Bundesliga: Wie kann Eintracht Frankfurt den FC Bayern schlagen?

Man stelle sich vor, die neue Eintracht-Saison wäre eine Serie. Ihr Start, von Kennern liebevoll die Pilotfolge genannt, hätte die Feuilletonisten des Landes zu allen möglichen Kritiken ermuntert. Offensivliebhaber jubeln über die schönen Kombinationen und die vielen Tore. Schließlich hat nur eine Mannschaft in Deutschland häufiger getroffen, aber dazu später mehr. Anhänger des Defensivspiels, der italienischen Schule, schlagen die Hände über dem Kopf zusammen: Wie kann das nur passieren, in drei Spielen nacheinander vier oder fünf Gegentore hinnehmen zu müssen?

Toppmöller schloss in der Nacht von Madrid: Wenn die Eintracht Standards besser verteidigte, wäre es „fast die Hälfte weniger“ an Gegentreffern. Das ist zwar arithmetisch nicht einwandfrei belegbar, aber zumindest lassen sich Standards schnell trainieren. Weitere Schwachstellen aktuell: Ist das Eintracht-Pressing umspielt, was gerade ballsicheren Gegnern wie Atlético oder den Bayern gelingt, sind die Frankfurter Spieler in Abwehr, Mittelfeld und Sturm zu weit voneinander entfernt. Das Toppmöllersche Rätsel lautet also: Wie die Abwehr stärken, ohne den Sturm zu schwächen?

Toppmöller spielt lieber 5:4 als 1:0

Der Trainer sagte einmal, er spiele lieber 5:4 als 1:0. Das war nach seiner ersten Saison in Frankfurt. Häufig sind die Spiele seiner Mannschaft spektakulär, sie steht mit den zweitmeisten Gegentoren auf Platz vier der Tabelle. Der Eintracht-Sturm imponiert auch Bayern-Trainer Vincent Kompany: „Sehr, sehr stark“ sei er, sagte der Belgier, „beeindruckend“. Er frage sich, ob es jemanden gibt, der auf ein 0:0 wettet. Vermutlich nicht, auch nicht Toppmöller, wenn er dürfte.

Wird gegen die Münchner Defensive gefordert sein: Frankfurts Stürmer Jonathan Burkardt
Wird gegen die Münchner Defensive gefordert sein: Frankfurts Stürmer Jonathan BurkardtAFP

An diesem Samstagabend (18:30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky) treffen die beiden besten Angriffsreihen der Liga aufeinander. Im vergangenen Jahr war das ähnlich, damals endete eines der schönsten Spiele der Saison 3:3. Kompanys Bayern schießen zurzeit so viele Tore wie kaum ein anderes Team in Europa. Sie haben alles, was ein Spitzenteam braucht: starke Flügelstürmer, einen Weltklassetorjäger und eine schnelle Abwehr.

Ist es also für die Eintracht an der Zeit, sich zurückzuziehen, defensiver zu spielen? Ihre beiden jüngsten Siege gegen die Münchner erspielten sich die Frankfurter mit fünf Verteidigern, das 2:1 in der Allianz Arena vor vier Jahren und das 5:1 im Waldstadion vor zwei Jahren. Zuletzt spielte Toppmöllers Mannschaft mit einer Viererkette. Weil mit dieser Taktik Can Uzun viele Freiheiten hat, griff die Eintracht sehenswert durch die Mitte an. Das sorgte aber auch dafür, dass sie defensiv immer wieder unterbesetzt war. Kommt die Fünferkette zurück? Eine Überlegung sei das immer, sagte Toppmöller in Madrid. Aber dort war es eher die Klasse des Gegners, nicht das eigene System, erinnerte er. Und dann waren da ja noch die Standards. Noch am Freitag ärgerte er sich darüber: „Das war sehr billig, das müssen die Spieler selbst regeln.“

Um das System gehe es ihm nicht, daran hielt Toppmöller auch drei Tage nach dem 1:5 gegen Atlético fest. Sondern um eine andere „Verteidigungsmentalität“. Seine Mannschaft könne nur ein Underdog sein, wenn sie spiele wie ein Underdog – und nicht wie ein Nebendarsteller. In Madrid sei sein Team ehrfürchtig gewesen. „Wir brauchen eine andere Haltung, sie muss sein: Hier wird es heute richtig schwer.“

Toppmöller ist nicht ganz klar, wieso die Viererkette gleichbedeutend mit Offensivfußball sein soll und die Fünferkette mit Defensivfußball. Er sieht das anders: Es komme darauf an, wie eine Mannschaft ein System anwendet. Das sind, auf Nachfrage, schon wesentlich mehr Worte und Gedanken zu einem Thema, das drei Tage zuvor noch höchstens eine Überlegung gewesen ist.

Da die Münchner vor allem über die Flügel gefährlich sind, mit dem Kolumbianer Luis Díaz und dem Franzosen Michael Olise, scheint sich Toppmöller überlegt zu haben, ihnen jeweils zwei Spieler entgegensetzen. In der Offensive hingegen bleibt alles beim Alten – auch weil Jonathan Burkardt spielt. Der Stürmer, bisher einer der Protagonisten der Eintracht-Saison, hatte Anfang der Woche in Madrid noch gesagt, er wolle am Wochenende gemeinsam mit dem Trainer schauen und „neu bewerten“. Burkardt ist fit, sagte sein Gesprächspartner nun.

Viele Rätsel scheinen also gelöst, nur eines bleibt offen: wie es der Eintracht gelingen soll, gleichzeitig auf den Flügeln und in der Mitte die Bayern-Offensive zu stoppen. Aber zu jeder guten Serie gehört bekanntlich ein Cliffhanger.