Bundeskartellamt stimmt Fusion von „Südwest-Presse“ und „Stuttgarter Zeitung“ zu


Mit der Übernahme der „Stuttgarter Zeitung“ und der „Stuttgarter Nachrichten“ durch die „Neue Pressegesellschaft“ in Ulm steht die Medienlandschaft in Baden-Württemberg vor der größten Umwälzung seit Jahrzehnten. Der seit vielen Jahren zu spürende Konzentrationsprozess dürfte sich weiter beschleunigen. Dank der wirtschaftlichen Stärke Baden-Württembergs vollzog sich der Pressekonzentrationsprozess bei den Verlagen im Südwesten langsamer als in anderen Bundesländern. Nach dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und der Funke Mediengruppe dürfte die SWP der drittgrößte Mantelproduzent werden. Die liberale „Stuttgarter Zeitung“ verabschiedet sich damit endgültig von ihrem überregionalem Anspruch.

Ein Redaktionsmantel für 600.000 Exemplare

Dadurch, dass der Ulmer Verlag „Neue Pressegesellschaft“, der die „Südwest Presse“ (SWP) herausgibt, nun für einen zweistelligen Millionenbetrag die „Medienholding Süd“ mit den Stuttgarter Blättern und dem „Schwarzwälder Boten“ übernimmt, kann ein einheitlicher Mantel mit einer Auflage von mehr als 600.000 Zeitungsexemplaren produziert werden. Schon heute beliefert die SWP in Ostdeutschland auch die „Märkische Oderzeitung“ und die „Lausitzer Rundschau“ mit den überregionalen Seiten. Der Verkauf der „Medienholding Süd“, bislang Teil der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), die auch die „Süddeutsche Zeitung“ herausgibt, war Ende Mai bekannt gegeben worden. Am Montag gab das Bundeskartellamt bekannt, dass es – entgegen anfänglicher Bedenken – der Fusion zustimmt. „Die Übernahme des ‚Schwarzwälder Boten‘ durch die Verlegerin der ‚Südwest Presse‘ ist wettbewerblich bedenklich, weil diese beiden Titel in Teilen von Baden-Württemberg die einzigen Wettbewerber im Bereich regionaler Tageszeitungen sind. Dennoch mussten wir den Zusammenschluss freigeben“, teilte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, am Montag mit.

Dem Vernehmen nach verhandelten die Ulmer Zeitungsgruppe und die SWMH seit etwa einem Jahr über die Übernahme. Dadurch, dass der Ulmer Verlag die in Horb erscheinende „Neckarchronik“ mit einer Auflage von etwa 4500 Exemplaren kürzlich verkauft hatte, waren die kartellrechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Das Bundeskartellamt erwarte durch die Fusion zwar „einzelmarktbeherrschende Stellungen“, hieß es. Aufgrund schrumpfender Leser- und Anzeigenmärkte sei das Geschäftsvolumen aber zu gering, um eine Fusion zu untersagen (Bagatellmarktschwelle).

Für die Verlagsmanager stellt sich nun die Frage, welche Doppelstrukturen abgebaut werden: Die SWP produziert den Mantel schon heute in ihrem Berliner Büro. Wird sie das künftig auch für die Stuttgarter Blätter tun? In Stuttgart beliefert eine Bürogemeinschaft unter Federführung der SWP den „Südkurier“, den „Mannheimer Morgen“, die „Südwest Presse“, die „Heilbronner Stimme“, die „Badischen Neuesten Nachrichten“, die „Badische Zeitung“ sowie die „Rhein Neckar Zeitung“ mit landespolitischen Artikeln. Das könnten sie künftig natürlich auch für die Stuttgarter Titel.

Ministerpräsident Winfried Kretsch­mann (Grüne) rief am Wochenende anlässlich einer Feier zum 80. Jubiläum des „Südkuriers“ in Konstanz auf, „den Wert unabhängiger Medien immer wieder neu zu verteidigen“. „Wer meint, sich guten Journalismus sparen zu können“, sagte Kretschmann, „der zahlt am Ende einen hohen Preis – den Preis des Vertrauensverlusts, den Preis der Orientierungslosigkeit, den Preis der Spaltung.“ Auf die geplante Fusion bezog sich das nicht, sondern generell auf die Zukunft des Zeitungsjournalismus.