Bundestag: „Vollständig auf offener Bühne zerlegt“ – Dröge spricht Merz Eignung als Kanzler ab

Grünen-Fraktionschefin Dröge hält Friedrich Merz vor, er habe die Lage nicht im Griff. AfD-Chefin Weidel wirft dem Kanzler vor, „mit der Brieftasche des Steuerzahlers zu wedeln“. Merz selbst geht in seiner Regierungserklärung die EU an.

Nach den neuerlichen koalitionsinternen Querelen um wichtige Gesetzesvorhaben hat Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge die Eignung von CDU-Chef Friedrich Merz für das Amt des Bundeskanzlers in Frage gestellt.

Die Unionsfraktion habe dem Kanzler in den vergangene Monaten „in Serie die Mehrheit verweigert“, sagte Dröge im Bundestag. „Und ich sage Ihnen, Herr Merz: Wenn die Unionsfraktion Ihnen in Serie die Unterstützung verweigert, dann stellt sie Ihre Kanzlerschaft in Frage“.

„Denn ein Kanzler, der keine Mehrheit hat, der kann nicht halten, was er verkündet. Ein Kanzler, der keine Mehrheit hat, mit dem kann niemand etwas verhandeln und niemand etwas verabreden. Ein Kanzler ohne Mehrheit, der kann keine Regierung führen, aber eine Regierung ohne Führung, die kann nicht funktionieren“, sagte sie weiter.

Dröge kritisierte, dass Merz in seiner Regierungserklärung vor dem Bundestag die Antwort auf eine „elementare Frage“ schuldig geblieben sei: „Wie wollen Sie dem Land zeigen, dass Sie ein Kanzler sind, der geeignet ist, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu sein?“ Die Grünen-Politikerin fügte hinzu: „Diese Frage ist offen.“

Dröge warf Merz und seiner Koalition vor, mit dem offen ausgetragenen Streit um die Ausgestaltung des neuen Wehrdiensts der Sicherheit des Landes zu schaden. Merz sei „Kanzler einer Koalition, die sich in einer Frage der zentralen deutschen Sicherheitspolitik vollständig auf offener Bühne zerlegt“, sagte sie. „Keiner weiß, wie es weitergeht: Das ist die verheerende Bilanz der letzten zwei Tage.“

Dröge hätte von Merz eine Entschuldigung erwartet

Zu Merz‘ in die Kritik geratene „Stadtbild“-Aussage sagte Dröge: „Wie sieht man denn das Problem außer an der Hautfarbe der Menschen?“, fragte Dröge den Bundeskanzler. Merz‘ Aussage sei „diskriminierend“ und „unanständig“. „Ich hätte erwartet, dass Sie die Courage haben, sich heute dafür zu entschuldigen.“

Die Grünen-Politikerin kritisierte, dass Merz das Thema Wehrdienst in seiner Rede gemieden habe. Merz hätte die Rede nutzen müssen, „um einfach eine Frage zu beantworten: Wie kommen Sie aus dem Schlamassel, den Sie mit dem Vorschlag der Wehrdienst-Lotterie angerichtet haben, wieder raus?“ Der Vorschlag eines Wehrdiensts per Losverfahren habe „einen verheerenden Eindruck im Land erzeugt – gerade bei denjenigen, die sie überzeugen wollen“, sagte Dröge.

Unionsfraktionschef Jens Spahn wies die Grünen-Kritik zurück. „Dass wir gelegentlich diskutieren, dass wir debattieren, dass wir – ja auch hart – verhandeln: Das gehört dazu“, sagte der CDU-Politiker anschließend im Bundestag. „Entscheidend ist, dass wir am Ende zu Entscheidungen kommen. Und das wird diese Koalition, wie in den letzten Monaten auch, ohne Zweifel.“

Bei jeder Entscheidung und Abstimmung im Bundestag habe die schwarz-rote Regierung und die Koalition bisher eine Mehrheit gehabt, sagte Spahn. „Wir haben die notwendigen Mehrheiten. Sie erzählen Märchen“, sagte er an Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge gewandt.

Merz (CDU) hatte zuvor zudem in seiner Regierungserklärung tiefgreifende Reformen in der zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und zum Bürokratieabbau gefordert. „Europa wird nur produktiver werden, wenn es sich grundlegend ändert“, sagte er im Bundestag zum EU-Gipfel kommende Woche. Der Kanzler forderte: „Schluss mit der Regulierungswut, schnellere Verfahren, offene Märkte, mehr Innovation und mehr Wettbewerb.“

„Sie haben mit der Brieftasche des deutschen Steuerzahlers gewedelt“, sagt Weidel

AfD-Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel konzentrierte sich in ihrer Antwort auf Merz‘ Regierungserklärung hingegen auf die Ankündigung von Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD), mindestens 200 Millionen Euro als Soforthilfe für den Wiederaufbau des Gazastreifens bereitzustellen. „Wahrscheinlich, um ihren eigenen Bedeutungsverlust zu kaschieren, haben Sie, Herr Merz, wieder mal mit der Brieftasche des deutschen Steuerzahlers gewedelt“, sagte die Oppositionsführerin im Bundestag in ihrer Antwort auf Merz.

Die Bundesregierung wolle einen dreistelligen Millionenbetrag „für einen vagen Wiederaufbau verschleudern, obwohl noch niemand weiß, wer künftig in Gaza das Sagen hat“, kritisierte Weidel. „Sie werfen mit Geld um sich, das sie nicht haben. Geld, das sie den Bürgern vorenthalten. Geld, dass sie der arbeitenden Bevölkerung über Rekordsteuern und Abgaben abnehmen“

rct/dpa/AFP/Reuters