Bundesliga-Aufsteiger HSV startet im DFB-Pokal in die neue Saison

In den Ecken des Volksparkstadions stehen zwei neue Tore, auch die beiden Trainerbänke wurden in der Sommerpause ausgetauscht, genau wie Hunderte Sitzschalen auf den Tribünen. Dazu soll erstmals ein Hybridrasen im Stadion anwachsen. Auch am Donnerstag sind noch Dutzende Handwerker im Stadion unterwegs, um die Arena bereit zu machen für die Rückkehr in die Fußball-Bundesliga.

Als am 10. Mai, nach dem 6:1-Sieg über Ulm, der Aufstieg feststand und Tausende Fans auf den Platz stürmten, um sich ein Souvenir dieses für sie historischen Abends zu sichern, hinterließ das Spuren. Viele nahmen ein Stück Rasen mit, andere schnitten das HSV-Logo aus den Sitzen, auf dem Dach der Auswechselbänke tanzten und hüpften Dutzende Anhänger, auch die Torstangen brachen.

Nach F.A.Z.-Informationen ist dabei ein Sachschaden in Höhe von mehr als 200.000 Euro entstanden. Einen Teil davon hat eine Versicherung übernommen. Als ein Mitarbeiter davon erzählt, lächelt Merlin Polzin nur milde. Der Trainer hat anderes im Kopf.

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Polzin und der HSV stehen vor einer Saison, die es so im Klub noch nie gegeben hat. 34 Jahre ist der Mann aus Hamburg alt, so jung wie kein anderer der aktuellen Bundesliga-Trainer. Er soll den Schlüssel dafür finden, wie der HSV sich wieder unter den Fußball-Größen des Landes etabliert. Von Vereinen wie Bayern München, Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen ist der Verein inzwischen jedoch weiter entfernt als von Klubs wie Heidenheim, St. Pauli und dem FC Augsburg.

Und doch ist der HSV kein gewöhnlicher Aufsteiger: Der Verein hat inzwischen rund 127.000 Mitglieder in seinem Rücken, nur vier Vereine in der Bundesliga haben noch mehr. In der vergangenen Saison kamen durchschnittlich 56.300 Zuschauer zu den Heimspielen.

Polzin kommt mit Verspätung

Als Polzin am Donnerstagnachmittag in der Pressekonferenz vor dem Spiel in der ersten Runde des DFB-Pokals beim FK Pirmasens an diesem Samstag (13.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zum DFB-Pokal und bei Sky) sprechen sollte, blieb sein Platz lange leer. Erst mit knapp einer Viertelstunde Verspätung kam er, bat um Entschuldigung und reichte die Erklärung gleich dazu: Es sind noch Sommerferien in Hamburg, und entsprechend groß ist der Andrang von jungen Fans am Trainingsgelände. „Wir wollen da gerne alle Autogramm- und Fotowünsche erfüllen“, sagte Polzin.

Wer ihm begegnet in den Tagen, bevor es ernst wird, erlebt einen jungen Mann, der oft lächelt, der eher einen positiven Blick auf die Dinge hat und sich nicht anmerken lässt, dass er fortan einer derjenigen Trainer in der Republik sein wird, die besonders im Fokus stehen werden.

10.000 Zuschauer werden in Pirmasens erwartet – und die meisten von ihnen werden darauf hoffen, dass dem Klub aus der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar ein Pokal-Coup gelingt. Yanick Gries, Kapitän von Pirmasens, ist zwar begeisterter Anhänger des HSV, setzt aber trotzdem darauf, dass seine Mannschaft irgendwie ohne Gegentor bleibt und dann im Elfmeterschießen gewinnt.

Als Polzin darauf angesprochen wird, grinste er. Aber nicht weil er ohne ein Wort zu sagen zum Ausdruck bringen wollte, dass der Gegner sich da vielleicht ein bisschen übernehme, sondern weil das wieder ein Beispiel dafür war, wie viele Menschen es mit seinem HSV halten. „Es freut uns immer, dass deutschlandweit unsere Farben hochgehalten werden“, sagte Polzin.

„Wir wissen, was auf uns zukommt“

Der Auftakt in die neue Bundesliga-Saison hat es in sich. Nach dem Spiel in Mönchengladbach empfängt der HSV den FC St. Pauli zum Stadtderby und muss dann beim FC Bayern München antreten. Schon nach drei Spieltagen dürfte ein erster Reality-Check erfolgt sein.

Nach fünf Testspiel-Niederlagen in Serie und 2:14 Toren fürchten einige Beobachter schon jetzt, dass der Kampf gegen den Abstieg ein sehr langer werden könnte. „Unsere Mannschaft braucht kein Selbstvertrauen, das über Testspiele kommt. Unsere Mannschaft kommt über Inhalte und zieht aus diesen Inhalten dann das Selbstvertrauen“, sagt Polzin. „Um uns muss sich keiner Sorgen machen.“

Zusammen mit seinem Trainerteam hat er sich beispielsweise intensiv mit den Laufdaten der vergangenen Bundesliga-Saison beschäftigt. Er wollte wissen, wie viele Kilometer die Mannschaften im Durchschnitt laufen, wie viele Sprints die Spieler anziehen und welche Räume zu verteidigen sind. „Wir wissen, was auf uns zukommt“, sagt Polzin. Zusammen mit Sportvorstand Stefan Kuntz und Sportdirektor Claus Costa hat er sich deshalb dafür entschieden, das Gesicht der Mannschaft zu verändern und für das 4-3-3-System aus der Aufstiegssaison ein Upgrade zu finden.

Künftig lässt Polzin mit drei Innenverteidigern und zwei offensiven Außenverteidigern spielen. So sollen auf der einen Seite möglichst wenige Gegentore fallen – ein Faktor, warum St. Pauli in der vergangenen Saison nicht abgestiegen ist – und auf der anderen Seite kann sich im Idealfall ein Mann mehr in die Offensive einschalten.

Die Frage ist, ob der Mut so viel zu verändern, am Ende belohnt wird. Unter anderen haben Ludovit Reis, Davie Selke und Adam Karabec den Verein verlassen, dafür wurde Torhüter Daniel Peretz vom FC Bayern ausgeliehen, kamen die Abwehrspieler Jordan Torunarigha (KAA Gent), Warmed Omari (ausgeliehen von Stade Rennes) und Giorgi Gocholeishvili (ausgeliehen von Schachtar Donezk), die Mittelfeldspieler Nicolas Capaldo (RB Salzburg) und Nicolai Remberg (Holstein Kiel) und die Angreifer Rayan Philippe (Eintracht Braunschweig) und Yussuf Poulsen (RB Leipzig), der gleich neuer Kapitän wurde.

Neben einem kreativen Spieler für die Zentrale wird ein weiterer Innenverteidiger gesucht. Ganz oben auf der Liste: Luka Vuskovic, Bruder des seit November 2022 wegen Dopings gesperrten Verteidigers Mario Vuskovic. Tottenham sucht derzeit nach einem Verein, bei dem der Achtzehnjährige für eine Saison Spielpraxis sammeln kann. Der HSV hat vor allem deshalb Chancen, weil sich die Verantwortlichen bis heute hinter seinen älteren Bruder stellen.