Bundesliga-Vorschau: Therapiestunde in München | ZEIT ONLINE

Wer spielt wann gegen wen?

Welches Spiel dürfen Sie auf keinen Fall verpassen?

Kiel gegen St. Pauli. Weide, Ulme, Gräser, der April hält für Allergiker ein Lexikon der Grausamkeiten parat. Doch da ist noch etwas, das zuverlässig mit den ersten Kirschblüten auftaucht: die Abstiegsangst. Auch sie begünstigt Tränen und Atemnot. In der Kieler Förde hat sie Saison. Für die Kieler, die gerade den Vertrag mit ihrem Trainer Marcel Rapp verlängerten, geht es gegen die mitaufgestiegenen Paulianer schon um alles. Direkter Konkurrent, Tabelle, Restprogramm: Es heißt Siegen oder Abschiednehmen. Und klar, die Zweite Liga wäre unschön, aber man darf nicht vergessen, dass es immer schlimmer kommen kann: Ex-Profi Mike Hanke zum Beispiel hatte eine Rasenallergie. Gesundheit!  

Welches Spiel können Sie mit gutem Gewissen verpassen?

Bayern gegen Dortmund. Vor nicht allzu langer Zeit war das der in 965 Länder und 17 Bundesländer übertragene Höhepunkt der Saison, die Einführung einer von Kai Pflaume moderierten Halftimeshow stand kurz bevor. Dieses Mal ist die Stimmung nach den Champions-LeagueAuftritten, nun ja, gedämpft? Man trifft sich zur Gruppentherapie. Themen sind: Gewinnen ohne Abwehr, (alkoholfreie) Kontermaßnahmen und Nehmerqualitäten. Thomas Müller hat das einst wichtigste deutsche Spiel nach der Niederlage gegen Mailand zu einem ähnlich bedeutungsvollen Ereignis wie Zähneputzen oder Luftholen degradiert: Er habe „das Spiel am Wochenende“ gerade nicht im Kopf. Der deutsche Clásico ist zum Terapéutico gesundgeschrumpft. Vielleicht ist das ja gar nicht so schlimm.  

Wer steht im Blickpunkt?

Der Freistoß. Woche für Woche beobachten Fußballfans Bälle, die zur Gefahr für den Mann am Würstchenstand werden. Dabei gibt es für die Schützin oder den Schützen wenig befriedigendere Augenblicke als den, wenn der gerade noch ruhende Ball mit Rotation und Tempo und einer perfekten, leicht gekrümmten Flugkurve in einer der oberen Torecken einschlägt. Fehlen dem Torhüter trotz maximaler Überstreckung seines Körpers einige Zentimeter, oder, noch besser, bleibt er mit offenem Mund mittig auf der Linie stehen und blickt dem Ball ehrfürchtig nach, zählt das zu den schönsten Augenblicken im Leben eines Fußballers. Und der Fans. Der Brasilianer Juninho zehrt bis heute von den Endorphinen seines Freistoßkontos, weil er so oft und so schön traf. Womit wir bei Declan Rice vom FC Arsenal wären. Er zirkelte gegen Real Madrid das 1:0 so formvollendet um die Mauer, dass sich Mathematiker diesem Moment in ausführlichen Kurvendiskussionen widmen werden. Sein zweiter Treffer, nur kurz danach, wird hingegen bald in Paris zu sehen sein – gleich neben der Siegesgöttin Nike von Samothrake, ausgestellt im Louvre. Zwischen Ball, Pfosten und Latte hätte nicht mal mehr ein abgekauter Fingernagel gepasst. Ein Kunstschuss vor eigenem Publikum gegen Real Madrid. Und wie war Ihr Arbeitstag so?