Lebensmittelmarkt hin. Die Verbraucherpreise stiegen deutlich schneller als die Erzeugerpreise. Die Schere öffnet sich damit weiter. Die Gewinne verbleiben irgendwo in der Kette. Wo genau, ist unklar. Das bundeseigene Thünen-Institut sieht die Ursache für die gestiegenen Preise aber weniger in übermäßigen Margen des Handels als in höheren Einkaufs- und Produktionskosten.

Preise kennen zwei Richtungen

Der jüngste Preisverfall bei Butter auf unter einen Euro je Päckchen ist aber kein Ausdruck von Willkür, sondern Zeichen funktionierenden Wettbewerbs. Der Handel orientiert sich am Weltmarkt, auf dem ein Überangebot von Milch herrscht, und kurbelt mit Preissenkungen auch die Nachfrage an. Umgekehrt gilt, dass Preise immer zwei Richtungen kennen. Noch vor einem Jahr kostete ein Butterpäckchen bis zu vier Euro, weil Milch knapp und teuer war. Damals blieb es auffällig ruhig in der Landwirtschaft.

In den Klagen über den Lebensmittelhandel wird oft übersehen, dass ein erheblicher Teil der deutschen Produkte gar nicht für den heimischen Markt bestimmt ist, sondern in den Export fließt. Dort gilt noch stärker der Takt des Weltmarkts.

Die Landwirte selbst haben kaum direkten Kontakt mit dem Handel. In der Regel treten die Verarbeiter, also Molkereien oder Schlachtunternehmen, in Preisverhandlungen mit dem Handel. Das passiert durchaus auf Augenhöhe. Dazu trägt bei, dass viele Landwirte genossenschaftlich etwa an den Molkereien beteiligt sind und so ein gewisses Mitspracherecht haben. Doch auch auf dieser Stufe schreitet die Konzentration voran, wie die Fusion der großen Molkereien Arla und DMK zeigt. Für Bauern verschärft das die Abhängigkeit. Sie können als Preisnehmer am Ende der Lieferkette nur auf gute Preise hoffen.

Viele Betriebe existieren nur dank EU-Direktzahlungen

Um für mehr Gleichgewicht entlang der Kette zu sorgen, existieren ausreichend kartell- und agrarrechtliche ­Gesetze auf Bundes- und EU-Ebene, etwa gegen unlautere Handelspraktiken. Hier muss also nicht nachgeschärft werden, es gilt, das Recht konsequent anzuwenden. Das betont auch die Monopolkommission. Das Kartellamt hat den Lebensmittelhandel ohnehin fest im Blick.

Das eigentliche Problem aber liegt anderswo. Jahrzehntelange Subventionen in der Landwirtschaft haben Überkapazitäten geschaffen und Preise hervorgebracht, die langfristig finanziell nicht nachhaltig sind. Die Agrarpolitik hält ineffiziente Strukturen künstlich am Leben und hemmt den Strukturwandel, der längst nach dem Prinzip „Wachse oder weiche“ verläuft. Viele Betriebe existieren nur dank EU-Direktzahlungen. Konsequenter wäre es, pauschale Prämien abzubauen und sie stärker an Faktoren wie bäuerliche Leistungen für die Umwelt zu koppeln. Das würde auch Überkapazitäten abbauen.

Solche sinnvollen Reformen werden aber, wie in anderen Wirtschaftsbereichen, ausgebremst. Es passiert das Gegenteil. Die landwirtschaftliche Lieferkette wird bis ins Detail durchreguliert, die Bürokratielast wächst, die Eingriffsfreude der Politik nimmt zu, vor allem seitens der EU – stets in der trügerischen Hoffnung, Bauern damit zu helfen. Kein Wunder, dass sich Frust aufstaut.

Zugleich könnten Landwirte selbst mehr Einfluss gewinnen, etwa wenn sie sich stärker zu Erzeugergemeinschaften zusammenschließen. Die Landwirtschaft hat Potential und sollte mutiger auftreten. Doch viele Bauern stecken in einem Korsett aus Subventionen, Regulierung und politischer Bevormundung. Auf den Handel zu zeigen und sich als Opfer darzustellen, mag naheliegen, helfen wird es nicht.