
Der 14. November 2025 hätte ein großer Tag für die schwarz-rote Koalition werden können. Nicht allein, weil der Haushaltsausschuss am frühen Freitagmorgen nach einer mehr als 15-stündigen Nachtsitzung den Etat für das kommende Jahr gebilligt hat. Sondern, weil damit auch Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur auf den Weg gebracht wurden. Doch von der Aufbruchstimmung, die das Finanzpaket im Frühjahr ausgelöst hatte, ist kaum noch etwas zu spüren.
Aus gutem Grund. Inzwischen wird nämlich immer deutlicher, wie verschwenderisch die Regierung die finanziellen Spielräume nutzt, die sie sich durch die Aufnahme neuer Schulden geschaffen hat. Führende Ökonomen sind überzeugt: Ein erheblicher Teil der Mittel wird gar nicht zusätzlich investiert, sondern verwendet, um Haushaltslöcher zu schließen – allen Warnungen zum Trotz. Das ist nicht nur fatal, weil die Regierung es anders versprochen hatte. Sondern auch, weil Investitionen in die Infrastruktur dringend nötig sind. Nicht nur die Opposition, auch Wirtschaftswissenschaftler warnen, dass die Regierung eine große Chance verspielt. Und die Gefahr ist groß, dass die Kritiker Recht behalten.
Ziel des 500-Milliarden-Pakets war es, die staatlichen Investitionen in Deutschland über das bisherige Niveau hinaus zu steigern. Der Sachverständigenrat für Wirtschaft schätzt: Nicht einmal die Hälfte der Mittel aus dem Sondervermögen werde für zusätzliche Investitionen ausgegeben. Das geht aus dem Jahresgutachten hervor, das der Sachverständigenrat am Mittwoch veröffentlicht hat. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Bis 2029 werde jeder zweite Euro zweckentfremdet, warnt das IW.
Höchste Zeit, dass sich etwas ändert
Der Befund der Wissenschaft ist erschütternd. Sollte es tatsächlich kommen, wie befürchtet, wäre das ein Skandal. Das Grundgesetz ist eindeutig: Das Sondervermögen darf nur für zusätzliche Investitionen eingesetzt werden. Darauf hatten die Grünen bestanden, bevor sie der notwendigen Verfassungsänderung zustimmten. Doch es sieht danach aus, als habe sich die Partei überlisten lassen.
Zwar gilt für den Kernhaushalt eine Investitionsquote von zehn Prozent, damit Ausgaben für Investitionen nicht einfach in einen anderen Topf wie das Sondervermögen verschoben werden. Doch die scheint wenig wert zu sein. Ein großer Teil der veranschlagten Mittel entfalle auf Posten, deren investiver Charakter zweifelhaft ist, kritisiert unter anderem das Münchner ifo Institut und wirft der Regierung Mogelpackungen vor.
Noch weitgehend unklar ist zudem, wie die jeweils 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen, die über mehrere Jahre verteilt an den Klima- und Transformationsfonds und die Länder gehen sollen, verwendet werden. Für diese Posten fehlen verbindliche Regeln, um die Zusätzlichkeit zu sichern.
Die Regierung sollte diese Kritik ernst nehmen. Sie gefährdet mit ihrer Haushaltspolitik eines ihrer wichtigsten Ziele. Schließlich sollen die Investitionen auch die Wirtschaft beleben, also endlich den Aufschwung bringen, den allen voran Bundeskanzler Friedrich Merz versprochen hat.
Bislang hat sich seit dem Amtsantritt von Schwarz-Rot an der wirtschaftlichen Entwicklung jedoch wenig verbessert. Die Wirtschaftsleistung stagniert. Arbeitsplätze werden eher abgebaut, als dass neue Jobs entstehen. Bei den privaten Investitionen ist noch keine Trendwende in Sicht. Höchste Zeit, dass sich das ändert.
Wer nicht sparen will, muss tricksen
Immerhin gehen alle führenden Forschungsinstitute davon aus, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr tatsächlich wieder stärker wachsen wird als zuletzt. Mit einem deutlichen Aufschwung ist aber nicht zu rechnen. Der Effekt des Sondervermögens könnte eher gering ausfallen. Die Wirtschaftsweisen prognostizieren, dass 2026 von 0,9 Prozent Wachstum lediglich mickrige 0,3 Prozentpunkte darauf entfallen werden.
Sollte es so kommen, wäre das angesichts der hohen Erwartungen, die die Regierung geweckt hat, eine große Enttäuschung. Zumal nach Ansicht des Sachverständigenrats durch eine zielgenauere Verwendung der Mittel ein deutlich größeres Plus möglich wäre. Im besten Fall könnte das Wachstum demnach jedes Jahr um einen Prozentpunkt höher ausfallen.
Die Regierung hat sich selbst unnötigerweise in eine vertrackte Situation gebracht. Trotz des Sondervermögens ist die Finanzlage im Kernhaushalt enorm angespannt. Doch Schwarz-Rot hat es weder geschafft, die Ausgaben im Haushalt deutlich zu begrenzen, noch die Einnahmen durch Steuerreformen zu verbessern. Vielmehr werden geplante Steuerentlastungen zum Beispiel für die Gastronomie, für Pendler oder die Landwirtschaft den Haushalt künftig zusätzlich belasten – ohne dass dadurch Wachstumseffekte zu erwarten sind. Von der Mütterrente ganz zu schweigen.
Kein Wunder also, dass die Versuchung groß ist, sich am Sondervermögen zu bedienen, um die Defizite zu verringern. Irgendwo muss das Geld ja herkommen, um all die Wahlgeschenke oder die steigenden Zuschüsse an die Rentenversicherung zu finanzieren. Wer nicht sparen will, muss tricksen.
Es gibt nur einen Ausweg
Künftig dürfte die Versuchung, das Sondervermögen für andere Zwecke zu nutzen, sogar noch größer werden. Zwar ist die Finanzierungslücke für 2027 nach Angaben der Koalition etwas kleiner geworden. In der Finanzplanung bis 2029 tun sich jedoch immer noch riesige Haushaltslöcher auf, die irgendwie gestopft werden müssen, wenn die Neuverschuldung nicht weiter steigen soll.
Für das kommende Jahr hat der Haushaltsausschuss die Schuldenaufnahme sogar nochmal um rund acht Milliarden Euro erhöht. Im Jahr 2029 reichen die Einnahmen laut der Finanzplanung des Bundes gerade einmal aus, um die Ausgaben für Verteidigung, Soziales und Zinskosten zu decken. Letztere dürften sich aufgrund der neuen Schulden in den kommenden Jahren verdoppeln.
Es gibt nur einen Ausweg, um der Verlockung, das Sondervermögen für andere Zwecke zu verwenden als vorgesehen, künftig zu widerstehen: Die Regierung muss sich vom Spardruck befreien. Helfen würde neben Ausgabenkürzungen im Kernhaushalt oder gezielten Steuererhöhungen ein stärkeres Wirtschaftswachstum und damit: steigende Einnahmen. Die Regierung sollte daher dringend für weitere Wachstumsimpulse sorgen und sicherstellen, dass die Milliarden aus dem Sondervermögen zusätzlich investiert werden. Noch ist nicht alles verloren.
